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Der Specht und seine Käfer
07.03.2024 Einer steht für viele: So funktioniert das Prinzip der Schirmart. Eine Rolle, die der seltene Weissrückenspecht für die totholzfressenden Käfer einnimmt. Auf in den «Kreislauf Wald» mit BFH-HAFL-Forscher Romain Angeleri.
Fette grosse Käferlarven, die sich in abgestorbenen Bäumen im Wald verstecken – die mag er am liebsten, der seltene Weissrückenspecht. Er lebt darum dort, wo sich seine Leibspeise tummelt. «Wegen intensiver Waldnutzung war die Vogelart am Anfang des 19. Jahrhunderts aus zahlreichen Wäldern verschwunden», erklärt Romain Angeleri. Der Ökologe an der BFH-HAFL kennt den Vogel bestens, er hat ihm seine Dissertation gewidmet. «Heute besiedelt der Weissrückenspecht wieder die Wälder der Ostschweiz, Westösterreichs und Liechtensteins.» Zurückzuführen ist diese Expansion darauf, dass in Europa in den letzten Jahrzehnten die Waldbewirtschaftung extensiver geworden ist; man lässt mehr Totholz «stehen und liegen». «Der Weissrückenspecht ist zwar immer noch sehr selten und gemäss roter Liste «verletzlich», doch der Bestand gilt als stabil», so Romain Angeleri.
Der Specht als Schirmart
Da der Weissrückenspecht hauptsächlich totholzfressende Insekten verzehrt, bringt man ihn mit dem Vorhandensein von grösseren Mengen an Totholz in Wäldern in Verbindung – und kann indirekt auf die Totholzkäfergemeinschaften schliessen, die für den Wald so wichtig sind. Romain Angeleri: «Die totholzfressenden Insekten zersetzen das abgestorbene Holz und tragen damit zum natürlichen Kreislauf des Waldökosystems bei.» Könnte der Weissrückenspecht somit Schirmart für die totholzfressenden Insekten sein? Eine Schirmart ist eine Art, bei der der Schutz ihres Lebensraums das Überleben vieler anderer seltener und bedrohter Arten sichert, die denselben Lebensraum teilen. Da sich der Weissrückenspecht nun wieder in seinem alten Lebensraum in Mitteleuropa ansiedelt, ging der HAFL-Forscher dieser Frage nach.
Totholz ist wichtig für Biodiversität
Angeleris Untersuchungen zeigen: Mit den Weissrückenspecht lässt sich in der Tat auf die Vielfalt von Totholzkäfern schliessen. In den Brutgebieten des Spechts hat Romain Angeleri mehr Käferarten gefunden, die auf der Roten Liste stehen, als in Gebieten ohne Specht. 17 Arten, darunter 4 bedrohte, sind eng mit dem Lebensraum des Spechts verknüpft – im Vergleich zu 3 unbedrohten Arten in «spechtlosen» Gebieten. «Somit darf der Weissrückenspecht als Schirmart von Totholzkäfern gelten», so der Ökologe. Zudem: Die Käfergemeinschaften in toten, stehenden Bäumen erwiesen sich bei seinen Untersuchungen als sehr vielfältig. Was gemäss Romain Angeleri unterstreicht, wie wichtig Totholz für die Biodiversität im Wald ist.
Um die Beziehung Specht-Totholzkäfer zu ergründen, wertete der Forscher Daten von Spechten aus, die mit Funksendern ausgestattet waren; zur Verfügung gestellt wurden die Daten von der Schweizerischen Vogelwarte. Angeleri identifizierte, wo die Spechte aktiv waren. Mit Fallen fing, identifizierte und untersuchte sein Team mehr als 120'000 Käfer aus über 900 Arten. Auch der Lebensraum wurde charakterisiert, die Menge und das Zerfallsstadium des Totholzes gemessen.
Bei seiner Dissertation wurde Romain Angeleri von Prof. Dr. Thibault Lachat, Fachbereich Waldwissenschaften der BFH-HAFL, und Prof. Dr. Raphaël Arlettaz vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern betreut. Mit seiner Arbeit hat Romain Angeleri die wichtige Rolle des Weissrückenspechts als Schirmart sichtbar gemacht. Er hofft, dass man sich für dessen Schutz stark macht – was zugleich auch den totholzfressenden Insekten und den Wald zugutekommt.
aus: focusHAFL 2/23
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Rubrik: Forschungseinheit