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Gemeinsam das Leben in den Alpen verändern
19.08.2021 Das Bewusstsein für unsere Ernährung mit der Rinderhaltung im Alpenraum verknüpfen, ein Lehrpfad rund um die Alpwirtschaft oder Biwakieren in verlassenen Scheunen – Beim ersten «Alpine Changemaker Basecamp» im Juli 2021 standen vielfältige Ideen für eine nachhaltige Entwicklung des Alpenraums im Zentrum.
Inspirierende Gespräche, Workshops und frische Impulse durch den Austausch mit Gleichgesinnten belebten Anfang Juli 2021 für eine Woche das südlichste Tal der Schweiz: Beim ersten «Alpine Changemaker Basecamp» (ACB) im Val Poschiavo kamen rund 30 Teilnehmende aus dem ganzen Alpenraum zusammen, um ihre Projekte für eine lebenswerte Zukunft in den Alpen weiterzuentwickeln. Mit dabei waren Anna Braun, Masterstudentin in Agrarwissenschaften, Elisa Bossi, Masterstudentin in Regionalmanagement in Gebirgsräumen, und Sonja Schönberg, Absolventin des Masters in Food, Nutrition and Health und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BFH-Gesundheit.
Im Gespräch mit den drei jungen Frauen erfahren wir mehr über ihre Projektideen und was das ACB für sie bedeutet.
Warum liegt euch die nachhaltige Entwicklung von Bergregionen am Herzen?
Sonja: Das hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Ich bin in Berlin aufgewachsen und vor 15 Jahren an die Lenk im Simmental gekommen. Dort habe ich den Raum in den Bergen, in dem ich Natur noch hautnah erleben kann, für mich entdeckt. Die Erhaltung dieses Raumes ist für mich einer der wichtigsten Gründe.
Elisa: Für mich persönlich sind die Alpen eine Art Wahrzeichen. Ich finde, wir müssen uns für eine nachhaltige Entwicklung sowie eine dezentrale Besiedlung einsetzen, damit unsere Alpen auch in Zukunft leben.
Anna: Ich wohne seit einem Jahr in den Alpen und mich interessiert die Lebensweise der Menschen dort, wie sich diese verändert hat und wie sie in Zukunft sein wird.
Was schätzt ihr am Alpine Changemaker Basecamp?
Sonja: Ich bin total fasziniert, wie wir alle im Basecamp aus verschiedenen Richtungen zusammentreffen, aber gleichzeitig in die gleiche Richtung schauen. Ich fühle mich geehrt, dass ich von Karin Zbinden, die als Mentorin der BFH-HAFL das ACB begleitet, angefragt wurde, meine Projektidee einzureichen. Ich habe sie im Rahmen eines Alpenmaster-Moduls der BFH-HAFL kennengelernt. Dort habe ich gemerkt, dass etliche Themen im Alpenraum Berührungspunkte mit meinem Fachgebiet – der Ernährung – haben. Deshalb finde ich es schön meinen Ernährungshintergrund in dieser Woche einbringen zu dürfen.
Elisa: Genau. Im Alpenmaster sind diese interdisziplinären Berührungspunkte sehr zentral. Wir haben oft darüber gesprochen, dass eine nachhaltige Entwicklung und eine naturnahe Lebensmittelproduktion in den Alpen wichtig sind. Ich schätze den interdisziplinären Austausch des ACB, der eine entscheidende Grundlage für die nachhaltige Weiterentwicklung des Alpenraums ist.
Anna: Durch den Austausch mit den Leuten unterschiedlichster Hintergründe erhalte ich neue Impulse für das eigene Projekt. Plötzlich denkt man in ganz anderen Dimensionen. Das macht das ACB aus.
Elisa: Das stimmt. Im ACB gibt es Künstlerinnen, Architekten oder Yogalehrerinnen mit einzigartigen Ideen. Sie alle bereichern mit ihren Sichtweisen meine eigenen Ideen.
Was sind denn eure Ideen?
Elisa: Meine Projektidee dreht sich um die Sensibilisierung der Tourist*innen und der lokalen Bevölkerung für die Alplandwirtschaft und ihre Dienstleistungen, wie beispielsweise die Landschaftspflege. Ich möchte dazu einen Lehrpfad mit Schildern erstellen, der Themen wie die Biodiversität und den Naturschutz ins Zentrum stellt. Ich möchte aber auch aufzeigen, dass die lokale Nahrungsmittelproduktion wie etwa das Herstellen von Käse vor Ort stattfinden muss und die Alpbewirtschaftung ein Instrument zur Landschaftspflege ist. Im ACB habe ich sehr viele neue Denkanstösse erhalten. Welche Zielgruppe will ich erreichen und wie? Welche Informationen müssen wie übermittelt werden?
Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich habe diese Woche so viele neue Ideen gehabt. Ich muss alles noch etwas verdauen und dann in einer konkreten Projektidee ausarbeiten.
