- Story
«Das ist einzigartig in der Schweiz»
03.09.2024 Die Höhere Fachschule (HF) Holz Biel und das Institut für Holzbau der Berner Fachhochschule BFH legen Wert auf eine praxisorientierte Ausbildung. Christoph Rellstab, Leiter der HF Holz Biel, und Christoph Fuhrmann, Institutsleiter Holzbau, äussern sich im Interview über die Unterschiede der Studiengänge, die Bedeutung des Standorts Biel bei der Entwicklung des Holzbaus und schlaflose Nächte am Zürcher Flughafen.
Warum haben Sie Ihr Arbeitsleben dem Werkstoff Holz verschrieben?
Christoph Rellstab: Ich war handwerklich geschickt und erledigte schon als Junge gerne Schreinerarbeiten mit einer von meinem Grossvater geerbten Maschine. Dass ich mich für eine Schreinerlehre entschied, war dann aber eher Zufall.
Christoph Fuhrmann: Mein Vater war Schreiner, als Kind nahm er mich schon mit auf die Baustellen. Und in seiner Schreinerei packte ich später als Jugendlicher auch mit an. Da war es für mich klar, eine Schreinerlehre zu machen. Beim natürlichen Baustoff Holz bin ich geblieben.
C. Rellstab: Dass Holz ein nachwachsender und nachhaltiger Baustoff ist, war damals eine Selbstverständlichkeit, wurde aber nicht hervorgehoben. Erst im Lauf der vergangenen Jahre ist das Bewusstsein dafür in einer breiten Öffentlichkeit gestiegen. Das hat auch damit zu tun, dass immer mehr erkannt und erforscht wurde, welch leistungsfähiger Baustoff Holz ist. Als ich in die Lehre ging, durfte man maximal dreistöckige Häuser aus Holz bauen. Heute sind Hochhäuser möglich. Damit wurde in den vergangenen Jahren auch das Thema Erdbebensicherheit von Holzbauten aktuell. Dazu hat unsere Institution einen entscheidenden Beitrag geleistet.
Wie kam es dazu?
C. Rellstab: Martin Geiser hat das bei uns vorangetrieben. Er absolvierte ursprünglich bei uns ein Ingenieur-Studium, betrieb danach ein eigenes Büro. Daneben arbeitete er an der Höheren Fachschule als Dozent in der Holzbautechnik. Später spezialisierte er sich auf die Erdbebenthematik. Heute forscht er im Bereich Erdbebensicherheit von Holzgebäuden. Seine Erkenntnisse lässt er unter anderem in die Weiterbildung «Erdbebengerechte Holzbauten» einfliessen. Man darf sagen: Die Entwicklung des Holzbaus wurde massgeblich hier in Biel geprägt – sei es mit der Ausbildung von hoch qualifizierten Fachleuten oder den Aktivitäten in Forschung und Entwicklung.
Ihre beiden Institutionen spielen in der schweizerischen Holzwirtschaft also eine wichtige Rolle. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen der Höheren Fachschule Holz Biel (HF) und dem Institut für Holzbau?
C. Rellstab: Wir sind über ein engmaschiges Netzwerk miteinander verbunden. Wir sind Kolleg*innen und fühlen uns zugehörig zum Departement Architektur, Holz und Bau der BFH.
C. Fuhrmann: Im Bachelor Holztechnik betreuen beispielsweise auch Dozierende der HF Projektarbeiten der Studierenden.
C. Rellstab: Es gibt manche Dozierende, die zu etwa zwei Dritteln an der HF beschäftigt sind und in der restlichen Zeit für das Institut für Holzbau in der Forschung oder der Aus- und Weiterbildung arbeiten. Viele haben ihren «Heimathafen» im Technologiepark, wo es ohnehin eine intensive Zusammenarbeit gibt.
Was ist Ihnen in der Ausbildung der Studierenden wichtig?
C. Rellstab: Uns alle verbindet die Liebe zum Baustoff Holz. Wir wollen unsere Studierenden befähigen, in der Praxis anspruchsvolle Aufgaben zu lösen sowie Verantwortung zu übernehmen. Und sie sollen in der Lage sein, in einem KMU alle Funktionen zu übernehmen, auch in leitenden Positionen. Das Technikerstudium an der HF ist etwas umsetzungsorientierter, im Bachelor- und Masterstudiengang geht es auch um wissenschaftliche Grundlagen. Zugespitzt kann man sagen: Der Projektleiter einer Holzbauunternehmung hat einen HF-Abschluss. Die Holzbauingenieurin, die für ihn in einem Bauprojekt die Statik berechnet, verfügt über einen Bachelor- oder Masterabschluss. Wer an der HF studieren will, braucht einen Berufsabschluss. Zudem gibt es einen Eignungstest, denn HF-Studierende sind tendenziell schon etwas älter und deshalb auch weiter weg von der schulischen Ausbildung.
