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Engagierte Diskussionen über die Zukunft des Bauens mit Holz
08.05.2024 Der gut besuchte Holzbautag Biel fand am 2. Mai 2024 bereits zum 17. Mal statt. Das traditionelle Stelldichein der Branche suchte dieses Jahr im Kongresshaus Biel das Gespräch zwischen Holzbauingenieur*innen, Architekt*innen und Unternehmer*innen zum Bauen der Zukunft. Welche Rolle kann Holz dabei spielen, die anstehenden Herausforderungen zu meistern?
Bauen mit Holz erlebt goldene Zeiten, doch wie langlebig ist dieser Boom? Wie entwickeln sich das Baugewerbe und der Holzbau in den nächsten zwanzig Jahren? Solche Fragen standen im Mittelpunkt der diesjährigen Ausgabe des Holzbautags Biel. Von «komplexen Herausforderungen» sprach Gastgeber Peter Staub, der Direktor des Departements Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule, in seiner Begrüssung. «Die hochgesteckten Nachhaltigkeitsziele», sagte er, «lassen sich nur gemeinsam erreichen, das setzt Dialog und Interdisziplinarität voraus.» Damit war auch gleich das Konzept der Veranstaltung umrissen: Gemeinsam präsentierten Teams aus Architekt*innen und Ingenieur*innen ihren Blick auf Gegenwart und Zukunft.
Der erste Vortragsblock lieferte eine Art Auslegeordnung des heutigen Bauens mit Holz. «Massenware oder Einzelstück?» fragten sich in ihrem Beitrag zu Schulbauten in Holz der Architekt Frederic Bauer, Partner bei Bürgi Schärer Architekten und der Holzbauingenieur Johann Maître, Bereichsleiter Romandie bei Timbatec. Ihre Einschätzung fiel differenziert aus: Einerseits sei heute der Modulbau bei Schulhausbauten weitverbreitet, und viele Projekte wiesen strukturelle Gemeinsamkeiten auf, weshalb man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden müsse. Doch auf der anderen Seite erlaube der Baustoff Holz «ein hohes Mass an Individualität bei der Gestaltung», und idealerweise passe man Projekte an das vorhandene Holzangebot in den Gemeinden an, die ihre Schulhäuser aus Holz bauen wollten. Mit Blick auf die Zukunft betonte Frederic Bauer das «grosse Potential beider Welten», und Johann Maître meinte: «Die Herausforderung liegt bei den Holzbaufirmen. Es braucht Unternehmen, die auch ganz grosse Bauten stemmen können.»
Keine Hightech-Lösungen
Mathias Heinz von pool Architekten und der Bauingenieur Hermann Blumer teilten in ihrem Vortrag zu Grossprojekten in Holz Erfahrungen und Empfehlungen. In ihrer dialogischen Präsentation wurde unter anderem klar, wie schwierig es sein kann, die gestalterischen und konstruktiven Ansprüche mit den Bedürfnissen der Haustechnik unter einen Hut zu bringen. Diskutiert wurden zudem die Rolle von Fassaden (Mathias Heinz: «Die Fassade denkt mit.») und zirkuläres Design. Holzbaupionier Blumer gab ob all der komplexen Herausforderungen folgenden Rat an seine jungen Kolleg*innen weiter: «Versucht nicht, mit Holz Hightech-Lösungen zu finden. Holz ist dann stark, wenn es seine Vielseitigkeit und seine atmosphärische, soziale Seite ausspielen kann.»
Eines der gegenwärtig grössten Holzbauprojekte in der Schweiz stellten Rolf Nydegger und Matthias Eisele vor: das neue Produktionsgebäude von Roche Diagnositcs in Risch-Rotkreuz. Nydegger vertrat als Projektmanager den Bauherrn Roche und Eisele sprach als Tragwerksplaner von merz kley partner. Das viergeschossige Gebäude, mit dessen Bau nächstens begonnen wird, soll 150 Meter lang werden und neben hochreinen Produktionsstätten auch ein Hochregallager beinhalten. Bauingenieur Eisele plädierte für «einen pragmatischen und keinen dogmatischen Einsatz von Holz». Deshalb sorgen beim Grossgebäude zum Beispiel Kerne aus Stahlbeton für die horizontale Aussteifung. Ein grosses Thema ist für den Bauherrn mit seinen hochpräzisen Messgeräten die Erschütterungssensibilität – mit einer Konstruktion ausschliesslich in Holz liesse sich die dazu nötige Steifigkeit nicht erreichen. So oder so werden mehrere tausend Kubikmeter Holz verbaut – doch dieses Volumen, so erklärte Rolf Nydegger, wachse im Schweizer Wald in nur 13 Stunden wieder nach.
