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Einsatz von School Nurses könnte Gesundheitslücke an Berner Schulen schliessen

06.08.2024 Immer mehr Schüler*innen sind mit gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert und viele Gemeinden haben wegen des Fachkräftemangels Mühe, den schulärztlichen Dienst zu gewährleisten. Im Kanton Bern sind neue Versorgungsmodelle gefragt, um Lehrpersonen zu entlasten und den schulischen Zugang zu Gesundheitsleistungen zu sichern. Forschungsergebnisse der BFH zeigen: Der Einsatz von School Nurses könnte eine Lösung sein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die gesundheitlichen Bedürfnisse der Schüler*innen nehmen zu, wodurch Lehrpersonen überlastet werden.

  • Wegen des Fachkräftemangels sind viele Stellen im schulärztlichen Dienst im Kanton Bern unbesetzt.

  • Die School Nurse könnte als niederschwellige Ansprechperson für Gesundheitsthemen fungieren. Die Schnittstellen zu anderen Professionen müssen jedoch geklärt werden.

  • Die BFH bietet neue Wahlmodule im Master-Studiengang Pflege an, um die Anforderungen an eine School Nurse abzudecken und setzt Pilotprojekte mit School Nurses in Gemeinden um, mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung in Berner Schulen zu verbessern.
     

Immer mehr Kinder und Jugendliche benötigen im schulischen Umfeld zusätzliche gesundheitliche Betreuung, sei es wegen chronischer Erkrankungen wie Diabetes oder Epilepsie, wegen Allergien oder psychischer Probleme aufgrund schwieriger familiärer Situationen oder Fluchterfahrungen. «Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft», macht Ursula Blaser, Schulleiterin im Kanton Bern, deutlich und sagt: «Die gesundheitlichen Herausforderungen der Schüler*innen haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.» Das bedeutet, dass Lehrpersonen aufgrund der gesundheitlichen Bedürfnisse der Schüler*innen immer mehr Aufgaben übernehmen, die nicht direkt mit dem Unterrichten zu tun haben und für die sie auch nicht ausgebildet sind. 

Die gesundheitlichen Herausforderungen der Schüler*innen haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen.

Ursula Blaser Schulleiterin im Kanton Bern

Gesundheitsaufgaben überfordern Lehrpersonen

Die zusätzlichen Aufgaben im Gesundheitsbereich führen gemäss Ursula Blaser immer wieder zu schwierigen oder überfordernden Situationen bei den Lehrpersonen, verursachen aber auch Unsicherheiten bei den Schüler*innen und den Eltern. «Die Situation ist unbefriedigend», sagt sie. Zwar hat jede Schule einen eigenen schulärztlichen Dienst, aber diese Personen sehen die Schüler*innen im Normalfall alle vier Jahre für die regulären Kontrollen. Es handelt sich dabei um Reihenuntersuchungen mit klaren Vorgaben wie Kontrolle der Augen und des Gehörs sowie der Körperhaltung oder Impfungen. «Zusätzliche Anliegen haben hier keinen Platz», erklärt Ursula Blaser. 

Hinzu kommt, dass im Kanton Bern viele Stellen im schulärztlichen Dienst unbesetzt sind und die Schule keine Schulärztinnen oder Schulärzte zur Verfügung haben. Je ländlicher die Region, desto prekärer die Situation. «Der allgemeine Fachkräftemangel macht sich auch im schulärztlichen Dienst bemerkbar», bestätigt Rara Palma Villagra, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern. Gefragt sind neue Versorgungsmodelle, die Lehrpersonen, Schüler*innen und Eltern den Zugang zu Gesundheitsleistungen in der Schule gewährleisten.

