- Story
Reha-Nachsorge: Langfristige Wirkung durch Lebensstil-Interventionen?
28.03.2024 Patient*innen verlieren die in der Reha erarbeiteten Fortschritte oft wieder, sobald sie in ihr häusliches Umfeld zurückkehren. Die BFH untersucht aktuell in einem Forschungsprojekt mit Lungenkrebsbetroffenen, ob eine digitale Lebensstil-Intervention die Reha-Nachsorge optimieren kann.
Julia, 50 Jahre alt, erfährt eine deutliche Verschlechterung ihrer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und nimmt an einer umfassenden Rehabilitation teil, die verschiedene Therapieansätze wie Physiotherapie, Ernährungsberatung und Atemtherapie umfasst. Die Rehabilitationsmassnahmen wirken und langsam erhöhen sich Julias Leistungsfähigkeit und ihre Lebensqualität wieder.
Nach der Reha kehrt sie motiviert nach Hause zurück, ist jedoch ohne kontinuierliche Unterstützung nicht in der Lage, gesundheitsfördernde Gewohnheiten beizubehalten. Sie verfällt schnell in alte Muster, sitzt häufig, ernährt sich einseitig und schläft unregelmässig. Ihre Lebensqualität sinkt allmählich wieder.
Die Herausforderung: Nachhaltigkeit der Reha
Julias Beispiel steht stellvertretend für viele chronisch Erkrankte. Sie haben nach einer stationären oder ambulanten Reha Schwierigkeiten, im Alltag einen gesunden Lebensstil beizubehalten. Gemäss Evidenzlage ist es für Patient*innen häufig schwierig, die in der Reha erreichten Erfolge zu Hause zu stabilisieren und zu festigen (Spruit et al., 2013; Piepoli et al., 2016). Berufliche Anforderungen, Unsicherheiten und Ängste, aber auch fehlende Motivation und die vorhandenen Strukturen erschweren die Umsetzung im Alltag. Es bedarf daher Massnahmen, um die langfristige Lebensqualität zu erhalten und Rückfälle zu verhindern, was letztlich das Wohlbefinden steigern und die Gesamtkosten im Gesundheitswesen senken könnte. Effektive Nachsorgemethoden für die Rehabilitation sind bisher jedoch wenig erforscht, und die Unterstützung variiert je nach den individuellen Bedürfnissen und Krankheitscharakteristika der Patient*innen.
Digitale Lebensstil-Interventionen
Durch die Digitalisierung ergeben sich neue Wege, die Patient*innen mit individuell angepassten Lebensstil-Interventionen in den verschiedenen Lebensstil-Bereichen (z. B. körperliche Aktivität, Ernährung, Stressmanagement) anzuleiten und die positive Wirkung der Reha womöglich über die Zeit hinaus kosteneffizient aufrechtzuerhalten. Die Akademie-Praxis-Partnerschaft (APP) der BFH und der Insel Gruppe hat in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und vier akkreditierten Rehabilitationszentren in der Schweiz eine mobile Applikation für die Reha-Nachsorge von Lungenkrebsbetroffenen entwickelt und prüft aktuell deren Wirksamkeit und Umsetzungsfaktoren in einem Forschungsprojekt (Weber et al., 2024). Die Intervention zielt darauf ab, die Betroffenen nach der stationären Reha zu Hause zu unterstützen, einen gesunden Lebensstil in ihren Alltag zu integrieren und somit ihre Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Das zwölfwöchige aufbauende Programm fokussiert sich auf die Bereiche Bewegung, Ernährung und Atmung/Entspannung, die in einen strukturierten Wochenplan integriert sind.
Face to face, digital oder eine Kombination
Im Vergleich zu persönlichen Anleitungen (face to face) bieten digitale Lebensstil-Interventionen mehr Flexibilität, sind ortsunabhängig und haben potenziell auch finanzielle Vorteile. Hingegen fehlen oftmals der direkte Kontakt zu den Fachpersonen sowie die Interaktion und der Aufbau einer persönlichen Beziehung. Auch kommt es bei den digitalen Anwendungen eher dazu, dass ein Programm nicht eingehalten oder abgebrochen wird (Kohl et al., 2013). Eine Mischung aus beiden (blended approach) könnte möglicherweise das Beste aus beiden Formen vereinen.
