Köpfe der Forschung: Catalina Agudin

21.05.2024 Catalina Agudin ist Designerin und forscht an der HKB am Institute of Design Research. Im Interview spricht sie mit uns über ihr Forschungsprojekt zum Kunsthandwerk einer indigenen Gruppe und ihre Doktorarbeit.

Portrait von Catalina Agudin. Sie befindet sich in einer Schneelandschaft, trägt eine dunkle Jacke und langes braun-blondes Haar. Sie lacht. Der Himmel ist blau und mit vielen weissen Wolken bedeckt.

Catalina Agudin studierte Integrative Design an der Fachhochschule Nordwestschweiz und schloss mit einem Master ab. Davor absolvierte sie einen Bachelor in Industrial Design an der Universität in Buenos Aires, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Gegenwärtig doktoriert sie im SINTA-Programm im Doc.CH-Projekt «Revaluation of Wichi traditions», das der Schweizerische Nationalfonds finanziert.

Catalina Agudin, du bist 2012 aus Argentinien in die Schweiz gekommen. Weshalb? 

Ich bin der Liebe wegen in die Schweiz gekommen. Damals habe ich Lukas kennengelernt und, da er noch in der Schweiz am Studieren war, haben wir abgemacht, dass ich in die Schweiz kommen und eine Stelle suchen würde. Mit viel Glück hatte ich nach einer Woche einen Job gefunden.

«...es kam ein Punkt, an dem ich merkte, dass ich mich vertieft einem Thema widmen und daraus ein Forschungsprojekt machen möchte.»

Catalina Agudin , Doktorandin

Nach deinem Studium warst du viele Jahre in unterschiedlichen Agenturen im Bereich Produktdesign und Marketing tätig. Warum hast du den Weg in die Forschung eingeschlagen? 

Ich habe interessante Berufserfahrungen als Designerin in Buenos Aires und in Bern gemacht, aber es kam ein Punkt, an dem ich merkte, dass ich mich vertieft einem Thema widmen und daraus ein Forschungsprojekt machen möchte.

Als ich in Buenos Aires studierte, habe ich von 2008 bis 2010 im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit einer NGO zwei verschiedene indigene Gruppen Argentiniens kennengelernt, die mich sehr berührten. Ausserdem lud mich damals eine Professorin zu einem Forschungspraktikum über das Kunsthandwerk einer dieser zwei Gruppen ein. Damals war dies (noch) kein Thema, an dem an der Designfakultät geforscht wurde. Meine Professorin ermöglichte es mir aber, im akademischen Kontext daran zu arbeiten.  

Auch nach dem Bachelor blieb ich den Menschen, die ich kennengelernt habe und dem Thema immer irgendwie verbunden und wollte zurück nach Argentinien gehen, um mit ihnen dort zu arbeiten. So entwickelte sich die Idee weiter, ich beschäftigte mich mit Konzepten wie Social-Design und Participatory-Design und schrieb auch meine Masterarbeit darüber. Danach habe ich das SINTA Programm – das gemeinsame Doktoratsprogramm der Universität Bern und der HKB – kennengelernt. Für mein Projekt ist dieses Programm perfekt, weil ich in meiner Forschungsarbeit Methoden von Design mit denjenigen von der Sozialanthropologie kombinieren kann. 

Dein SNF-Projekt befasst sich mit einer ethnischen Minderheit, den Wichis und deren Kunsthandwerk. Erzähl uns mehr darüber.

Genau, das Projekt hat mit dem Thema Kunsthandwerk angefangen. Die Wichis sind in Argentinien eine ethnische Minderheit. Sie waren ursprünglich Nomaden und pflegten ihre eigene Sprache, ihren eigenen Glauben und ihre eigenen Traditionen. Heutzutage lebt rund 60% der Wichi-Bevölkerung in ländlichen Gebieten unter sehr harten Bedingungen, gezeichnet von Armut. Gemeinsam mit anderen indigenen Gruppen bewohnen sie das sogenannte Chaco-Gebiet im Norden Argentiniens. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts produzieren die Wichis Kunsthandwerk, das zu einer wirtschaftlichen Ressource wurde.

In meinem SNF-Doc.CH-Projekt untersuche ich, welche Rolle das Kunsthandwerk der Wichis für die lokale Bevölkerung spielt. Hierfür habe ich in einem Teil erarbeitet, was es für die Wichis selbst bedeutet, Kunsthandwerk herzustellen. Und in einem zweiten Teil geht es in einem partizipativen Projekt darum, herauszufinden, wie Designer*innen aus Argentinien in diesem Kontext gemeinsam mit den indigenen Gruppen arbeiten und dabei voneinander lernen können. Es ist Research through Design, was hier bedeutet, dass wir mehrere kleine Design-Projekte untersuchen.

In meiner Dissertation, die ich gerade schreibe, reflektiere ich diese kollektiven Designprozesse und berücksichtige dabei auch Aspekte von kolonialem Handeln. Wie unterscheiden sich die westlichen Design Studies vom indigenen Kunsthandwerk? Und wie kann das Projekt die beidseitige Zusammenarbeit stärken? 

Ich hoffe das Projekt unterstützt die Gruppen, mit denen ich gearbeitet habe und kommt in Dialog mit den Autor*innen, die kritisch über unser Handeln (und unser westliches System) nachdenken. Danke für die Fragen! 

Danke für dieses Gespräch. 

Doktoratsprogramm Studies in the Arts SINTA

Die SINTA ist ein schweizweit einzigartiges, künstlerisch-gestalterisches und wissenschaftliches Doktoratsprogramm der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern und der Hochschule der Künste Bern HKB. Die SINTA fördert innovative Dissertationsprojekte an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft. Das interdisziplinäre und praxisorientierte Programm setzt die Forschung und Reflexion künstlerischer Praktiken, gestalterischer und ästhetischer Fragestellungen ins Zentrum. Das lebhafte Umfeld der SINTA bietet den Doktorierenden Zugang zu den Netzwerken beider Hochschulen.

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