Gesündere Schokolade aus dem Drucker

04.06.2024 Individualisierte und erst noch gesündere Schokolade: Die BFH hat gemeinsam mit der ETH Zürich ein neues flexibleres Produktionsverfahren für Schokolade entwickelt. Es basiert auf der 3D-Druck-Technologie.

Warum hat die BFH ein ­Forschungsprojekt zur Entwicklung von individualisierter Schokolade durchgeführt?

3D-Druck-Anwendungen kommen in der Produktion immer häufiger zum Einsatz. In der Regel sind sie eher langsam, da beim Aufbau der Produkte immer mit hoher Genauigkeit gearbeitet wird. Mit dem Projekt wollten die ETH Zürich und die BFH erforschen, ob es möglich ist, in einem dreidimensionalen Druckverfahren nur jene Teile eines Produktes zu drucken, welche individualisiert werden oder eine hohe ­Detailgenauigkeit benötigen. 

Die Wahl fiel auf Schokolade, weil sie als Produkt ein Stück weit für die Schweiz steht und die hiesige Schokoladenindustrie wirtschaftlich noch immer bedeutend ist. Der Leitgedanke war, die Basis des Produkts in einem herkömmlichen Verfahren herzustellen und das «Sahnehäubchen», das heisst die weiteren Applikationen wie Füllungen, Struktur oder Verzierungen, im 3D-Druck zu ergänzen.

Wie ist das Forschungsprojekt umgesetzt worden?

Die Forschenden konstruierten eine Produktionslinie, die aus einem Basisapparat (Extruder) und zwei Roboterarmen mit Druckmodulen bestand. Während der Basisapparat den grössten Teil der Schokolademasse in der ­gewünschten Grundform auf ein Förderband presste, brachten die beiden synchronisierten Roboter mit ihren unterschiedlich grossen Spritzdüsen verschiedene Füllmassen sowie Aroma- und Süssstoffe an. Der eine Roboter arbeitete mit Zentimeter- und Millimeter-Applikationen, der andere mit Anwendungen, die im Bereich von Mikrometern bis Millimetern lagen. Anschliessend bewertete eine Fachgruppe die Schokoladenstücke. 

Es zeigte sich, dass sich bei einer gezielten Anordnung der Süssstoffe die Zuckermenge reduzieren lässt, ohne das Geschmacksempfinden zu verändern.

Welche Resultate hat die Studie ergeben?

Die Forschenden gewannen aus dem Projekt zwei wesentliche Erkenntnisse. Zum einen bestätigte sich die Annahme, dass das Verfahren mehr Flexibilität bei der Gestaltung und der Herstellung von Schokoladeprodukten ermöglicht. So liessen sich zum Beispiel die Zusammensetzung der Füllung rasch und einfach anpassen und das Schokoladeprodukt individualisieren. Zum anderen zeigte sich, dass sich bei einer gezielten Anordnung der Süssstoffe die Zuckermenge reduzieren lässt, ohne das Geschmacksempfinden zu verändern. 

Dies ist im Wesentlichen den Geschmacksrezeptoren der menschlichen Zunge zu verdanken. Werden diese einmal stark stimuliert, sind sie eine Zeitlang «blind» für den nachfolgenden Zucker. Die Forschenden stellten fest, dass sich mit einer unregelmässigen Verteilung der Anteil von Zucker um bis zu 30 Prozent reduzieren lässt, ohne dass eine Schokolade weniger süss schmeckt. 

Mit dem 3D-Druck-Verfahren lässt sich Schokolade herstellen, die stärker sowohl auf die unterschiedlichen Geschmackswünsche als auch auf die gesundheitliche Situation von Konsumentinnen und Konsumenten eingehen kann.

Welche Herausforderungen galt es in dem Projekt zu überwinden?

Schokolade ist ein anspruchsvolles Produkt. Damit die Qualität stimmt und die Anforderungen des Lebensmittelrechts eingehalten werden, ist bei der Herstellung ein sorgfältiger Umgang mit den Rohstoffen entscheidend. Allein eine Temperaturabweichung von einem halben Grad im Produktionsprozess kann zu einem komplett anderen Ergebnis führen. Dies galt es bei der Entwicklung der Produktionslinie zu berücksichtigen. 

Welchen Nutzen hat das ­Forschungsprojekt für die Gesellschaft?

Viele Menschen auf der ganzen Welt ­geniessen Schokolade. Mit dem 3D-Druck-Verfahren lässt sich Schokolade herstellen, die stärker sowohl auf die unterschiedlichen Geschmackswünsche als auch auf die gesundheitliche Situation von Konsument*innen eingehen kann. Die mögliche Reduktion des Zuckergehaltes kommt dem heutigen Gesundheitsbewusstsein entgegen. Aber auch eine gezielte Anpassung der Lebensmittel für Menschen mit reduzierter Speichelbildung, Schluckbeschwerden oder vermindertem Geschmacksempfinden – zum Beispiel nach einer Chemotherapie – ist denkbar.

Wie geht es weiter mit der individualisierten Schokolade?

Nachdem die Studie ergeben hat, dass das Herstellungsverfahren völlig neue Möglichkeiten bietet, geht es in einem nächsten Schritt darum, das System für die industrielle Produktion weiterzuentwickeln. Die Forschenden der BFH planen mit verschiedenen Firmen ein entsprechendes Projekt. 

Mehr über das Projekt und die BFH-Experten dahinter

Karl-Heinz Selbmann leitet das Institut für Drucktechnologie im Departement Technik und Informatik der BFH.

Das Institut führte zusammen mit der ETH Zürich und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), einem anderen Departement der BFH, das Forschungsprojekt zur Herstellung von individualisierter Schokolade durch («lndustrially relevant Synchronous Multiscale 3D­Printing Process [SYMUS-PD3] for the fast manufacture of tailored texturized and sensory/nutrition­functionalized food systems»).

Von der HAFL war Christoph Denkel, Dozent für Lebensmitteltechnologie beteiligt.

Das Projekt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, gemeinsam gefördert.

Dieser Artikel erschien zuerst im Anzeiger Region Bern. Er ist Teil einer Serie, in der Forschungsprojekte der Berner Hochschulen vorgestellt werden.