Die Herausforderung besteht darin, eine massgeschneiderte Lösung zu finden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Patient*innen gerecht wird und zugleich effektive Ergebnisse erzielt. Gleichzeitig stellt sich die Frage der Verantwortung und Finanzierung. Der Weg zu einer optimalen Reha-Nachsorge erfordert nicht nur die Wahl des passenden Ansatzes, sondern auch klare Verantwortlichkeiten sowie eine nachhaltige Finanzierungsstruktur.
Referenzen
- Kohl, L.F.M., Crutzen, R., Vries, N.K. (2013). Online prevention aimed at lifestyle behaviors: a systematic review of reviews. Journal of Medical Internet Research;15(7):e146. doi:10.2196/jmir.2665.
- Piepoli, M.F, Hoes, A.W., Agewall, S., Albus, C., Brotons, C., Catapano, A.L., Cooney, M-T., Corrà, U., Cosyns, B., Deaton, C., Graham, I., Hall, M.S., Hobbs, F.D.R., Løchen, M-L., Löllgen, H., Marques-Vidal, P., Perk, J., Prescott, E., Redon, J., Richter, D.J., Sattar, N., Smulders, Y., Tiberi, M., van der Worp, H.B., van Dis, I., Verschuren, W.M.M., Binno, S. (2016). European Guide-lines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiol-ogy and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts)Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). European Heart Journal; 37(29):2315–2381. doi:10.1093/eurheartj/ehw106.
- Spruit, M.A, Singh, S.J, Garvey, C., ZuWallack, R., Nici, L., Rochester, C., Hill, K., Holland, A.E., Lareau, S.C, Man, W.D-C., Pitta, F., Sewell, L., Raskin, J., Bourbeau, J., Crouch, R., Franssen, F.M.E., Casaburi, R., Vercoulen, J.H, Vogiatzis, I., Gosselink, R., Clini, E.M, Effing, T.W, Maltais, F., van der Palen, J., Troosters, T., Janssen, D.J.A., Collins, E., Garcia-Aymerich, J., Brooks, D., Fahy, B.F., Puhan, M.A., Hoogendoorn, M., Garrod, R., Schols, A.M.W.J., Carlin, B., Benzo, R., Meek, P., Morgan, M., Rutten-van Mölken, M.P.M.H., Ries, A.L, Make, B., Goldstein, R.S, Dowson, C.A., Brozek, J.L., Donner, C.F., Wouters, E.F.M. (2013). An official American Thoracic Society/European Respiratory Society statement: key concepts and advances in pulmonary reha-bilitation. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine;188(8):e13-64. doi:10.1164/rccm.201309-1634ST.
- Weber, M., Raab, A.M., Schmitt, K-U., Büsching, G., Marcin, T., Spielmanns, M., Puhan, M.A., Frei, A. (2024). Efficacy of a digital lifestyle intervention on health-related QUAlity of life in non-small cell Lung Cancer survivors fol-lowing inpatient rehabilitation: protocol of the QUALUCA Swiss multicentre randomised controlled trial. BMJ Open 2024;14(3):e081397. doi:10.1136/bmjopen-2023-081397.
Lebensstil-Interventionen im Fokus
Die Förderung eines gesunden Lebensstils gewinnt zunehmend an Bedeutung bei der Prävention von Krankheiten und bei der Rehabilitation nach Krankheitsfällen. Deshalb veröffentlichen wir an dieser Stelle eine Reihe von Beiträgen zu unserem Forschungsfeld Lebensstil-Interventionen. Auch das Symposium Fokus Gesundheit widmet sich diesem Schwerpunktthema mit ausgewiesenen Fachexpertinnen und Fachexperten.