Nachbericht Holzbautag Biel 2018: Bauen mit Holz - wirtschaftlich und wettbewerbsfähig

29.05.2018 Der moderne Holzbau hat in Verbindung mit überzeugender Architektur auch auf Wirtschaftlichkeit zu achten. Am Holzbautag Biel 2018 vom 17. Mai wurde dieses Thema vor allem anhand von ausgeführten oder in Ausführung begriffenen Bauwerken und Siedlungen in der Schweiz abgehandelt.

Immobilienmarkt und Holzbaumarkt Schweiz

Tiefe Zinsen wirken sich auf den Immobilienmarkt in der Schweiz aus. Der Wirtschaftsspezialist Stefan Fahrländer (Firma FPRE, Zürich) stellte fest, dass unterschiedliche Selbstregulierungen eine Entspannung auf dem Schweizer Wohnungsmarkt bewirkt haben. Doch fliesse nach wie vor viel Geld in die Märkte für Renditeliegenschaften und die hohe Wohnbautätigkeit gebe kurzfristig Anlass zur Sorge. Allerdings sei Bautätigkeit weiter notwendig, denn die Schweiz wächst jetzt und auch langfristig. Zwar seien bei den Arbeitsnutzungen zu viele Reserven zu verzeichnen, doch bei Wohnbauzonen herrsche vielerorts Knappheit, betonte Fahrländer. Resultat: Wohnungsmieten und Wohneigentumspreise bleiben in den Anbietermärkten hoch. Der Anlagedruck lasse die Zersiedelung steigen, manche Wohnbauten entstehen an Orten bei denen erst langfristig mit hinreichend grosser Nachfrage zu rechnen ist. In einem derartigen Nachfragemarkt steigen die Leerstände und sinken die Mieten. Dies betreffe insbesondere Altbauten oder falsch konzipierte Neubauten, sagte Fahrländer.

Die Analyse von Baubewilligungen sowie Absatz- und Verkaufsdaten zeigt Trends für den Bau und Holzbaumarkt. Birgit Neubauer-Letsch (BFH) berichtete über Ergebnisse zu Studien zum aktuellen Baumarkt. Basis sind die alljährlich im Januar vorliegenden Daten über Baubewilligungen des Vorjahrs. Für die Marktperspektiven seien die Baubewilligungen besonders relevant, denn sie erlauben einen Ausblick in die künftige Bautätigkeit. Daraus sind Tendenzen und mögliche Materialentscheide für die nächsten Monate abzulesen.

Baubewilligungen für Einfamilienhäuser waren in den letzten Jahren deutlich rückläufig. Gleichzeitig ist der Anteil des Holzbaus konstant geblieben - jedes fünfte neue Einfamilienhaus wird mit Holz gebaut. Aktuell ist die Nachfrage nach bestehenden Einfamilienhäusern am Steigen. Hier spielt der Wunsch nach sicherer Geldanlage mit und die Möglichkeiten des Weiterbauens im Bestand - ein weites Feld für den Holzbau. Solche erweitert genutzten Einfamilienhäuser erhalten oft den Charakter eines Mehrfamilienhauses. Neu geplante  Mehrfamilienhäuser zeigen einen Trend zum eigentlichen Siedlungsbau. Bei Bauten der öffentlichen Hand nehme der Einsatz von Holz vor allem bei den Fassaden zu, der Holzanteil für Tragkonstruktionen bleibe relativ konstant, sagte Neubauer-Letsch.

Nachhaltigkeit im öffentlichen Bau

Drei Bauprojekte interessierten durch ihre Gestaltung und vor allem auch durch ihre Eigenschaften in Bezug auf Ökologie und Nachhaltigkeit. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Ausbildungszentrum ZIVI, der Vollzugsstelle für den Zivildienst, Jugend und Sport des Kantons Freiburg am Schwarzsee. Zwei Neubauten ergänzen die ehemalige Militärkaserne, die nun für Verpflegung, Administration und Schulung dient. Die als Holzkonstruktion ausgeführten Neubauten können total 600 Personen beherbergen. Vor allem die Kosten und Termine ergaben den zwingenden Rahmen. Verbaut wurden 1'300 m3 Holz resp. 16'000 m2 Dreischichtplatten. Der durch 0815 Architekten (Biel und Freiburg) geplante und durch schaerholzbau AG (Altbüron) als Totalunternehmer ausgeführte Bau beruht auf einem Konstruktionsraster von 3.25 m, entsprechend den Transportmöglichkeiten mit LKW. Die Zimmer für je vier Personen waren mitsamt Möblierung ebenfalls Teil der Holzkonstruktion. Die Planung beruht auf einem modulareren Konzept, ausgeführt wurden die Bauten innert 17 Monaten mit vorgefertigten, vor Ort montierten Bauelementen.

