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Alles neu? Die Beschaffungswelt im Wandel

29.11.2024 Die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen verändert die Beschaffungswelt gerade grundlegend. Der Paradigmenwechsel muss in der Praxis aber erst ankommen. Wie wird das gelingen? Der neue Beschaffungsblog und Podcast der Berner Fachhochschule begleitet diese Veränderungen tiefgründig und praxisnah. Lesen oder hören Sie mit.

Das Beschaffungswesen in der Schweiz befindet sich im Umbruch. Das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) wurden 2019 revidiert. Die Kantone waren in den letzten Jahren damit beschäftigt, das totalrevidierte Beschaffungsrecht einzuführen. Fünf Jahre später ist ein Grossteil der Kantone der revidierten IVöB beigetreten – mit Appenzell Ausserrhoden, Obwalden und Genf wenden aber noch immer drei Kantone das alte Recht an.  

Der Wandel hat erst begonnen

Diese Übergangsphase war und ist für viele Anbieter*innen eine schwierige Zeit: Nicht nur haben die Beschaffungsstellen das neue Recht noch nicht verinnerlicht – lange mussten die Anbieter*innen je nach Kanton das neue wie auch das alte Recht berücksichtigen. Angesichts der föderalen Kleinteiligkeit der Schweiz führte dies immer mehr zu Herausforderungen auf Anbieterseite – und nicht selten zum Entscheid, lieber gar nicht zu offerieren (Fischer 2024). Die Harmonisierung des öffentlichen Beschaffungsrechts, die dank der IVöB nun beinahe vollständig vollzogen ist, wird den Gesetzesdschungel nun endlich lichten. Davon profitieren nicht nur die Anbieter*innen, sondern auch die öffentliche Hand, die auf einen funktionierenden Binnenmarkt angewiesen ist.

Auch wenn die IVöB nun in den meisten Kantonen rechtskräftig ist, dürfte die Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts in der Praxis noch lange nicht abgeschlossen sein. Denn sie bringt einen gewichtigen Paradigmenwechsel, der zuerst in der Praxis – und damit in den Köpfen aller Beteiligten – ankommen muss. Und das wird Zeit brauchen. Dieser Beschaffungsblog und Podcast möchte einen pragmatischen und praxisnahen Beitrag dazu leisten, uns alle gemeinsam mit den wichtigen Fragen auseinanderzusetzen, die wir uns im Kontext des revidierten Beschaffungsrechts stellen dürfen, müssen und sollen.

Beschaffungsstellen sind angehalten, die Nachhaltigkeit mit all ihren Aspekten vermehrt zu berücksichtigen. Das erfordert Wissen und Erfahrung, das vielerorts erst aufgebaut werden muss.

Rika Koch
Rika Koch Co-Fachgruppenleiterin

Die Nachhaltigkeit hat Einzug gehalten

Die jüngste Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts bringt viele vielversprechende Neuerungen. Die fundamentalste ist die, dass das Wirtschaftlichkeitsprinzip mit Art. 2 des BöB um das Prinzip der Nachhaltigkeit erweitert wurde. Das heisst: bei der Vergabe soll nicht nur ein Preiswettbewerb stattfinden, sondern auch ein Qualitätswettbewerb. Und dabei sollen sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden. Das zeigt bereits Art. 41 der revidierten IVöB, wonach der Zuschlag nicht mehr dem «wirtschaftlich günstigsten» Angebot, sondern dem unter breiter gefassten Gesichtspunkten «vorteilhaftesten» Angebot erteilt wird.

Beschaffungsstellen sind also angehalten, bei der Kriterienwahl und -bewertung die Nachhaltigkeit mit all ihren Aspekten vermehrt zu berücksichtigen. Das erfordert Wissen und Erfahrung, das vielerorts erst aufgebaut werden muss. Präzisierungen bei den Bestimmungen zum Arbeitsschutz, den Arbeitsbedingungen und der Lohngleichheit in Art. 12 des BöB sollen zudem dafür sorgen, dass die hohen sozialen und ökologischen Standards in der Schweiz durch den internationalen Wettbewerb nicht untergraben werden. Die Vergabestellen werden erst üben müssen, wie sie die Einhaltung dieser Standards effektiv überprüfen werden.

