Die Rückkehr des Wisents

05.12.2024 Nach 1000 Jahren ist der Wisent zurück in der Schweiz. Das Projekt «Wisent Thal» brachte die Tiere 2022 in den Naturpark Thal – trotz kontroverser Diskussionen. Erste Erfolge zeigen sich: Nachwuchs und wertvolle Erkenntnisse für die Biodiversität.

Verträgt ein so dicht besiedeltes Land wie die Schweiz ein so grosses Wildtier wie den Wisent?
Verträgt ein so dicht besiedeltes Land wie die Schweiz ein so grosses Wildtier wie den Wisent?


Vor rund 1000 Jahren wurde der Wisent in der Schweiz ausgerottet. Das Projekt «Wisent Thal» hat sich zum Ziel gesetzt, dem Schweizer Jura – wo die Wisente einst verbreitet waren – das grösste noch lebende Wildtier Europas zurückzugeben. Doch nicht alle waren von dieser Idee begeistert. Verträgt ein so dicht besiedeltes Land wie die Schweiz ein so grosses Wildtier? Diese Frage führte die Projektgegner bis vor Bundesgericht, welches dem «Wisent»-Projekt jedoch grünes Licht gab.

Im September 2022 war es endlich so weit: Die ersten fünf Wisente – ein dreijähriger Stier, drei Kühe und ein Kalb – trafen in Welschenrohr ein und kamen in ein drei Hektar grosses Eingewöhnungsgehege. Nach mehreren Wochen durften die Wildtiere für zwei Jahre in ein 50 Hektar grosses Gehege umziehen, das im vergangenen September auf 100 Hektaren erweitert wurde.

Den Wisenten scheint es gut zu gehen, mittlerweile haben fünf Wisent-Kälber im Naturpark Thal das Licht der Welt erblickt. Das «Wisent»-Projekt wird wissenschaftlich eng begleitet. So wird beispielsweise untersucht, wie stark die Wisente junge Bäume verbeissen und ob sie andere Wildtiere wie Rehe oder Dachse verdrängen.

«In einer Studie in Dänemark hat man festgestellt, dass durch die Wisente die Artenvielfalt der Krautvegetation angestiegen ist und insbesondere Gräser profitiert haben.»

Valentin Brühwiler Projektleiter

Vorher-nachher-Vergleich

Auch die BFH-HAFL forscht mit: In Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Waldwissenschaften wird der Einfluss der sanften Riesen auf seltene Waldgesellschaften untersucht. Diese sind für die Biodiversität von besonderer Bedeutung; im Naturpark Thal gibt es mehrere solcher schutzwürdigen Pflanzengemeinschaften, zum Bespiel einen Eiben-Buchen-Wald oder einen Orchideen-Föhren-Wald.

Diesem Forschungsprojekt kommt entgegen, dass sich die Wisente zuerst nur auf der Hälfte der Fläche ihres aktuellen Geheges bewegen durften. Das ermöglicht den Wissenschaftlern einen Vorher-nachher-Vergleich: Einige Wochen vor der Erweiterung des Geheges wurden an 60 Standorten Probeaufnahmen der Vegetation gemacht – ein Jahr später werden sie dann an denselben Stellen wiederholt. So wollen die Forschenden herausfinden, wie die Wisente die Zusammensetzung der Vegetation beeinflussen.

«In einer Studie in Dänemark hat man festgestellt, dass durch die Wisente die Artenvielfalt der Krautvegetation angestiegen ist und insbesondere Gräser profitiert haben», sagt Projektleiter Valentin Brühwiler. Doch hänge das sehr stark vom jeweiligen Waldtyp ab, was Prognosen schwierig mache. 2027 werden die Verantwortlichen des Projektes «Wisent Thal» einen umfassenden Bericht zur Wiederansiedlung der Wisente abliefern. Je nachdem wie dieser ausfällt, werden die Wildtiere in einer weiteren Phase zuerst in die Halbfreiheit und letztendlich ganz in die Freiheit entlassen.


Der Artikel stammt aus: focusHAFL 2/24

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Fachgebiet: Life Sciences + Lebensmittelwissenschaften