Aufgabengebiete einer School Nurse

Eine mögliche Lösung, um die Lücke in der Gesundheitsversorgung an Berner Schulen zu schliessen, könnte der Einsatz von School Nurses sein, wie er in den USA oder auch in den Kantonen Waadt und Obwalden bereits praktiziert wird. Ein Projekt der BFH hat untersucht, wie eine mobile School Nurse Lücken in der kantonalen Versorgung schliessen könnte und den Bedarf abgeklärt. Hierfür hat das Projektteam um Margarithe Schlunegger Schüler*innen, Eltern, Lehrpersonen und Schulleitungen, aber auch Schulsozialarbeiter*innen, Behördenmitglieder und Personen vom schulärztlichen Dienst befragt. Dabei kristallisierten sich vier Hauptthemen heraus. Erstens soll die School Nurse eine niederschwellige Ansprechperson für Gesundheitsthemen sein, zweitens soll sie bei Fragen zu Gesundheit und Prävention beraten und informieren. Drittens soll die School Nurse bei der Versorgung von Unfällen hinzugezogen werden können, wo derzeit oft sofort der Krankenwagen gerufen werden muss. Und viertens soll die School Nurse Entlastung bieten, indem sie die Betreuung von chronisch kranken oder psychisch auffälligen Kindern übernimmt. «Es wurde aber auch deutlich, dass der Aufgabenbereich einer School Nurse und die Schnittstellen zu anderen Professionen unklar sind und geklärt werden müssen», erklärt Margarithe Schlunegger. 

Eine Idee ist, dass die School Nurse auch schulärztliche Untersuchungen durchführen könnte.

Margarithe Schlunegger Wissenschaftliche Mitarbeiterin BFH
School Nurse untersucht Mädchen im Teenager-Alter.

Neue Wahlmodule im Master-Studiengang Pflege

Deshalb hat die BFH in einem Folgeprojekt  und in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus dem Gesundheits- und Schulwesen eine Rollenbeschreibung für eine School Nurse erarbeitet, in der Aufgaben und Anforderungen definiert wurden. «Eine Idee ist, dass die School Nurse auch schulärztliche Untersuchungen durchführen könnte», erklärt Margarithe Schlunegger. «Dies würde im Kanton Bern nach dem Delegiertenmodell erfolgen, d. h. die School Nurse würde im Auftrag einer Ärztin oder eines Arztes arbeiten», fährt sie fort. 

Damit die School Nurse den Anforderungen gerecht werden kann, hat die BFH im Master-Studiengang  Pflege zwei neue Wahlmodule entwickelt, die sie ab Herbst 2024 anbietet wird. Das Wahlmodul «Pädiatrische Gesundheitsversorgung» vertieft die Anamnese und die klinische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen. Ausserdem lernen die Studierenden, Kinder und Eltern zu gesundheitsfördernden und präventiven Strategien zu beraten. Das Wahlmodul «Schulgesundheitspflege School Nursing» geht explizit auf die Rolle der School Nurse ein. Die Studierenden lernen z. B. schulärztliche Untersuchungen durchzuführen, Entwicklungsauffälligkeiten zu erkennen oder chronisch kranke Kinder in der Schule zu begleiten.  

Interesse an der Ausbildung zur School Nurse?

Interessierte Personen dürfen sich bei Fragen zu den Wahlmodulen gerne an Margarithe Schlunegger (margarithe.schlunegger@bfh.ch) wenden.

Pilotprojekt geplant

Sowohl Margarithe Schlunegger als auch Schulleiterin Ursula Blaser sehen in der School Nurse ein grosses Potenzial. «Mit diesem Gesundheitsmodell könnte die Gesundheitsversorgung der Kinder niederschwellig sichergestellt und die Lehrpersonen entlastet werden, damit sie sich wieder auf ihre Kernkompetenz, das Unterrichten, konzentrieren können», ist Blaser überzeugt. Gegenüber der heutigen schulärztlichen Betreuung habe die School Nurse den Vorteil, dass sie «näher dran» sei und von den Lehrpersonen frühzeitig zur Beratung beigezogen werden könne. Als nächsten Schritt will das Projektteam ein Pilotprojekt lancieren und mit interessierten Gemeinden ein Konzept für die Implementierung einer School Nurse erarbeiten.

Interesse an einer School Nurse in Ihrer Schulgemeinde?

Sind Sie interessiert als Schulgemeinde interessiert an der Teilnahme am Pilotprojekt?

Melden sie sich bei Margarithe Schlunegger (margarithe.schlunegger@bfh.ch) für weitere Informationen.

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