Der Leiter des Hochbauamts des Kantons Freiburg, Gian Carlo Chiové, betonte ausdrücklich das Bestreben, als vorbildlicher Bauherr aufzutreten. Nachhaltigkeit soll sich gemäss diesem Verständnis mit hoher architektonischer Qualität verbinden. Er nannte als Beispiel den Neubau der Kantonspolizei (MAD 3) in Granges-Paccot: ein viergeschossiger Holzbau (deillon delley architectes sa, Bulle). Ein klareres Stützenraster im Achsabstand von 2.10 m, mit Holzstützen von 28 x 28 cm Querschnitt, prägt den Bau gestalterisch und konstruktiv. Der Hauptbaukörper mit einer Breite von 14.2 m ist in zwei Joche von je 7.10 m geteilt. Ingenieur Martial Chabloz (Chabloz et partenaires SA, Lausanne) erläuterte diese anspruchsvolle Holzstruktur mit ihren Verbunddecken aus Holz und Beton. Das gesamte verbauteHolz stammt aus der Region.

Noch nicht gebaut aber bereits weitgehend geplant ist der Neubau für den Campus Biel/Bienne der Berner Fachhochschule BFH, sagt Mathias Heinz (pool Architekten Zürich). Das aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangene Projekt, ein Bau von insgesamt fünf Geschossen, soll aus Holz gebaut werden. Dies bedingt bereits heute detaillierte Planungen zur Baustruktur. Ziel ist es, diesen Campus bis 2022 zu realisieren.

Weichenstellung im Architekturwettbewerb

Die grundlegenden Strategien und Konzepte für kostengünstigen genossenschaftlichen Wohnungsbau erläuterte Architekt Donnat Senn (GWJ Architektur, Bern) am Beispiel des erstrangierten Projekts beim Wettbewerb für die Wohnsiedlung Mutachstrasse in Bern. Politische Vorgabe war hier, Wohnraum von unter 200 Franken je Zimmer zu projektieren. Architekt Stefan Graf (Bauart Architekten und Planer, Bern/Neuchâtel/Zürich) erläuterte seinerseits das Projekt für das Bauart bei diesem Wettbewerb den 3. Preis errungen hat. Bauart hat ein Projekt auf Basis eines Holzbausystems erarbeitet, das 2'000-Watt-fähige Häuser ermöglicht. Allerdings wurde der Wettbewerb auf der Ebene Städtebau und Architektur entschieden und nicht auf der Ebene der Konstruktions- und Materialwahl. Werner Abplanalp von 2ap / Abplanalp Affolter Partner GmbH (Bern) brachte die Problematik der ökonomisch-konstruktiven Fragen bei Architekturwettbewerben lapidar auf den Punkt: «Wettbewerbe werden durch die Architektur gewonnen».

Am Beispiel von drei aktuellen Wettbewerben konnte Yves Schihin (burkhalter sumi architekten GmbH, Zürich) zeigen, wie der Holzbau in verschiedener Hinsicht punkten kann. Für eine Erweiterung eines Schulhauses in Adliswil wurde Holz ausdrücklich gefordert, denn der Neubau kommt auf eine bestehende Zivilschutzanlage zu stehen und muss entsprechend leicht werden. Für die Wohnüberbauung Waldacker in St. Gallen wurde Holz verlangt, weil dies die Ortsbürgergemeinde wünscht. Das im gemeindeeigenen Wald nachwachsende Baumaterial fördere eine nachhaltige Bauweise, das Projekt dürfte so politisch einfacher durchzusetzen sein. In Bellinzona hatte der Holzbau für die Ersatzneubauten Ghiringhelli zu zeigen, dass er ohne Mehrkosten auch wirtschaftlich besteht und dazu bei der Vermarktung den Vorteil einer «unic selling position» ausspielen kann. Für die Investoren spielt die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. Fragen der Ökologie und Ästhetik kommen in zweiter Linie hinzu. Die Architekten burkhalter sumi haben alle drei Wettbewerbe gewonnen.

Grossmassstäbliche Strukturen in Holz 

Das Gebiet zwischen dem Bahnhof Biel und dem Seeufer ist mit der Expo 02 in den Fokus der Stadtplanung geraten. Die Masterstudentin Maria Freimann der BFH stellte vier exemplarische Projekte zu grossmassstäblichen Holzbauten von Studierenden der BFH vor. Sie zeigen das städtebauliche und architektonische Potenzial dieses lange vernachlässigten Areals und verdeutlichen die Qualitäten eines urbanen Bauens mit Holz. Es könnten ergänzend zum nahebei entstehenden Campus Biel/Bienne vielfältige multifunktionale Nutzungen entstehen und gleichzeitig einen räumlichen Übergang der Stadt zum See markieren.

