Episode 13: Wie der Staat nachhaltiger beschafft
Während die Berner Polizei korrekt ihre neue Flotte an Elektroautos beschafft hat, patzte ein anderer Kanton, weil er sich auf Tesla fokussierte. In der 13. Episode unseres Podcasts sprechen unsere Beschaffungsrecht-Expertin Rika Koch und Thomas Fischer, Leiter Recht des KAIO Bern, wie öffentliche Beschaffungen nachhaltiger werden und warum man nicht nur einen Anbieter anfragen darf.
Rika, du untersuchst die praktische Umsetzung der öffentlichen Beschaffung und schaust besonders auf die nachhaltige Komponente sowie den Wettbewerb. Seit der Gesetzesrevision des Beschaffungsrechts ist vorgegeben, dass die soziale und die ökologische Nachhaltigkeit berücksichtigt werden sollen. Geht das Gesetz aus deiner Sicht weit genug?
Rika Koch: Da muss ich mit Jein antworten. Früher habe ich gedacht, man könnte weiter gehen, als es zum Beispiel das WTO-Recht, also das übergeordnete internationale Recht, erlaubt. Die Schweiz hat den Mindeststandard einfach übernommen. Andere Länder sind strikter. Sie sagen, man muss zum Beispiel öffentlich beschaffen in einigen Sektoren. An der BFH habe ich viel Kontakt mit Praktiker*innen und muss sagen: Dafür, dass die Umsetzung nicht einfach ist, ist es ein ambitioniertes Gesetz. Es hat das Nachhaltigkeitsgebot und die einzelne Umsetzung über die einzelnen Produkte und Dienstleistungssektoren ist den Beschaffungsstellen, also sagen wir dem Bund selbst, oder den Kantonen oder den Gemeinden, überlassen und gibt ihnen einen gewissen Spielraum und das ist politisch und praktisch sehr klug.
Und du untersuchst auch die Wettbewerbskomponenten…
Rika Koch: Ja, denn der Wettbewerb ist sehr wichtig im Beschaffungsrecht. Es ist eine der drei grundlegenden Säulen. Nur müssen wir lernen, Wettbewerb neu zu denken. Wettbewerb heisst nicht, das billigste Angebot gewinnt. Der Anschaffungspreis ist wichtig, soll aber nicht das entscheidende Merkmal sein. Wir wollen keine überteuerten Luxusprodukte, keineswegs. Aber, das gilt auch für die Privatwirtschaft, für die Anbieter*Innen, dass Nachhaltigkeit zu der Qualität des Produktes oder der Dienstleistung mitgezählt werden. So haben Anbieter*innen, die diese Qualität über Nachhaltigkeitskriterien liefern können, einen fairen Wettbewerbsvorteil.
Viele Unternehmen setzen bereits auf Nachhaltigkeit. Findet, unabhängig von der Gesetzesrevision, dieser nachhaltige Wandel bei Beschaffungen indirekt schon statt?
Rika Koch: Absolut. Die öffentliche Hand ist insofern nicht unbedingt die Pionierin, dass sie diese Kriterien nachfragt. Wir haben eine sehr innovative Wirtschaft in der Schweiz, die das schon längst erkannt hat.
Thomas, du bist verantwortlich für das öffentliche Beschaffungswesen im Kanton Bern. Kannst du uns ein aktuelles Beispiel geben?
Thomas Fischer: Im Kanton Bern werden täglich Beschaffungen durchgeführt. Auch grosse. Wir haben ein Budget von ungefähr 12 Milliarden Franken. Ein besonders gutes Beispiel, wie wir mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffungspraxis eingebaut haben, sind unsere Fahrzeugbeschaffungen. Die sind im Kanton zentral bei der Kantonspolizei angesiedelt, bei der zentralen Beschaffungsstelle Mobilität. Man stellt sich jetzt die Polizist*innen nicht so als die grünsten Menschen vor, aber ich bin doch beeindruckt, wie es diese Kolleg*innen geschafft haben, in der Ausschreibung der Fahrzeugflotte des Kantons Bern der Nachhaltigkeit ein grosses Gewicht zu geben. Man ist dort vom CO2-Ausstoss ausgegangen, den man begrenzt hat, den man möglichst auf Null reduzieren will. Das wurde auch vom Markt gut aufgenommen und so konnten wir jetzt eine gute und immer grünere Fahrzeugflotte beschaffen.
Rika Koch: Ich muss schmunzeln, weil Thomas dieses Beispiel gebracht hat. Es ist sehr interessant und erfreulich zu sehen, wie der Kanton Bern das macht. Es gab aber einen anderen Kanton, der in den Schlagzeilen war, weil die Polizei dort zwar auch Elektrofahrzeuge beschaffen wollte. Aber sie hat die Ausschreibung so formuliert: Wir brauchen Teslas für unsere Fahrzeugflotte und zwar diejenigen, bei denen sich die Türen so schräg nach oben öffnen lassen. Das wurde kritisiert, weil das diskriminierend, also wettbewerbseinschränkend ist, wenn man eine konkrete Marke verlangt. Elektrofahrzeuge sind super, aber das muss man öffnen für den ganzen Elektrofahrzeugmarkt. Zwar hat die dortige Polizei auch gesagt, dass sie das aus Nachhaltigkeitsgründen wollen.
Also braucht es eine Weiterbildung für diejenigen, die die Ausschreibungen machen?
Rika Koch: Absolut. Das ist ein zentraler Teil der Professionalisierung. Oder auch nur schon Awareness. Es braucht die Nachhaltigkeit neu in Beschaffungen und wie man es macht, das ist wirklich kompliziert. Das war für mich auch ein Learning. Als Juristin denkt man ja, okay, jetzt haben wir ein Gesetz, jetzt ist alles gut. Das ist eine sehr naive Annahme, denn das Gesetz muss gelebt werden. Und wie, das müssen wir alle zuerst lernen und üben und dafür braucht man Weiterbildungen.
Im Gesetz steht also nicht, wie viel CO2 bei einer Vergabe gespart werden müsste. Gibt es irgendwelche anderen konkreten Anhaltspunkte?
Thomas Fischer: Ja, im Kanton Bern haben wir uns solche gegeben. Wir haben seit einigen Jahren eine Beschaffungspolitik des Regierungsrates für die zentralen Beschaffungsstellen. Dort hat der Regierungsrat, schon bevor das neue Gesetz in Kraft trat, uns politische Vorgaben gegeben, wie wir mit den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, der sozialen, der ökologischen, der wirtschaftlichen, umgehen sollen. Mit dem neuen Gesetz haben wir für uns, für die Kantonsverwaltungen, die Verordnung geschrieben, oder beziehungsweise der Regierungsrat hat es uns ins Pflichtenheft geschrieben: Wir müssen bei allen Beschaffungen Nachhaltigkeitskriterien prüfen. Im Gesetz ist es eine Kann-Bestimmung. Wir haben es für uns aber zu einer Muss-Bestimmung gemacht, um auch den Zielen des Regierungsrates, der die Nachhaltigkeit im Kanton besser verankern und vorantreiben will, gerecht zu werden. Und im Moment sind wir in unserem Amt dabei, gemeinsam mit den Stakeholdern im Kanton Weisungen zu erarbeiten, wie wir das in einzelnen Sektoren realisieren. Wir möchten den Beschaffenden also eine konkrete Menüliste von Kriterien anbieten, die sie je nach Beschaffungssektor anwenden können, um die Nachhaltigkeit dann auch messbar zu machen.