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«Ich frage mich, was den Bund daran hindert, eine harmonisierte Lösung für alle Gemeinden zur Verfügung zu stellen?»

14.08.2024 Wo steht die Verwaltung von Grenchen in Bezug auf den digitalen Wandel? Welche besonderen Herausforderungen gibt es auf Gemeindeebene zu bewältigen? Wir sprechen mit Thomas Herren, Leiter Informatik der Stadt Grenchen, über seinen Blickwinkel auf die Chancen und Hürden, die der digitale Wandel mit sich bringt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Stadt Grenchen ist Partnerin unseres Instituts Public Sector Transformation (IPST).

  • Thomas Herren, Leiter Informatik der Stadt Grenchen erzählt, wo Grenchen in Bezug auf die Digitalisierung steht und wo er die grössten Herausforderungen sieht.

  • Ausserdem erläutert er, wie der digitale Alltag auf Gemeindeebene durch die Politik unterstützt werden kann und wo der Unterschied zur Privatwirtschaft liegt.

Im September 2023 hat das IPST die Stadtverwaltung von Grenchen als neue Partnerin willkommen heissen dürfen. Welchen Nutzen erhoffen Sie sich künftig von der Partnerschaft?

Die Verwaltung erhofft sich von der Partnerschaft mit dem IPST eine wissenschaftliche Aussensicht auf Basis neuster Erkenntnisse.

Thomas Herren ist Leiter Informatik der Stadt Grenchen
Thomas Herren ist Leiter Informatik der Stadt Grenchen

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei der Digitalisierung auf Gemeindeebene? Schätzen Sie den Freiraum, den man den Gemeinden lässt, oder würden Sie sich mehr Unterstützung vom Bund wünschen?

Die Gemeinde schätzt die Hoheit in vielen Belangen, wünscht sich aber vom Bund eine entsprechende Plattform mit Diensten, welche allen Gemeinden zur Verfügung gestellt wird. So ersehnen wir uns beispielsweise die definitive Einführung der E-ID durch den Bund, nicht durch Private. Dies würde das digitale Angebot der Gemeinden stark beschleunigen und vereinfachen.

Es stellt sich auch die Frage, ob es in der heutigen Zeit zielführend ist, dass jede Gemeinde für die Einwohnerkontrolle eine eigene Lösung evaluieren und einführen muss. Ein entsprechendes Registerharmonisierungsgesetz ist schon seit längerer Zeit vorhanden. Ich frage mich, was den Bund daran hindert, eine harmonisierte Lösung für alle Gemeinden in allen Kantonen der Schweiz zur Verfügung zu stellen?

Die Gemeinde schätzt die Hoheit in vielen Belangen, wünscht sich aber vom Bund eine entsprechende Plattform mit Diensten, welche allen Gemeinden zur Verfügung gestellt wird.

Thomas Herren
Thomas Herren Leiter Informatik Stadt Grenchen

Wo steht die Gemeinde Grenchen aktuell in Bezug auf den digitalen Wandel des öffentlichen Sektors? Welche Fragen beschäftigen Sie im Moment?

Der Kanton Solothurn hat vor einiger Zeit my.SO.ch ins Leben gerufen, um unter anderem Prozesse der Gemeinden zu digitalisieren und zu vereinfachen. Hier stellen wir gerne interne Ressourcen bereit, um gemeinsam einen einheitlichen und für die Bürger*innen benutzerfreundlichen Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen einer Verwaltung zu ermöglichen. Intern hat die Verwaltung Grenchen ehemals papiergebundene Prozesse überarbeitet und diese den Mitarbeitenden in rein digitaler Form zur Verfügung gestellt, ohne Medienbrüche. Damit konnten wir die Durchlaufzeiten senken sowie die Transparenz, die Rückverfolgbarkeit und die Datengüte erhöhen.

Sehen Sie konkrete Bereiche, in denen die Digitalisierung von repetitiven Arbeiten sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Kundschaft eine Verbesserung bedeuten könnte?

Bei sämtlichen Dienstleistungen, bei welchen unsere Kundschaft eine Bestätigung oder einen Auszug benötigt, wäre eine vollständige Digitalisierung sehr wünschenswert. Da alle Daten vollständig in den entsprechenden Registern vorhanden sind, würde – sobald die E-ID vorhanden ist – diesem Vorhaben nichts mehr im Wege stehen.

Über Grenchen

Die Stadt Grenchen – zweitgrösste Gemeinde des Kantons Solothurn – bietet ungeahnte Wohnlagen. Grenchen ist geprägt von einer einzigartigen Koexistenz: traditionsreiche Uhren- und Präzisionsindustrie kombiniert mit idyllisch grünem Wohn- und Lebensraum. Grenchenberge und Witi laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein, die verkehrsberuhigte Begegnungszone im Stadtzentrum verführt zum Flanieren. Eine gut ausgebaute Infrastruktur, ein reichhaltiges Kultur- und Freizeitangebot sowie ausgezeichnete Einkaufsmöglichkeiten leisten ihren Beitrag zu einer hohen Lebensqualität.

Stadt Grenchen

Grenchen

Was wiegt Ihrer Meinung nach schwerer in der Waagschale: Die Angst der Mitarbeitenden vor Veränderungen ihrer Arbeitstätigkeit durch den digitalen Wandel oder der Verlust an Arbeitgeber*innenattraktivität von Verwaltungen bei den jüngeren Generationen durch verschlafene digitale Entwicklungen?

Die Herausforderung besteht in der stufengerechten Kommunikation gegenüber den Mitarbeitenden. Die Veränderung wird unumgänglich stattfinden, auch auf den Verwaltungen. Deshalb müssen solche Veränderungen als Chancen wahrgenommen und kommuniziert werden, damit entsprechende neue Wege in die Zukunft beschritten werden können.

An der TRANSFORM24 wurde die Schwierigkeit thematisiert, in der Politik genügend Rückhalt für den digitalen Wandel zu finden. Viele Politiker*innen hätten nicht das notwendige Fachwissen, um neue digitale Technologien zu verstehen und kompetente Entscheide darüber zu treffen, betonte beispielsweise Claudine Esseiva in ihrem Referat. Wie erleben Sie dies in Ihrem Arbeitsalltag? Würden Sie dieser Kritik zustimmen? Und wo sehen Sie Lösungsansätze für dieses Problem?

Wie in vielen Fällen hilft hier eine stufengerechte Kommunikation. Reden wir von «MFA» (Multi-Faktor-Authentifizierung, Anm. d. Red.) und «XDR» (Extended Detection and Response, Anm. d. Red.), so können wir davon ausgehen, dass die Politik diese Fachbegriffe nicht kennt und sich dagegen entscheidet. Reden wir aber von einem zusätzlichen Vorhängeschloss an der Haustüre und über einen Wachdienst, der in den Räumen patrouilliert, dann wird die Politik dies eher nachvollziehen können.

Oft hört man den Vorwurf, der digitale Wandel gehe in der Verwaltung zu langsam vonstatten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach und worin sehen Sie die grössten Unterschiede zwischen Digitalisierungsbestrebungen in der Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft?

In der Privatwirtschaft ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. In der Verwaltung gilt das Umgekehrte, nämlich dass alles Erlaubte reglementiert sein muss. Dies verlängert die Entscheidungsprozesse und die Umsetzung enorm. Was hingegen im operativen Bereich möglich und erlaubt ist, wird sehr rasch adaptiert und umgesetzt – ein Quickwin.

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