Potenziale in der Umsetzung 

Vergleiche verschiedener Bauweisen und Konstruktionen demonstrierte Thomas Klement (Jürgensen Klement Architekten, Zürich) am Beispiel der Wohnsiedlung Quellengarten in Aarau-Rohr. Integral und frühzeitig im Entwurfsprozess mitgedacht bestehe Holz auch im Vergleich zu konventionellen Bauweisen, betonte Klement. Gerade die enge Verknüpfung von Entwurf und Konstruktion erzeuge beim Holzbau strategische Vorteile. Diese Aussage stützte Ingenieur Raphael Greder (Makiol Wiederkehr, Beinwil am See). Ein hoher Vorfertigungsgrad werde zu effizienter Montage und kurzer Bauzeit führen. Sichtbare Holzoberflächen können schlanke und kostengünstige Bauteile ergeben. Wesentlicher Punkt: Rasche Bauweise. Die Siedlung Quellengarten soll im kommenden Herbst bezugsbereit sein.

Andere Sichtweisen - anderes Bauen: USA und Kanada

Was beim Bauen in der Schweiz und Europa als üblich und normal angesehen wird, ist anderswo nicht unbedingt dasselbe. Oftmals unterscheiden sich die massgeblichen Einflussfaktoren: z.B. Formen der Zusammenarbeit, Zulieferer, beteiligte Unternehmer und Subunternehmer, Koordination der Planung. Bernhard Gafner (Aspect Bauingenieure, Vancouver, Kanada) berichtete über zwei grosse Bauvorhaben in Übersee.

Ein Studentenwohnheim, das «Tall Wood House» in Vancouver (Kanada) weist eine Geschossfläche von 15'200 m2 auf. Das 53 m hohe Gebäude umfasst 18 Geschosse, 17 davon als massiver Holzbau. Zwei Stahlbetonkerne sichern die Aussteifung. Der Bauprozess für die Ausführung selber bedingt bei derart ungewöhnlich grossen Holzbaustrukturen eine eingehende Vorbereitung aller Beteiligten. Der Montagevorgang wurde im Vorfeld mit einem zweigeschossigen Mockup geprobt, zuerst am Bildschirm und dann 1:1 mit einem Prototypen. Dieses Vorgehen hat Problemfelder aufgedeckt und machte sich für die spätere eigentliche Ausführung bezahlt. Grössere Schwierigkeiten blieben so aus.

Ein neues zweigeschossiges Bürogebäude, das «Microsoft Office» in Mountain View (USA) hat eine totale Geschossfläche von 60'000 m2, 40'000 m2 davon in Holz-Beton-Verbund. Die potenziellen Lieferanten für die Holzteile und Verbindungsmittel waren beschränkt vorhanden. Zusammen mit den Fähigkeiten der Zimmereibetriebe wurde der Bau unter vorgegebenem Budget erstellt.

Holzbau ist auf der Gewinnspur

Der von Christoph Starck (Lignum), Andreas Müller (BFH), Hanspeter Bürgi (BFH) und Hanspeter Kolb (BFH) moderierte Fachanlass war mit rund 450 Teilnehmenden und 41 Ausstellern erneut ein Grosserfolg. Erfreulich war das spürbar grösser gewordene Selbstvertrauen der im Holzbau Tätigen. Grosse Bauten und Siedlungen in Holz sind auch im urbanen Raum üblich geworden, von Nutzern akzeptiert und für Investoren durchaus interessant. Die bis vor einiger Zeit noch bestehenden Probleme bezüglich Schalldämmung oder Brandschutz sind heute gelöst, der Holzbau wird nach und nach zur führenden Bauweise - präzise, rasch und weitgehend vorgefertigt. Wirtschaftlichkeit und nachweisbare Wertschöpfung des modernen Holzbaus verbindet sich mit überzeugender Architektur. Der nachwachsende Baustoff Holz ist eindeutig auf der Gewinnspur.

Der nächste Holzbautag Biel der BFH findet am 16. Mai 2019 in Biel statt.

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Neubau des Ausbildungszentrums für den Zivilschutz am Schwarzsee im Kanton Freiburg. Bild: Thomas Brückner
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Auch der gesamte Ausbau für das Ausbildungszentrum Zivilschutz wurde mit Mehrschichtplatten entworfen und erstellt. Bild: Micha Riechsteiner
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Die Ersatzneubauten Ghiringhelli in Bellinzona werden ohne Mehrkosten in Holz realisiert. Im Bild das Wettbewerbsprojekt von Burkhalter Sumi Architekten, Zürich. Bild: Burkhalter Sumi Architekten, Zürich
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Für eine neue Wohnüberbauung Waldacker in St. Gallen wünschte die Ortsbürgergemeinde ausdrücklich Holz. Im Bild das Wettbewerbsprojekt von Burkhalter Sumi Architekten, Zürich. Bild: Burkhalter Sumi Architekten, Zürich
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Titelbild der Veranstaltung 2018: Objekt «MAD3», Kantonspolizei Freiburg, Granges-Paccot; Architektur: deillon delley architectes sa, Bulle; Foto: Roger Frei, Zürich, rogerfrei.com

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Rubrik: Fachhochschule