Warum Unternehmen aller Branchen auf Deep-Tech-Startups setzen sollten – und wie sie davon profitieren können

09.09.2024 Warum sollten sich Unternehmen aller Branchen mit Deep-Tech-Startups beschäftigen? Mit dieser Frage haben sich unser Forscher Stefan Raff zusammen mit Fiona E. Murray von der MIT Sloan School of Management und Martin Murmann (ebenfalls BFH-W) auseinandergesetzt.

In ihrem kürzlich im MIT Sloan Management Review veröffentlichten Artikel beschäftigen sich die Autoren mit der Frage, warum es für Unternehmen in allen Sektoren, nicht nur in traditionell forschungsintensiven Industrien, interessant sein kann, sich mit Deep-Tech-Startups zu beschäftigen. Zudem wurde untersucht, wie Unternehmen konkret von Innovationen bei wissenschaftsorientierten Start-ups profitieren können. Durch ihre Arbeit mit Deep-Tech-Startups in den USA und Europa haben sie drei grundlegende Merkmale solcher Startups identifiziert, die insbesondere für Unternehmen Herausforderungen darstellen, die Deep Tech nutzen möchten, aber über geringe F&E-Budgets verfügen und nicht an die Arbeit mit neuen Technologien gewöhnt sind. Diese Merkmale sind:

  1. Komplexe Technologie- und Kommerzialisierungsrisiken,
  2. Hoher Kapitalbedarf und
  3. Lange Entwicklungszeiten.

Für jedes dieser Merkmale teilen sie zentrale Praktiken, die Führungskräften helfen sollen, diese Herausforderungen zu adressieren.

Drei Fragen an Stefan Raff:

Warum spielt Deep Tech auch für Unternehmen mit traditionell geringem F&E-Fokus eine immer wichtigere Rolle?

Wichtig ist zunächst zu verstehen, dass Deep-Tech-Innovationen in einer Vielzahl von Sektoren von Nutzen sein können, nicht nur in den traditionell „science-heavy“ Branchen. Auch Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Infrastruktur und Einzelhandel – in denen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung traditionell vergleichsweise niedrig sind – können davon profitieren. Deep-Tech-Startups arbeiten an Lösungen für zentrale Herausforderungen heutiger Unternehmen. Ein paar Beispiele:

  • Der Bauindustrie kann das Aufkommen neuer umweltfreundlicher Zement- und Stahlvarianten helfen ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern indem in der Produktion weniger Kohlenstoff verbrannt wird.
  • Dem Finanzdienstleistungssektor bietet das Quantencomputing mittelfristig erhebliche Chancen im Hinblick auf Datenanalyse und Sicherheitsverbesserungen.
  • Für den Modesektor hat die Einführung innovativer Materialien großes Potenzial, um Kundenerfahrungen zu verbessern und gleichzeitig Abfall zu reduzieren.

Die Herausforderung liegt nun darin, diesen Unternehmen, die es nicht gewohnt sind, mit wissenschaftsbasierten Startups zusammenzuarbeiten, niederschwellige Wege und Praktiken aufzuzeigen, wie dies gelingen kann. Dabei gilt es insbesondere, die Besonderheiten und Herausforderungen von Deep-Tech-Startups, wie komplexe Technologie- und Kommerzialisierungsrisiken, hoher Kapitalbedarf und lange Entwicklungszeiten, zu berücksichtigen.

Können Sie uns ein Beispiel schildern, welche Praktiken Managern helfen können, diese Herausforderungen zu adressieren?

Um beispielsweise Technologie- und Kommerzialisierungsrisiken anzugehen, ist die Zusammenarbeit mit akademischen Partnern zentral. Sie bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit, um anhand erster Experimente spezifische Technologien und zentrale Meilensteine besser zu verstehen. Ausserdem lässt sich auf diesem Weg deren potenziellen Mehrwert erkennen, bevor man sich auf eine längerfristige Partnerschaft festlegt oder gar ein Investment eingeht. Als Beispiel: Als das Sneaker-Unternehmen New Balance in neue Fasern und Stoffe expandieren wollte, ging es zunächst eine Partnerschaft mit der Non-Profit-Organisation Advanced Functional Fabrics of America ein und arbeitete mit Fakultätsmitgliedern des MIT und des Fashion Institute of Technology zusammen, um gemeinsam mögliche Lösungen zu erkunden. 

Gibt es für Sie noch offene Fragen, die Sie in ihren Gesprächen nicht beantworten konnten? Falls ja: Werden Sie diese Fragen weiterverfolgen?

Es gibt noch viele offene Fragen, beispielsweise: Wie schaffen wir es, Deep-Tech-Startups effizienter aus den Forschungseinrichtungen auf den Markt zu bringen und den Product-Market-Fit zu erreichen? Unsere Forschung zu Deep-Tech-Startups steht noch ganz am Anfang. Ich freue mich darauf, in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam mit einem engagierten Team von Forschern, etwa im Rahmen unseres Projekts, das vom SNF und der DFG gefördert wird, dieses spannende Thema weiter zu untersuchen.

Den vollständigen Artikel mit allen Insights gibt es bei MIT Sloan Management Review zu lesen.