«Kreativität gehört zu den zentralen Skills bei der Bewältigung der grossen Herausforderungen zukünftiger Generationen»

27.09.2023 Absolvent*innen von Kunsthochschulen begegnet man häufiger als man denkt. Dies erläutert HKB-Direktor Thomas Beck im Interview. Ein Numerus Clausus sorgt dafür, dass die Zahl der Studierenden konstant bleibt.

BFH: In den Medien wird aktuell der Sinn der Hochschulausbildung von Kunststudierenden diskutiert. Warum braucht es eigentlich eine Kunsthochschule? 

Thomas Beck: Ich begrüsse die Diskussion, denn diese kritische Auseinandersetzung mit dem Sinn künstlerischer und gestalterischer Ausbildungen entspricht dem diskursiven Wesen einer Kunsthochschule. Die kulturelle Teilhabe, der soziale Zusammenhalt und die Förderung von Kreativität und Innovation sind zentrale Elemente, um das Wohlergehen der Gesellschaft und den Wohlstand unseres Landes zu sichern. Ein Blick auf die Landschaft internationaler Kunsthochschulen zeigt, dass gerade in diesen Institutionen ein wesentlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation geleistet wird. 

Können Sie das noch etwas konkretisieren? 

Kreativität gehört zu den zentralen Kompetenzen bei der Bewältigung der grossen Herausforderungen zukünftiger Generationen. Diese in Beziehung zu setzen zu unseren aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen, halte ich für eine besonders wichtige Aufgabe einer Kunsthochschule. Sie strahlt weit über den eigentlichen Bereich von Kunst und Kultur hinaus. Die Berner Fachhochschule zeigt das mit ihrer multidisziplinären Auslegeordnung, in der die HKB eine wichtige Rolle spielt und ihre gestalterischen Kompetenzen einbringen kann, exemplarisch. 

Ausländische Studierende steigern Qualität

Der gesellschaftliche Nutzen eine*r Handwerker*in ist rasch erkennbar, aber wie sieht es bei Absolvent*innen einer Kunsthochschule aus? 

Wir bilden beispielsweise Musiklehrer*innen aus, die in den Musikschulen der Städte und Gemeinden wichtige Arbeit leisten oder Kunstvermittler*innen, die in Schulen, Museen und anderen Institutionen dazu beitragen, dass unter anderem das kulturelle Erbe unserer Gesellschaft vermittelt und verstanden wird. Bei uns ausgebildete Restaurator*innen bringen ihr Wissen in Bereiche der Denkmalpflege oder in die Sammlungen der Museen ein. 

Kunsthochschulen gibt es im In- und Ausland. Wo steht die HKB im internationalen Vergleich? 

Die HKB ist eine mittelgrosse, aber überaus vielfältige Kunsthochschule mit einem unverwechselbaren Portfolio an Studienangeboten. Sie ist geprägt von vielen einzigartigen Studiengängen auf Bachelor- und Masterstufe sowie von einer sehr starken Forschungsabteilung. Diese übersetzt künstlerisches Wissen in anwendungsorientierte und gesellschaftlich relevante Projekte und kümmert sich in Zusammenarbeit mit der Universität um die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. 

An der HKB studieren etwa 30 Prozent aus dem Ausland. Was bringt das dem Kanton Bern? 

Die HKB bildet Studierende für Berufsfelder aus, die ganz überwiegend international ausgerichtet sind. Das Lehren und Lernen in internationalen Kontexten ist deshalb eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufskarriere in gestalterischen oder künstlerischen Branchen. Gleichzeitig tragen gerade auch die Studierenden aus dem Ausland zum hohen Qualitätsniveau unserer Ausbildungen bei. Eine Schweizer Kunsthochschule nur für Schweizer Studierende wäre fachlich und ideell unvorstellbar. 

21 Studienplätze mehr als vor 10 Jahren

Was kostet eigentlich die Ausbildung an der HKB pro Person? 

Die Durchschnittskosten pro Jahr für ein Vollzeitstudium liegen bei rund 40'000 Franken pro Jahr. Die HKB liegt damit im Mittelfeld der Kunsthochschulen in der Schweiz. 

Wer bezahlt das? 

Die Finanzierung geschieht zu etwas mehr als einem Viertel durch den Bund und fast drei Viertel zahlt der Kanton Bern bei Studierenden aus dem Kanton Bern und bei Personen aus dem Ausland. Studiengebühren decken etwa fünf Prozent der Kosten. 

Wie viele Studierende bildet die HKB aus? 

Die Studienplatzzahl wird durch einen Numerus Clausus gesteuert. Der Regierungsrat des Kantons Bern muss diesen jährlich bewilligen. Aktuell verfügt die HKB über 406 Studienplätze. 

Sind das mehr als vor 10 Jahren? 

Ja, das sind 21 mehr als vor zehn Jahren. 2020 hat die HKB einen neuen Studiengang aufgebaut, und zwar den Master in Multimedia Communication & Publishing. Für diesen hat die HKB eine Erhöhung des Numerus Clausus erhalten. Ansonsten ist die Studierendenzahl seit über zehn Jahren unverändert. Auch die Studiengänge blieben praktisch unverändert, wurden allerdings permanent modernisiert und den Anforderungen an neue Technologien und veränderte soziale Kontexte angepasst. 

