- Story
Vierjähriges SNF-Projekt: Lumbale Rückenschmerzen besser verstehen
16.08.2024 Im Rahmen des Projekts LBP-Trajectories forscht die BFH für ein besseres Verständnis der Krankheitsmechanismen bei lumbalen Rückenschmerzen. Prof. Dr. Stefan Schmid erläutert im Interview Sinn und Chancen des Projekts.
Das Wichtigste in Kürze
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Im Projekt LBP-Trajectories werden die Daten von 600 Rückenschmerzpatient*innen untersucht, um verschiedene Formen von lumbalen Rückenschmerzen besser zu verstehen.
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Es werden zeitliche Verläufe des Bewegungsverhaltens und deren Zusammenhang mit Schmerzen, psychologischen Faktoren und Alltagseinschränkungen analysiert.
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Im Projekt arbeitet die BFH-Forschungsgruppe «Bewegungsbiomechanik der Wirbelsäule» mit vielen Partner*innen zusammen.
Stefan Schmid, Sie leiten das Projekt LBP-Trajectories. Worum geht es genau?
Im Laufe ihres Lebens erleben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung unspezifische lumbale Rückenschmerzen, die keine klare Ursache haben. Studien zeigen, dass es verschiedene individuelle Formen von Rückenschmerzen gibt, die von unterschiedlichen Behandlungsansätzen profitieren können. Es wird vermutet, dass ähnliche Phänotypen auch für das Bewegungsverhalten von Rückenschmerzpatient*innen gelten, Langzeitstudien dazu fehlen jedoch noch. Ein Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Beschreibung von zeitlichen Verläufen des Bewegungsverhaltens und dessen Zusammenspiel mit Schmerzen, verschiedenen psychologischen Faktoren und Einschränkungen im Alltag.
Nach welchen Methoden gehen Sie vor?
Wir werden 600 Schmerzpatient*innen mit einer selbst entwickelten Smartphone-App und einem Physical-Activity-Tracker fürs Handgelenk über 6 Monate begleiten. Nebst der Erfassung von Schmerzintensität, verschiedenen psychologischen Faktoren sowie der Einschränkung im täglichen Leben, machen sie wöchentlich Bewegungsmessungen. Man kann sich das zum Beispiel so vorstellen, dass sie das Smartphone an die Brust halten, sich einmal nach vorne beugen und etwas vom Boden aufheben. Ziel ist es, das Zusammenspiel von motorischem Verhalten und Einschränkung im Alltag über einen längeren Zeitraum darzustellen, um Kausalitäten und Wechselwirkungen auf den Grund zu gehen. Ist der Schmerz zum Beispiel stärker, wenn sich jemand eher wenig bewegt? Und was passiert mit den Schmerzen, wenn sich jemand häufiger bewegt?
Zur Person: Prof. Dr. Stefan Schmid
Prof. Dr. Stefan Schmid ist stellvertretender Leiter der Angewandten Forschung und Entwicklung Physiotherapie und Leiter der Forschungsgruppe Bewegungsbiomechanik der Wirbelsäule am Departement Gesundheit der Berner Fachhochschule.
Was kann aus den Ergebnissen für den Fachbereich Physiotherapie gewonnen werden?
Das Forschungsprojekt verbindet Grundlagenforschung mit angewandter Forschung. Wir wollen ein besseres Verständnis zu erlangen, um daraus konkrete Massnahmen abzuleiten. Durch die Analyse der zeitlichen Zusammenhänge können wir unsere Behandlungsansätze gezielter anpassen.
Eine Folgestudie würde dann überprüfen, ob diese Anpassungen tatsächlich wirksam sind, indem zum Beispiel ein bestimmter Behandlungsansatz in einer klinischen Studie getestet wird. Die Ergebnisse werden dazu beitragen, die Behandlungsansätze zu optimieren und die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen mit Rückenschmerzen zu verbessern. Ausserdem kann die im Projekt entwickelte Smartphone-App zu einem neuen Instrument für die Beurteilung und das Management von Rückenschmerzen in der klinischen Praxis weiterentwickelt werden.
Die Ergebnisse werden dazu beitragen, die Behandlungsansätze zu optimieren und die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen mit Rückenschmerzen zu verbessern.
Wer unterstützt euer Team bei der Forschung?
Unsere Doktorandin Arlene von Aesch und der Postdoktorand Dr. Adrien Cerrito sind die Hauptpersonen des Projekts. Darüber hinaus pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit dem Departement Gesundheit der HES-SO, insbesondere mit der HESAV in Lausanne und der HEIG-VD in Yverdon-les-Bains. Dr. Guillaume Christe von der HESAV wird mich bei der Projektleitung unterstützen und Prof. Dr. Laura Raileanu und Dr. Lucas Mourot von der HEIG-VD werden für die Weiterentwicklung des bestehenden Prototypen der App zuständig sein. Eine weitere Zusammenarbeit besteht mit Prof. Dr. Alice Kongsted von der University of Southern Denmark. Sie ist auf zeitliche Verläufe von Symptomen bei Rückenschmerzen spezialisiert. Zudem unterstützt uns PD Dr. Michael Meier von der Universität Zürich, mit dem ich seit Jahren im Bereich Low Back Pain zusammenarbeite. Für die Statistik bei dieser longitudinalen Studie erhalten wir Support von unserem Statistiker André Meichtry. Mit der Medbase in Bern und der Rachis Clinic im Raum Lausanne haben wir zwei klinische Partner, wo wir die Patient*innen mit akuten und chronischen Rückenschmerzen rekrutieren dürfen.