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Unerfüllter Kinderwunsch – ein Kurs für Gesundheitsfachpersonen greift das Tabuthema auf
06.12.2024 Rebekka Graf startete mit ihrem Wissen aus der Arbeit im Kinderwunschzentrum in den Kurs «Unerfüllter Kinderwunsch – ganzheitlich betreut und begleitet». Das breite Themenspektrum und der Austausch mit Betroffenen, Dozierenden und Kolleg*innen begeisterten sie.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Betreuung von Betroffenen mit unerfülltem Kinderwunsch erfordert Feingefühl und Fachwissen.
- Der Kurs fördert die spezialisierte Rollenentwicklung in den Gesundheitsberufen und stärkt die interprofessionelle Zusammenarbeit.
- Pflegefachfrau Rebekka Graf hat den Kurs absolviert und erzählt im Interview von ihren Eindrücken.
Was hat dich dazu bewogen, den Kurs zu wählen?
Mein Wunsch und meine Herzensangelegenheit ist es, in mittlerer Zukunft meinen Arbeitsplatz zu wechseln, um mit dem im Kurs erlangten Fachwissen Betroffene zu beraten und zu begleiten. Der unerfüllte Kinderwunsch hat mich seit jeher fasziniert und eine intrinsische Motivation in mir geweckt. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Einzelpersonen und Paare Begleitung und Unterstützung bedürfen. Die Betroffenen sind mit unzähligen Unwegsamkeiten konfrontiert, wie z. B. Finanzierungsmöglichkeiten, Akzeptanz am Arbeitsplatz, gesetzliche Grundlagen oder Deckung der Krankenkasse. Dazu können Beeinträchtigungen in der Sexualität kommen, die durch mentalen Druck entstehen, sowie nicht zu unterschätzende Emotions- oder Gefühlsschwankungen wie Trauer, Verlust, Hoffnung und weitere.
Mit welchen Erwartungen bist du in den Kurs gegangen und was war dein Ziel für die Weiterbildung?
Am Anfang stand der Wunsch, mein Know-how aufzubauen und zu erweitern. Das Ziel der Weiterbildung war es, die ersten Schritte für eine professionelle Beratungs- und Begleitungslaufbahn zu erlernen. Dafür wollte ich die Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungsmodelle kennenlernen. Im Weiteren legte ich den Fokus auf zwei Themenschwerpunkte: Einerseits die betroffenen, diagnostizierten Personen als Individuen mit ihrem Umfeld und ihrer Kultur und andererseits die grundsätzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz.
Welche Aspekte des Themas «Unerfüllter Kinderwunsch» interessieren dich besonders und warum?
Vielschichtige Themenfelder weckten mein Interesse bereits Monate vor dem Start dieser Weiterbildung. In meiner bisherigen beruflichen Laufbahn konnte ich ein breites Repertoire an Fachwissen sammeln. Ich wollte jedoch unbedingt den Prozess einer Leihmutterschaft und die rechtlichen Konsequenzen in der Schweiz näher kennenlernen. Unter anderem deshalb, weil sich die Schweizer Gesetzgebung zum Glück zugunsten gleichgeschlechtlicher Paare geändert hat. Allerdings hinkt die Schweiz im internationalen Vergleich mit vergleichbaren Staaten immer noch hinterher. Auf politischer Ebene gibt es trotzdem einen positiven Trend zu verzeichnen.
Zur Person: Rebekka Graf
Rebekka Graf war vier Jahre in Kinderwunschzentren als Pflegefachfrau HF tätig, wo sie zum Beispiel bei Eizellenentnahmen assistierte, mit den Patient*innen per Mail und telefonisch im Austausch war, Blutentnahmen vornahm und verschiedene Instruktionen abgab. Dort packte sie im Kontakt mit Betroffenen die Leidenschaft zum Thema Unerfüllter Kinderwunsch und der Wunsch, sich in diesem Fachgebiet weiterzubilden.
Aktuell arbeitet sie im Kantonsspital Aarau im Kinderchirurgie-Ambulatorium als MPA. Eine Übergangslösung, u.a. aus familienorganisatorischen Gründen, weil ihr Ehemann dreimal die Woche am Abend als Handball-Trainer arbeitet und diese Arbeitsstelle in der näheren Umgebung liegt. Die höhere Flexibilität erlaubt Rebekka an Weiterbildungen teilzunehmen und keine Abenddienste leisten zu müssen.
Erinnerst du dich an ein besonderes Aha-Erlebnis?
Die detaillierte Darstellung der juristischen Auseinandersetzung mit dem Prozess der Leihmutterschaft hat in mir ein tiefes Bewusstsein für die anstrengende Tortur der Betroffenen hervorgerufen. Es bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft in der Schweiz die Umstände und Gegebenheiten lockern und die juristische Einstufung von illegal zu legal vollzogen werden kann. Ebenso muss dem Schutz der Leihmütter in höchstem Grade Sorge getragen werden, um Ausbeutung und Ausnutzung zu verhindern.
Das erweiterte Fachwissen hilft mir, Zusammenhänge besser zu verstehen und Betroffene kompetenter und gezielter zu beraten und zu begleiten.
Wie kannst du dein neues Wissen in der Praxis anwenden?
Da ich aktuell nicht direkt in diesem Fachbereich arbeite, sind es eher Ausnahmesituationen, in denen ich mein erlerntes Wissen konkret anwenden kann. Ich merke jedoch, dass ich sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld immer wieder mit Menschen in Kontakt komme, die direkt mit dem Thema konfrontiert sind. Etwaige Gespräche werden von den Betroffenen als sehr hilfreich empfunden. Das breite Spektrum an angeeignetem Fachwissen ermöglicht es mir, Zusammenhänge besser zu verstehen und somit Betroffene kompetenter und gezielter zu beraten und auf ihrem Weg zu begleiten.
Wie wurde im Kurs praktisch geübt?
Durch den ständigen Austausch und die Diskussionen auf interdisziplinärer Ebene wurden die Inhalte sehr praxisnah vermittelt. Auch die zum Teil selbst betroffenen Dozent*innen und Fachleute hatten einen fundierten und stark praxisorientierten Bildungshintergrund. Auf entsprechende Zustimmung wurden betroffene Kursteilnehmer*innen miteinbezogen und erzählten von ihrer Geschichte und dem Arbeitsalltag mit betroffenen Personen. Das empfand ich als überaus wertvoll. Am letzten Kurstag kamen direkt Betroffene zu uns und erzählten ihre Geschichte. Die zum Teil überwältigenden und tiefgreifenden Inhalte waren für sämtliche Teilnehmenden enorm bewegend.
Es gibt so viele Stellen, an denen man mit Betroffenen zu tun hat – sei es in der Gynäkologie, in Kinderwunschzentren, in der Chirurgie bei Endometriose oder in der Pädiatrie bei Kindsverlust.
Wem würdest du den Kurs besonders empfehlen und warum?
Allen, die sich für das Thema interessieren und in irgendeiner Weise Berührungspunkte mit Betroffenen haben. Es gibt so viele Stellen, wo das der Fall ist. Ich denke da an Pflegefachfrauen in der Gynäkologie, in Kinderwunschzentren, in der Chirurgie wegen des Themas Endometriose oder auch in der Pädiatrie wegen des Themas Kindsverlust.