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Nächster Halt digitales Bauen
21.11.2024 20 Studierende der BFH-AHB haben in ihrer Special Week das kollaborative digitale Planen und Bauen geübt. In kürzester Zeit erstellten sie Modelle von nachhaltigen, multimodularen und flexiblen Buswartehäuschen für die Stadt Biel – frei nach dem Motto: Standards sind für Spielverderber.
Zum Auftakt der Special Week «EcoScape Synergy Lab» vom 11. bis zum 15. November äusserten manche der 20 Studierenden der BSc-Studiengänge Architektur, Holztechnik und Bauingenieurwesen noch Bedenken: Sollte es wirklich möglich sein, die ambitionierten Ziele zu erreichen? Die Aufgabe lautete, für die Fahrgäste der Bieler Verkehrsbetriebe einen Warteunterstand an der Bushaltestelle Zollhaus (gleich neben dem BFH-AHB-Gebäude) zu entwerfen. Dabei sollten die Studierenden in ihren gemischten Gruppen eng zusammenarbeiten und vom Know-how der jeweils anderen Fachrichtungen profitieren. Adrian Wildenauer, Professor für digitales Bauen, gab den Takt vor: «Eure Bauten sollen innovativ, modular, erweiterbar, vielfältig nutzbar und rückbaubar sein. Denkt neu, Standards sind für Spielverderber.»
Wichtiges Feedback der Stadt Biel
Das Ziel der Woche waren nicht fixfertige Pläne, die sich 1:1 umsetzen lassen. «Eine solche Planung und Projektierung dauert in der Realität dann doch etwas länger, denn die Anforderungen an Bauten im öffentlichen Raum sind ausgesprochen vielfältig und hoch», sagte Roger Racordon, der Leiter der Abteilung Infrastruktur der Stadt Biel. Er besuchte zum Abschluss der Special Week am Freitagmorgen die Präsentationen der drei Gruppen und spendete Applaus: «Es sind spannende Ansätze, und viele Herausforderungen wurden gut gelöst.» Er finde es wichtig, dass die Studierenden ein «Feedback aus der Praxis» erhielten. Die Thematik des digitalen Planens und Bauens sei in seinem beruflichen Umfeld, dem Tiefbau, noch nicht wirklich angekommen: «Die Planungsbüros sind noch nicht alle so weit. Aber die junge Generation wird die neuen Möglichkeiten nutzen.»
Eine digitale Plattform für alle Bedürfnisse
Diese nächste Generation lernte die Tools des digitalen Planens während der Woche kennen und anwenden. Dazu stand den Studierenden die 3DX-Plattform von Dassault Systèmes zur Verfügung. Sie integriert alle für einen Planungsprozess erforderlichen Applikationen in einem einzigen Tool, ermöglicht einen reibungslosen Informationsaustausch zwischen den Beteiligten und erstellt jederzeit aktuelle 3D-Visualisierungen des Planungsobjekts. Am ersten Tag hatten die Studierenden zwar noch mit technischen Problemen zu kämpfen, dann aber hatten sie das digitale Planungsinstrument im Griff. Der angehende Bauingenieur Nicolas Kobel urteilte zuletzt positiv: «Es ist sehr praktisch, alle Prozesse eines Projekts auf einer einzigen Plattform zu bearbeiten. Damit haben alle eine gute Übersicht, was die Zusammenarbeit erleichtert.»
Vorteile des digitalen Planens werden erlebbar
Diese Erkenntnis war für Adrian Wildenauer das erhoffte Lernergebnis: «Digitales Planen ist zwar auch Bestandteil des Lehrplans, aber man muss es in der Praxis anwenden, um die Vorteile gegenüber einem analogen Verfahren zu erkennen.» Und Roger Racordon von der Stadt Biel ergänzte: «Vor allem bei grossen Projekten mit unzähligen Beteiligten ist es eine grosse Herausforderung, alle zu integrieren und gut zusammenzuarbeiten. Genau das wurde hier erfolgreich geübt.» Für den Architekturstudenten Silas Bühler war die kooperative Herangehensweise und der Austausch insbesondere mit den Bauingenieur*innen eine positive Erfahrung: «Auch im Unterricht gibt es einen Austausch mit ihnen, aber eher als Feedback, wenn sie einen fertigen Entwurf von mir auf seine Umsetzbarkeit beurteilen. Hier hingegen haben wir etwas von Anfang an interdisziplinär in einem gemeinsamen Prozess entwickelt. Immer wieder mussten wir Kompromisse machen. Daraus entstanden dann neue, bessere Lösungen.»
Wartehäuschen oder Liegefläche mit Sonnenschutz?
Trotz anfänglicher Skepsis konnten die drei Gruppen dem Plenum zuletzt eine vollständige Dokumentation des Planungsprozesses präsentieren. Mit den Daten auf der 3DX-Plattform baute ein 3D-Drucker zudem dreidimensionale Modelle der entworfenen Buswartehäuschen im Massstab 1:20. Sie machten deutlich, zu welch unterschiedlichen Resultaten man trotz einheitlicher Ausgangslage kommen kann. Gruppe 1 hatte sich für eine freistehende Holzkonstruktion mit begrünten seitlichen Metallgitterwänden entschieden und dem Thema Barrierefreiheit grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Gruppe 2 wählte eine in die bestehende Hangstützmauer verankerte Dachkonstruktion aus Holz mit Aluminiumabdeckung und Begrünung. Das dritte Team schliesslich wagte sich gestalterisch am stärksten aus der Deckung mit einer X-förmigen Konstruktion aus fünf Holzelementen, die ineinander zusammengeschoben das Dach und die Sitzbänke bilden – und die sich leicht auch zu «Liegeflächen mit Sonnenschutz» im Bieler Strandbad umfunktionieren liessen.
Mehr als nur überbordende Fantasie
Trotz der Prämisse, das traditionelle Denken aufzubrechen, handelte es sich bei den Entwürfen der Buswartehäuschen nicht um realitätsfremde Resultate von überbordender Fantasie. Alle Teams hatten sich auch mit den raumplanerischen Vorgaben vor Ort, mit den Ansprüchen an Beleuchtung und Sicherheit und mit der Praxistauglichkeit beim Auf- und beim Rückbau auseinandergesetzt. Adrian Wildenauer zeigte sich abschliessend zufrieden: «Ich bin beeindruckt, mit welchem Eifer die Teams am Werk waren und was sie im Rahmen einer Special Week erreicht haben.» Zum Dank für den engagierten Einsatz spendierte der Professor den Studierenden Getränke und Sandwiches. Beim Apéro wurden die Diskussion über kollaboratives digitales Planen und Bauen noch eine Weile fortgesetzt.