Mehrstufiger Prozess für neue Studiengänge

Wie sieht das Verhältnis von Kandidat*innen zu Studienplätzen aus? 

Im Durchschnitt bewerben sich insgesamt rund 1200 Personen auf die 406 Studienplätze der 20 Studiengänge an der HKB. Das Verhältnis von Bewerber*innen zur Anzahl der Studienplätze ist von Studiengang zu Studiengang sehr unterschiedlich. 

Hat sich in der HKB in den letzten Jahren etwas verändert? 

Die HKB entwickelt sich laufend weiter. So werden die Studiengänge der HKB regelmässig überarbeitet und auf den neusten Stand gebracht. Sie hat neue Module und Vertiefungsrichtungen eingeführt und teilweise auch die Studiengangstitel angepasst. Diese Veränderungen hatten jedoch keine Erhöhung der Studierendenzahlen zur Folge. Der vom Regierungsrat des Kantons vorgegebene Numerus Clausus darf nicht überschritten werden. 

Kann die HKB eigenständig ihr Studienangebot ausbauen? 

Nein. Die Einführung eines neuen Studiengangs durchläuft einen mehrstufigen Prozess. Der Startschuss für die Ausarbeitung eines Studiengangs wird von der Departementsleitung der HKB initiiert. Erst wenn sowohl die Fachhochschulleitung als auch der Fachhochschulrat ihre Zustimmung gegeben haben und auch der Kanton Bern einverstanden ist, wird ein neuer Studiengang eingeführt. Dies führt dazu, dass ein neuer Studiengang vor der Einführung gründlich von allen Seiten geprüft wurde. 

Studiengänge zukunftstauglich weiterentwickeln

Hat sich die Dauer des Studiums in den letzten zehn Jahre verändert? 

Die Dauer hat sich in der Regel nicht erhöht, aber wie an allen anderen Hochschulen auch, steigt der Anteil der Teilzeitstudierenden. Die HKB hat deshalb entsprechende Modelle eingeführt. Teilzeitmodelle sind auch deshalb attraktiv und notwendig, weil viele Studierende neben dem Studium arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. 

Wie arbeitsmarkttauglich sind die Absolvent*innen der HKB? 

Ein grosser Anteil unserer Absolvent*innen arbeitet als Kleinunternehmer*innen in den diversen Berufsfeldern der Kreativwirtschaft, beispielsweise als Grafikerin, Prozessdesigner oder Kulturvermittlerin. Unternehmerische Kompetenzen spielen deshalb in der Ausbildung an der HKB eine wachsende Rolle. Hinzu kommen die eingangs erwähnten Beispiele. Wir haben vor einigen Jahren sehr erfolgreich ein HKB Business Lab und im Fachbereich Musik ein Career Center aufgebaut, das unsere Studierenden gezielt auf unternehmerische Berufsprofile vorbereitet.

Wie bereitet die HKB die Studierenden auf die berufliche Realität vor? 

Wie bereits gesagt, überarbeitet die HKB laufend das Angebot und pflegt dazu einen engen Kontakt zu den Berufsfeldern. Praktisch alle HKB-Dozierenden sind nur mit einem Teilpensum an der HKB angestellt und arbeiten daneben in ihren Berufsfeldern. Sie kennen also die Anforderungen sehr gut, wissen, wovon sie sprechen und können Entwicklungen antizipieren. Zudem evaluiert die HKB alle fünf bis sieben Jahre jeden Studiengang einzeln, lädt Expert*innen aus den Berufsfeldern ein und diskutiert mit ihnen die zukünftigen Entwicklungen.  

Wenige freie Künstler*innen nach HKB-Studium

Ist es denn das Ziel, dass alle Absolvent*innen von der Kunst leben können? 

Als freie Künstler*innen im engsten Sinne arbeiten nach dem Studium an der HKB wenige. Die meisten Absolvent*innen sind als Pädagog*innen, Vermittler*innen oder auch als Gestalter*innen in der Kommunikationsbranche tätig. Das Lohnniveau dieser Berufsfelder liegt oft unter dem Schweizer Durchschnitt. Man kann dort aber durchaus ein ausreichendes Einkommen erzielen. 

Wie gross ist der Anteil der Studierenden, die nach dem Master ein Zusatzstudium an der HKB absolvieren? 

Im Fachbereich Musik besteht eine Ausbildung aus einem Bachelor und bis zu zwei Masterstudiengängen. In den anderen Fachbereichen ist ein konsekutives Zweitstudium äusserst selten. Einige absolvieren anschliessend noch ein Doktoratsprogramm und sind dazu an einer in- oder ausländischen Universität immatrikuliert. Aber natürlich bietet die HKB wie alle Hochschulen mittlerweile auch Weiterbildungsstudiengänge (CAS, DAS, MAS) an, welche von den Teilnehmenden selbst finanziert werden. 

Thomas Beck, HKB-Direktor, fotografiert vor dem HKB-Standort Fellerstrasse.
Thomas Beck, Direktor der Hochschule der Künste Bern HKB der Berner Fachhochschule BFH, erklärt im Interview wie sich die Studierendenzahlen der HKB in den letzten Jahren verändert haben.