Fairer Wettbewerb auch für KMUs und Startups

Nicht zuletzt hält das revidierte BöB die Beschaffungsstellen dazu an, keine unnötig hohen Teilnahmebedingungen und Anforderungen an die Anbieter*innen aufzustellen. Dadurch soll insbesondere den KMU eine faire Chance auf einen Zuschlag ermöglicht werden. Die vom Gesetzgeber erwünschte Chancengleichheit für Schweizer KMU wird allein schon durch die Harmonisierung von BöB und IVöB gefördert, da diese auch kleinen Unternehmen erleichtert, sich im Gesetzesdschungel zurechtzufinden. Bei Ausschreibungen kann die Chancengleichheit beispielsweise durch die Zulassung von Bietergemeinschaften (Art. 31 IVöB/BöB) oder durch die Aufteilung der Aufträge in KMU-gerechte Lose (Art. 32 IVöB/BöB) erfüllt werden.

Das revidierte Gesetz bringt wenig neue Pflichten, aber viele neue Ermessensspielräume. Diese gilt es auszuschöpfen, um dem Gesetz in der Praxis Leben einzuhauchen.

Rika Koch
Rika Koch Co-Fachgruppenleiterin

Wir werden üben müssen

All diese Neuerungen und vor allem der handfeste Einzug der Nachhaltigkeit in die Beschaffungswelt zeigt: Der Wandel findet statt – und er ist grundlegend. Die Neuerungen bringen grosse Chancen für nachhaltige Beschaffungen und einen funktionierenden Qualitätswettbewerb. Das revidierte Gesetz bringt wenig neue Pflichten, aber viele neue Ermessensspielräume – die gilt es auszuschöpfen, um dem Gesetz in der Praxis Leben einzuhauchen. Doch – wie? Die Beschaffungswelt wird sich in den kommenden Jahren in dieser Hinsicht mit einigen offenen Fragen zu beschäftigen haben: Wie können die Spielräume des Gesetzes in der Praxis gelebt werden? Wie kann der Kulturwandel gelingen? Und wie kann das Beschaffungswesen die Digitalisierung des öffentlichen Sektors vorantreiben?

Diese wichtigen Fragen möchte die Fachgruppe Public Procurement and Law der Berner Fachhochschule BFH in diesem Beschaffungsblog und Podcast erforschen.

Egal ob Sie Anbieter*in sind oder Beschaffungsstelle, und egal ob Sie sich bereits ausgiebig mit Beschaffungsthemen auseinandergesetzt haben, oder sich erst noch ein vertieftes Bild über das Beschaffungsrecht machen möchten – wir laden Sie dazu ein, mit uns zusammen auf diese Reise mitzukommen.

Expert*innen unseres Teams werden in loser Folge Beiträge aus ihrem Fachgebiet im Beschaffungsblog veröffentlichen. Sie finden alle Beiträge auf www.bfh.ch/beschaffungsblog. Wer lieber hört als liest, kann alle Beiträge auch als Podcast hören. Abonnieren Sie unseren Beschaffungsblog und Podcast auf Ihrer Lieblingsplattform, damit Sie keine Folge verpassen.

Referenzen

Thomas M. Fischer (2024): Einleitung: Die IT-Beschaffungskonferenz 2023 – Die Beschaffungswelt im Wandel. In: Alles neu? Die Beschaffungswelt im Wandel. Konferenzband zur 12. IT-Beschaffungskonferenz der Berner Fachhochschule BFH und der Universität Bern. Editions Weblaw, Bern, 1-10.

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Fachgebiet: Public Sector Transformation