Anna: Mir geht es ähnlich. Ich will leerstehende Nutzbauten im Alpenraum wiederbeleben, jedoch für touristische Zwecke. Also nicht luxuriös umbauen, sondern im kleinen Stil wie zum Beispiel mit Biwaks. Das ist eine Idee, die während dieser Woche aufgekommen ist. Ich habe jemanden kennengelernt, der in Italien etwas ähnliches gemacht hat. Dort haben sie ganz einfach aus Holz-Biwaks Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen. Ich kann mir vorstellen, da einmal vorbeizuschauen und erhoffe mir, so noch mehr Inputs zu bekommen für die Umsetzung meiner Projektidee im Berner Oberland.
Sonja: Ich kann das nur bestätigen. So inspirierend wie es ist, so herausfordernd wird es irgendwie auch durch die vielen Inputs, eine klare Projektidee zu formulieren. Mein Projekt ist aufgrund der Tatsache entstanden, dass wir viel über das Thema Fleisch und die Fleischproduktion im Ernährungsbereich sprechen. Wenn man grosse Studien anschaut, dann wird die Rinderhaltung kritisch betrachtet: aufgrund ihres ökologischen Fussabdruckes und diverser anderer Faktoren wie der Gesundheit. Gleichzeitig nimmt sie eine wichtige Rolle im Alpenraum ein. Insbesondere im Projekt von dir, Elisa, erkenne ich wieder, wie wichtig es ist, die Leute zu sensibilisieren, dass die Landwirtschaft eine wichtige Rolle im Alpenraum spielt. Ich möchte eine Verbindung herstellen zwischen der Wichtigkeit der Landwirtschaft und dem ganzen Ernährungsthema, mit dem wir uns gerade befassen.
Video zum Alpine Changemaker Basecamp.
Ein Highlight, das ihr aus der Woche mitnimmt?
Sonja: Es gab viele Highlights. Was mir inhaltlich sofort in den Sinn kommt, ist ein Workshop zum Thema Transdisziplinarität und wie wesentlich es ist, die Zielgruppe in einem partizipativen Prozess in der Projektplanung einzubinden. Gerade im Alpenraum.
Auf einer anderen Ebene, die nicht so sehr inhaltlich ist, fand ich es wertvoll zu erleben, wie wir alle in der Projektentwicklung immer wieder eine Phase durchlaufen, in der wir nach Orientierung suchen und dann aber einen kleinen Schritt weiter kommen durch den persönlichen Austausch. Das ist sehr wertvoll.
Elisa: Ich habe in dieser Woche sehr viele neue Freund*innen kennengelernt, mit denen ich in Kontakt bleiben möchte. Besonders schön ist, dass sie in der Nähe meiner Region – dem Tessin – wohnen. Sie sind nah und ich kann sie schnell besuchen oder einfach anrufen, um Tipps rund um mein Projekt zu erhalten.
Anna: Für mich war es schön zu sehen, dass die Leute ähnliche Zielvorstellungen haben in Bezug auf die nachhaltige Nutzung der Alpen. Alle kommen mit verschiedenen Ideen und mit vielfältigen Hintergründen hier zusammen, aber trotzdem gibt es ein Zusammengehörigkeitsgefühl, weil alle am gleichen Strang ziehen. Das fand ich sehr schön.
Elisa: Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, dass ich gar keine Grenzen zwischen den Teilnehmenden spüre, egal ob sie aus Italien, der Schweiz oder Deutschland kommen. Was uns verbindet, ist der Alpenraum.
Über das Alpine Changemaker Basecamp
Durch das Alpine Changemaker Basecamp (ACB) hatten 30 junge Menschen aus dem gesamten Alpenraum die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten neue Perspektiven für eine lebenswerte Zukunft in den Alpen zu entwickeln. Bei zahlreichen Workshops und Exkursionen bekamen die Teilnehmenden neue Werkzeuge an die Hand und konnten ihre Projekte konkretisieren. Begleitet wurden sie von Coaches aus Wissenschaft, Unternehmertum, Handwerk, Regionalentwicklung, Philosophie und Kunst. Durch die vielfältigen Projekte lernten die Teilnehmenden auch aus ihren gegenseitigen Erfahrungen. Christina Thanner, Projektleiterin bei CIPRA International resümiert: «Das ACB brachte die verschiedensten Menschen, eine Vielfalt an Ideen und Fachbereichen zusammen.»
Ein Mentoring-Programm unterstützt die Teilnehmenden nun ein Jahr lang bei der Umsetzung ihrer Projekte. Das ACB war das erste Pilotprojekt des transdisziplinären Alpine Changemaker Networks, einem Zusammenschluss aus Organisationen aus Bildung wie zum Beispiel der BFH-HAFL, Regionalentwicklung und Umwelt, welcher Ländergrenzen, Generationen, institutionelle Barrieren und Kulturen des Denkens und Handelns überwindet. Begleitet werden sie von einer Reflexionsgruppe, welche die Konzeption und Durchführung der Basecamps evaluiert, damit das Netzwerk selbst bestmöglich lernt und sich weiterentwickelt. Initiiert wurde das Netzwerk von CIPRA International und Jens Badura vom berg_kulturbüro. Das Polo Poschiavo, mit Direktor Cassiano Luminati, war Gastgeber des Pilotprojekts. Das Alpine Changemaker Basecamp wird gefördert von der Stiftung Mercator Schweiz.
(Foto: CIPRA International)