C. Fuhrmann: Für ein Bachelorstudium braucht es die Berufsmatura. Bei uns in Biel ist der Studiengang sehr praxisorientiert, dauert deshalb im Regelfall nicht nur drei, sondern vier Jahre. Im 6. und 7. Semester absolvieren die Studierenden optional ein Praktikum. Während dieser Zeit verfassen die angehenden Ingenieur*innen ihre Bachelor-Thesis: So bringen sie ihr Wissen in das Unternehmen ein. Gleichzeitig profitieren sie vom praktischen Know-how im Unternehmen und unsere Dozierenden vom Kontakt mit dem Unternehmen. Mit dem Master of Science findet eine weitere Spezialisierung in komplexen, erdbebengerechten Holzbaustrukturen und Tragwerken statt.
Was spricht für ein Studium an der HF in Biel?
C. Rellstab: Wir bieten als einzige in der Schweiz ein Vollzeitstudium an. Zudem profitieren die Studierenden von unserem Kompetenzzentrum, das Lehre und Forschung vereint: Hier gehen Dozierende ein und aus, die einen sehr direkten Bezug zur Praxis haben. Das bereichert die Lehre enorm.
Wie sieht das konkret aus?
C. Fuhrmann: In den vergangenen Jahren gab es bei uns diverse Projekte, die mit studentischen Arbeiten begannen und deren Ergebnisse nun in Normen in die Baupraxis einfliessen. Unsere Forschung ist grundsätzlich praxisorientiert: Meistens kommt ein Partner aus der Wirtschaft mit einem konkreten Anliegen auf uns zu, oftmals gibt es auch schon einen Businessplan. So wird bei uns derzeit etwa ein neues Wandsystem in Brettsperrholz-Bauweise entwickelt, mit dem auch Restholzsortimente aus der Sägerei verwendet werden können. An diesem Projekt zeigt sich exemplarisch unsere Stärke: Das Produkt wird mit theoretischen und experimentellen Untersuchungen in Bezug auf Brandschutz, Statik und Bauphysik entwickelt. Mit unseren drei Fachgruppen Holztragwerke, Gebäudehülle und Bauphysik sowie Brandschutz können wir das alles leisten. Das ist einzigartig in der Schweiz.
Gibt es weitere Forschungs-Beispiele?
C. Rellstab: Hier bei uns hat eine Fenster-Technologie den Durchbruch geschafft, die heute weltweit zur Anwendung kommt. Die nahm ihren Anfang auch mit einem Problem im realen Wirtschaftsleben: Im Zug von Nachhaltigkeitsüberlegungen waren Oberflächenbehandlungen von Holzfenstern nicht mehr möglich. Das führte zu Schäden.
C. Fuhrmann: Und deshalb entwickelte man dann eine neue Konstruktion, bei der der Anteil des Glases maximiert wurde, so dass dieses eine Schutzfunktion übernehmen konnte.
C. Rellstab: Das war gleichzeitig die Geburtsstunde einer neuen Generation der Holz-Metall-Fenster. Wir haben auch beim Mechanismus zum automatischen Öffnen von Fenstern einen entscheidenden Beitrag geleistet. Den Anstoss dazu lieferten Häuser in der Umgebung des Zürcher Flughafens, bei denen sich die Fenster in der Nacht nach Ende des Flugbetriebs möglichst leise öffnen sollten.
Das Produkt wird in Bezug auf Brandschutz, Statik und Bauphysik entwickelt. Das können wir alles leisten, was in der Schweiz einzigartig ist.
Das Know-how fliesst auch in Expertisen und Dienstleitungen des Instituts ein.
C. Fuhrmann: Ja, wir erstellen zum Beispiel als unabhängige Instanz Gutachten zu Schaden- und Mangelfällen. Das Institut für Holzbau wirkt zudem bei der akkreditierten Prüfstelle der BFH-AHB mit, insbesondere im Bereich Fenster und Türen. Zudem leitet Isabel Engels, Professorin für Brandschutz, derzeit die Revision der Schweizerischen VKF-Brandschutzvorschriften. Im Zentrum steht ein risikoorientierter Ansatz, der zu einer Vereinfachung und einem einheitlicheren Vollzug der Vorschriften führen soll.