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Bessere Lebensqualität dank temporärer Strassenumgestaltung
27.02.2023 Wie können Anwohnende ihre Strasse stärker gemäss ihren Bedürfnissen nutzen? Der Verein Fussverkehr Schweiz ging dieser Frage zusammen mit Forschenden der Berner Fachhochschule BFH nach, indem im Sommer 2022 je eine Begegnungszone in Zürich und Bern mit Anwohnenden zusammen temporär mit Möbeln, Bemalung und Pflanzen umgestaltet wurde. Nun zeigen die erhobenen Daten: Während des Pilotprojekts wurden mehr Aktivitäten und Interaktionen der Anwohnenden festgestellt.
Begegnungszonen sind für das Quartierleben wichtig, dennoch findet heute auf ihnen nur wenig Aneignung statt. Um das Potenzial von Begegnungszonen auszutesten, wurde die Begegnungszone an der Kyburgstrasse in Zürich und am Benteliweg in Bern zusammen mit Anwohnenden im Sommer 2022 temporär umgestaltet. Ob die Beteiligung der Anwohnenden im Umgestaltungsprozess und die Veränderung des Strassenraums zu mehr Bewegung, Begegnung und Belebung geführt haben, evaluierten Forschende des Instituts für Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ISI der der Berner Fachhochschule BFH.
Mehr Bewegungen und Interaktionen dank temporärer Umgestaltungen
Die Resultate zeigen eine deutliche Steigerung der Aktivitäten wie Sitzen, Spielen, Reden oder Essen auf der Strasse während der Untersuchungsphase. Diese Belebung des Strassenraums entspricht verschiedensten Stadtentwicklungszielen: Belebte Strassen animieren zum vermehrten Zufussgehen und Velofahren und tragen zum sozialen Zusammenhalt bei. Bewegungsmöglichkeiten vor der Haustür und im Alltag sind zudem wesentlich für die Gesundheit von Kindern und Erwachsenen.
Die Wahrnehmung und Einschätzung der Nachbarschaft zur temporären Umgestaltung wurden mittels einer Befragung erfasst. Diese zeigt auf, wie heterogen und divers Meinungen in einem Quartier ausfallen können. Es gab in beiden Strassen zahlreiche positive und enthusiastische Rückmeldungen, wie auch kritische und besorgte Stimmen zum Projekt. Speziell die Themen Verkehrssicherheit und mögliche Lärmbelästigungen polarisieren. Die detaillierte Auswertung der Befragung wird Ende 2023 online einsehbar.
Deutliche Zunahme der Aktivitäten an der Kyburgstrasse in Zürich
Die Kyburgstrasse liegt in einem dicht bebauten Quartier nahe des Röschibachplatzes und des Bahnhofs Wipkingen. Die mit den Anwohnenden erstellten Holzmöbel trugen dazu bei, dass sich die Zahl der Aktivitäten im Strassenraum an einem Mittwochnachmittag von durchschnittlich 2 auf 25 erhöhten. Obwohl im angrenzenden Park bereits viele Sitzgelegenheiten vorhanden sind, wurden besonders die Tische als zusätzliches Angebot in Anspruch genommen, unter anderem zum Essen sowie für Brettspiele oder Arbeitssitzungen an der frischen Luft. Sie wurden von Jugendlichen, Erwachsenen und Senior*innen gleichermassen geschätzt. Aufgefallen ist auch die lange Aufenthaltsdauer der meisten Aktivitäten. Dadurch entstanden mehr Gespräche im Strassenraum, was vorher kaum zu beobachten war. Die von parkierten Autos befreiten Flächen luden zu neuen Aktivitäten ein (z.B. «Trotti-Parcours») und der Verkehrsfluss veränderte sich ebenfalls: Der bereits geringe Anteil des motorisierten Individualverkehrs in der Strasse nahm weiter ab, die Anzahl Menschen zu Fuss oder mit dem Velo hingegen nahm stark zu, was darauf hindeutet, dass die Attraktivität des Strassenraumes für die aktive Mobilität zugenommen hat.
Mehr Raum für Kinder am Benteliweg in Bern
Der Benteliweg in Bümpliz wird hauptsächlich von Anwohnenden frequentiert, wie z.B. von Schulkindern und Kindern der beiden Kindergärten und der naheliegenden Kita. Es erstaunt deshalb nicht besonders, dass die Präsenz von Kindern während des Versuchs am meisten zugenommen hat. Die Evaluation zeigt, dass sich die Zahl der an einem Mittwochnachmittag gezählten Aktivitäten von 9 auf 20 mehr als verdoppelt hat. Die auf dem Trottoir platzierten Möbel wurden von Kindern zum Klettern genutzt. Aktive Tätigkeiten, die vorher kaum zu beobachten waren, machten die Hälfte aller Aktivitäten aus und führten auch dazu, dass kurze Interaktionen im Strassenraum zunahmen. Das Beispiel Benteliweg zeigt aber auch, dass die subjektive empfundene Verkehrssicherheit in der Begegnungszone von vielen sowohl vor als auch während des Testphase als mangelhaft wahrgenommen wird. Dies auf Grund der Tatsache, dass der Benteliweg als Durchgangsstrasse für die naheliegende Gewerbebetriebe genutzt wird. Der motorisierte Verkehr ging während der Intervention zurück. Sehr deutlich zu Tag tritt dies bei den Lastwagen: 2019 wurden während einer Woche 194 LKWs gezählt, im Jahr 2022 während der Intervention waren es nur noch 54 (=-72%).
Projekt «Begegnen, Bewegen, Beleben in Quartieren von Bern und Zürich»
Die Städte Zürich und Bern sind Umsetzungspartnerinnen des Projektes, das von Fussverkehr Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Dachverband für Offene Kinder- und Jugendarbeit DOJ und der BFH durchgeführt wird. Das Pilotprojekt findet im Rahmen des Modellvorhabens «Nachhaltige Raumentwicklung 2020-2024» des Bundes statt. Der Schlussbericht soll Ende 2023 publiziert werden und insbesondere Empfehlungen für die Gestaltung von bestehenden und neuen Begegnungszonen enthalten.