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«Den Samen der Veränderung säen»
20.03.2024 Das EcoArtLab will mit Kunst neue Perspektiven auf den Klimawandel eröffnen. 2024 werden die Residents Nora Gailer und Alisha Dutt Islam dies am Freilichtmuseum Ballenberg tun.
Worin besteht Ihre persönliche Motivation für eine Residency am EcoArtLab?
Alisha Dutt Islam (A.D.I.): Durch die Gegenüberstellung des Gangesdeltas und der Schweizer Alpen und die gegenseitige Betrachtung aus der jeweils anderen Perspektive möchte ich die zeitliche Natur des Wohnens in Regionen untersuchen, die von Klimakonflikten geprägt sind. Ausserdem möchte ich Konzepte wie Überfluss, Mangel, Dürre und Überschwemmung thematisieren und sie unter dem Blickwinkel von Flussquellen und Flussmündungen mit dem Thema Bodengesundheit in Verbindung bringen.
Nora Gailer (N.G.): Für mich ist es unabdingbar, dass die Schweizer Bevölkerung ihre Rolle in unserer globalisierten Welt anerkennt und die Verantwortung für ihr Handeln und dessen Auswirkungen übernimmt. Das EcoArtLab bietet eine wertvolle Gelegenheit, Verbindungen zwischen scheinbar weit voneinander entfernten Regionen der Welt herzustellen. Es ermöglicht uns, Lücken zu schliessen und Möglichkeiten für kollektives Handeln auszuloten, um Umweltherausforderungen auf der ganzen Welt zu bewältigen.
Welche Auswirkungen wird Ihre Arbeit im Rahmen der Residency Ihrer Meinung nach auf die Gesellschaft haben?
A.D.I.: Wir nutzen Erde, also den Boden, als unser primäres Medium und schaffen augenfällige Kunstwerke, die den Boden auf eine Art und Weise zeigen, die für viele ungewohnt sein dürfte. Mit unserer Kunst wollen wir die Schönheit und die Wunder des Bodens beleuchten und die Betrachterinnen und Betrachter dazu animieren, ihre Wahrnehmungen und ihr Verständnis dieses lebenswichtigen Ökosystems zu überdenken.
N.G.: Wir wollen den Wert des Voneinander-Lernens und der Erforschung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden hervorheben. Dazu nutzen wir den Boden als eine Art Objektiv, durch das wir diese Konzepte betrachten. Wir haben nicht die Absicht, etwas Bestimmtes zu vermitteln, sondern wollen einen offenen Raum für Reflexion schaffen und Denkprozesse anstossen.
Sie vergleichen Indien und die Alpen. Welche Verbindungen bestehen zwischen diesen sehr unterschiedlichen Gesellschaften und ökologischen Gegebenheiten?
A.D.I.: Das Gangesdelta und die Schweizer Alpen sind auf sehr unterschiedliche Weise vom Klimawandel betroffen. Während die eine Region überflutungsgefährdet ist, droht in der anderen Dürre. Ausserdem stellen wir die gesellschaftspolitischen Diskurse der beiden Regionen einander gegenüber.
N.G.: Das Projekt erinnert uns daran, dass wir – trotz der vermeintlichen Spaltung in einen Globalen Süden und einen Globalen Norden – alle den negativen Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt sind.
Sie verfolgen bei Ihrem Residency-Projekt einen konsequent feministischen Ansatz. Warum?
A.D.I.: Weil wir wissen, dass unser Denken zutiefst von patriarchalen und kapitalistischen Ideologien geprägt ist. Wir arbeiten auf einen ökologischen und gesellschaftlichen Wandel hin und setzen uns dabei nachdrücklich für Gemeinschaft und Solidarität ein, wobei wir verschiedene Perspektiven miteinbeziehen.
N.G.: Im Rahmen unserer Arbeit heben wir beide weibliche Perspektiven, Werte und Wissensformen hervor und untersuchen unser Thema unter dem Gesichtspunkt der Vernetzung und Fürsorge – als alternative Formen, um mit der Natur in Verbindung zu treten und als Grundlage für gemeinsames Handeln in der Zukunft.
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher im September auf dem Ballenberg?
N.G.: Wir nutzen den Boden, also Erde, um Geschichten zu erzählen und Wissen zu teilen, denn als optisch ansprechendes Material weckt Erde die Neugierde der Menschen. Ausserdem werden wir althergebrachte Methoden der Bodenbearbeitung zeigen.
A.D.I.: Wir werden zahlreiche Geschichten aus den Gebieten der Rheinquelle und dem Gangesdelta präsentieren. Wir werden herausfinden, welche Ähnlichkeiten sie aufweisen und wo sie sich voneinander unterscheiden. Durch Multimedia-Erlebnisse wollen wir Storytelling-Methoden entwickeln, die alle Sinne ansprechen.
Wie kann Kunst unsere Gesellschaft dabei unterstützen, einen erfolgreichen Wandel hin zu nachhaltigeren Lebensweisen zu vollziehen?
A.D.I.: Kunst hilft uns dabei, den Samen der Veränderung zu säen. Ich hoffe, dass dieses Gefühl auf die Betrachterinnen und Betrachter überspringt und dazu beiträgt, den Samen zu nähren, damit er zu einer Pflanze heranwächst.
Was ist das EcoArtLab?
Das EcoArtLab ist ein transdisziplinärer Think-and-Do-Tank mit dem Ziel, Kooperationen zwischen künstlerischen Forschenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit anzustossen.
Zwischen 2023 und 2027 führt es das Forschungsprojekt «EcoArtLab. Relationale Begegnungen zwischen den Künsten und Klimawandel» durch. Das vom SNF geförderte Forschungsprojekt untersucht, wie das Zusammenspiel von künstlerischer Forschung, Geografie und kritischer Nachhaltigkeitsforschung zu neuen Begegnungen und Ansätzen führen kann, die sich mit Klimagerechtigkeit auseinandersetzen.
Das Forschungsprojekt ist eine Zusammenarbeit zwischen der Hochschule der Künste Bern und dem mLAB des Geographischen Instituts der Universität Bern.