Junge Köpfe voller Ideen
Im zweiten Vortragsblock kam gewissermassen die Zukunft des Bauens mit Holz zu Wort. Dieser Teil der Veranstaltung stand unter dem Titel «Junge Kooperationen aus Architektur, Ingenieurwesen und Handwerk». Die vier vorgestellten Projekte sind als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen, den der Holzbautag Biel 2024 für interdisziplinäre Teams unter 40 Jahren ausgeschrieben hat. Das Publikum vor Ort konnte unter den vier präsentierten Siegerprojekten zusätzlich seine Wahl treffen und entschied sich für den Aussichtsturm Hardwald bei Zürich. Ein Team bestehend aus Luna Productions (Architektur) und der Frischknecht Holzbau-Team AG hatten den von den Standortgemeinden initiierten Wettbewerb gewonnen und ihr Projekt 2022 realisieren können. Der 41 Meter hohe Turm besticht durch seinen skulpturalen Körper, dessen Silhouette sich je nach Standpunkt der Betrachter*innen verändert. Nicht zuletzt dieser überzeugenden Gestaltung wegen, ist der Aussichtsturm zu einem Publikumsmagneten geworden.
Qualitätskontrolle bei Re-Use
Der Nachmittag stand im Bieler Kongresshaus unter dem Stichwort Dialog. Die Teilnehmenden konnten sich für eine von drei interaktiven Veranstaltungen entscheiden. Ihre Titel: «Erdbebengerechte Holzbauten – heute und in Zukunft», «Planung und Umsetzungsprozess» sowie «Kreislauffähige Konstruktion und Gestaltung». Mit Abstand auf das grösste Interesse stiess das Thema zirkuläres Bauen. Damit tatsächlich Kreise geschlossen werden können, gilt es vermehrt mit ganzen gebrauchten Bauteilen zu bauen (Stichwort: Re-Use). So viel zur Theorie. In der Praxis, so zeigte die Publikumsdiskussion, stellen sich dabei allerdings noch diverse Fragen, so etwa: Wer garantiert die Qualität der wiederverwendeten Teile? Wie lassen sich die Kosten für Abbau, Wiederaufbereitung und Lagerung weiterverrechnen? Und wie können Bauherr*innen davon überzeugt werden, beispielsweise gebrauchte WC-Schüsseln wiederzuverwenden? Einer der Votanten meinte deshalb, man sollte Gebäude nicht rückbauen, sondern daran weiterbauen und sie ergänzen. «Die Zukunft gehört dem modularen Bau», forderte er, «das entspricht dem Baustoff Holz bestens.»
Wird in Zukunft nur noch renoviert?
Zum Schluss der Ausgabe 2024 des Holzbautages Biel wurde auf der Bühne debattiert. Unter der Leitung von Hanspeter Bürgi – zusammen mit seinem Professorenkollegen Cornelius Oesterlee von der BFH hatte er die Veranstaltung konzipiert – diskutierten Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft über Perspektiven der (Holz)Bauwirtschaft bis ins Jahr 2050.
Wird im Jahr 2050 überhaupt noch neu gebaut? wollte Moderator Bürgi wissen. «Der Anteil an Renovationen wird deutlich steigen und bei Neubauten wird man alles tun, um den Materialeinsatz zu reduzieren», meinte Julia Pagel, Immobilienentwicklerin bei Losinger Marazzi. Und die Planerin Nicole Deiss von Neon Deiss Architektinnen erklärte: «Es hat bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden, immer mehr Bauherrschaften entschliessen sich, den Bestand zu erhalten.» Der Holzbauunternehmer Max Renggli sagte gegen Ende der Diskussion: «Die Zukunft ist hybrid, was wir brauchen ist ein differenzierter Einsatz von Ressourcen.» Gerhard Andrey schliesslich, Nationalrat der Grünen und IT-Unternehmer, formulierte sein persönliches Schlusswort so: «Ich möchte Lust auf die Zukunft wecken. Wir verfügen in der Schweiz über alle Ingredienzen, die es dazu braucht – wer, wenn nicht wir kann eine lebenswerte Zukunft schaffen?»
Holzbautag Biel: Führende nationale Branchenplattform
Der Holzbautag Biel wurde zum 17. Mal durchgeführt und ist inzwischen die führende Branchenplattform. Er bietet Führungskräften aus der Bau- und Holzwirtschaft gezielte Weiterbildung und auch die Gelegenheit, sich zu treffen und auszutauschen. Angesprochen sind Holzbauer*innen, Holzbauingenieur*innen, Architekt*innen, Investor*innen und Bauherrschaften, die sich für den modernen und leistungsfähigen Holzbau interessieren. In der begleitenden Fachausstellung präsentieren über 50 Unternehmen ihre neusten Produkte, Dienstleistungen und Lösungsansätze. Der nächste Holzbautag Biel findet am 8. Mai 2025 statt.