Vom «Vortrag zur Interpretation»
Ignaz Moscheles’ Beethoven-Editionen sowie Welte-Aufzeichnungen als Quellen pianistischer Aufführungspraxis und Interpretationsästhetik zwischen 1830 und 1914
Steckbrief
- Lead-Departement Hochschule der Künste Bern
- Institut(e) Institut Interpretation
- Forschungseinheit(en) Aufführung und Interpretation
- Förderorganisation SNF
- Laufzeit 01.08.2014 - 31.07.2017
- Projektverantwortung Dr. Thomas Gartmann
- Projektleitung Dr. Thomas Gartmann
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Projektmitarbeitende
Prof. Dr. Manuel Bärtsch
David Luggen
Leonardo Miucci
Siwat Chuencharoen
Prof. Dr. Michael Lehner
Martin Skamletz -
Partner
BFH Technik und Informatik
Augustinermuseum Freiburg
Beethoven-Haus Bonn
Conservatorio di Musica di Perugia
Museum für Musikautomaten - Sammlung Dr. h.c. H. Weiss-Stauffacher
Universität Bern
Ausgangslage
Unser heutiges Beethoven-Bild ist wesentlich durch Aufführungspraktiken des 19. Jahrhunderts geprägt. Noch nie wurde aber eingehender untersucht, wie sich die handwerklich verstandene «Exécution» zur kreativ-subjektiven «Interpretation» gewandelt hat und wie sich dies konkret anhand der Parameter Artikulation, Pedalisierung, Dynamik, Umsetzung von Vortragsbezeichnungen, Tempo, Metronomisierung und Agogik zeigen lässt.
Vorgehen
Einerseits rekonstruiert das Projekt mit klassischen historischen Methoden interpretatorische Traditionen der ersten fünfzig Jahre nach Beethovens Tod: Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Klavierschulen des Pianisten, Klavierpädagogen und Beethoven-Schülers Ignaz Moscheles vermitteln eine institutionell-akademisch verankerte Lehrtradition. Ein analytischer Vergleich seiner frühen Beethoven-Gesamtausgaben, die er in den 1830er-Jahren für den englischen und zwanzig Jahre später für den deutsch-österreichischen Markt an fertigte, zeigt seine entscheidende Rolle als kultureller Multiplikator. Daneben wird auch untersucht, wie weit sich die Weiterentwicklung von Klavierbau, sozialen Voraussetzungen und pianistischer Technik direkt auf die Edition niedergeschlagen hat. Andererseits nähert sich das Projekt der Rezeption von der anderen Seite der Zeitachse: Aufnahmen mittels gelochter Welte-Mignon-Papierrollen (ab 1904) werden durch einen eigens entwickelten digitalen Rollenscanner analytisch verfügbar gemacht. Die Aufzeichnungen der Sonaten Beethovens und weiterer Werke durch ältere Pianisten – in Einzelfällen auch in elektro-akustischen Parallelaufnahmen greifbar – erlauben so einen Blick zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig vergegenwärtigen sie durch ihre Kontextualisierung unterschiedliche Schulen pianistischer Aufführungspraxis und Interpretationsästhetik.
Ergebnisse
Das Projekt mündet in ein Symposium zur frühen Beethoven-Rezeption, zwei Dissertationen, eine vergleichende Neuedition als digitale Synopsis von Moscheles’ Beethoven- Ausgaben sowie weitere rezeptionsästhetische und analytische Publikationen zu Beethoven und Moscheles. Ausserdem sind Workshops und Tonaufnahmen geplant, die sich auf die künstlerische Lehre und Praxis auswirken.