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«Ein zukunftsträchtiges Betätigungsfeld»

24.01.2025 Das Institut für Baustoffe und biobasierte Materialien boomt: Viele Unternehmen wollen mit ihm nachhaltige Baustoffe und Verfahren entwickeln. Institutsleiter Prof. Dr. Reto Frei und Prof. Dr. Ingo Mayer, Studiengangleiter Master Wood Technology, diskutieren über die steigende Nachfrage im Markt, den in Europa einmaligen Master-Studiengang und verraten, was sie an ihrer Arbeit am meisten fasziniert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Institut entwickelt langlebige Baustoffe, die aus biobasierten Materialien bestehen, recycelbar sind und so Teil des zirkulären Bauens werden.
  • Studierende erhalten eine sehr praxisbezogene Ausbildung mit Erfahrungen in der konkreten Baustoffentwicklung. Credo: Die Öko-Bilanz ist entscheidend.
  • Der Studiengang Master Wood Technology ist in Europa einmalig. Er bietet drei Vertiefungsrichtungen und ist komplett in Englisch, was Studierende aus der ganzen Welt anzieht.

Welche Erkenntnis bei Ihrer Arbeit hat Sie zuletzt am meisten überrascht?

Reto Frei: Eigentlich keine. Ich bin auch nicht überrascht über das grosse Interesse an unserem Institut: Viele Unternehmen und Institutionen wollen mit uns zusammenarbeiten. Biobasierte Materialien sind insbesondere im Baubereich mit seinem enorm grossen CO2-Fussabdruck ein wichtiges und zukunftsträchtiges Thema.
 

Ingo Mayer: Wir haben bereits vor rund zehn Jahren biobasierte Material-Technologien angeboten, nur war damals die Nachfrage im Markt noch längst nicht so gross. Heute sollen die Materialien nicht nur biobasiert sein, sondern insgesamt über eine gute Ökobilanz verfügen, rezyklier-, wiederverwendbar und dauerhaft sein. So geht es in den meisten Projekten unseres Instituts darum, die etablierten ölbasierten Baustoffe zu ersetzen – und zwar mit biobasierten Produkten, die idealerweise aus lokal nachwachsender Biomasse hergestellt werden. Das betrifft Strassenbeläge, Holzoberflächen, Holzwerkstoffe, Klebstoffe und viele weitere Baustoffe.

Prof. Dr. Ingo Mayer, Studiengangleiter Master Wood Technology und Prof. Dr. Reto Frei, Leiter des BFH-Instituts für Baustoffe und biobasierte Materialien
Prof. Dr. Ingo Mayer, Studiengangleiter Master Wood Technology und Prof. Dr. Reto Frei, Leiter des BFH-Instituts für Baustoffe und biobasierte Materialien

Welcher Baustoff oder welche Verfahrenstechnologie fasziniert Sie besonders?

Ingo Mayer: Ich finde es faszinierend, dass Holz mittels kluger Verfahren neue Eigenschaften bekommen kann. Zum Beispiel arbeitet eine unserer Fachgruppen an Verfahren zur Holzverdichtung, mit der Holz eine höhere Leistungsklasse bezüglich Abtrags- oder Kratzbeständigkeit erreicht. Mit einem anderen Verfahren kann man im Holz mineralische Kristalle wachsen lassen, so dass es brand- oder lichtbeständiger wird. Grundsätzlich ist es faszinierend, dass wir Holz-Substanzen verwenden, die ähnliche Aufgaben übernehmen wie im lebenden Baum. Dazu zählen Zellulose, die auch im Baum die Zugfestigkeit sicherstellt, oder die Kittsubstanz Lignin. Wir verwenden auch Bestandteile der Rinde für Pilz-, Brand- oder Bakterienschutz. So können wir Biozide oder Pestizide in Baustoffen überflüssig machen.

 

Reto Frei: Faszinierend ist für mich, dass wir aus Bioraffinerien immer mehr quasi kleine, nachhaltige «Lego-Bausteine» erhalten, mit denen wir dann zum Beispiel neuartige Klebstoffsysteme entwickeln können.

«Gemeinsam mit Unternehmen entwickeln wir neue Produkte mit besserer Öko-Bilanz und machen sie marktfähig.»

Prof. Dr. Reto Frei
Prof. Dr. Reto Frei

Sie haben die vielen Anfragen angesprochen: Welches sind die wichtigsten Dienstleitungen des Instituts?

Reto Frei: Eine der wichtigsten ist eine relativ neue, für die wir auch eine Professur geschaffen haben: Dabei geht es um die genaue Berechnung der Baustoff-Ökobilanzen. Dazu gehören auch die Einsparungen der neuen Stoffe im Vergleich zu jenen, die sie substituieren. Es ist wichtig, dass man die Unterschiede genau quantifizieren kann, auch um dem Trend zum «Greenwashing» entgegentreten zu können. Dieses Feld ist sehr gefragt in der Branche, aber auch in der Ausbildung bei den Studierenden. Wichtig sind auch Prüfdienstleistungen für Klebstoffe, insbesondere im Bereich der tragenden Bauteile. Die Holzbaubranche boomt, weshalb immer neue Bauteile und entsprechende Verklebungen zertifiziert werden müssen.
 

Ingo Mayer: Gefragt sind auch Dienstleistungen im Bereich der Sanierung und Stabilisierung von Fassaden, so dass sie zum Beispiel über eine lange Zeit farbstabil bleiben. Weiter beurteilen wir die Qualität der Innen-Raumluft in jeder Art von bewohnten oder gewerblich genutzten Gebäuden.
 

Reto Frei: Wir gehen zudem viele Forschungs-Kooperationen ein. Grundsätzlich betreiben wir angewandte Forschung und Entwicklung, die eigentlich immer ein implementierbares Produkt oder einen umsetzbaren Prozess zum Ziel hat. Dazu pflegen wir enge Beziehungen zur Branche, etwa zum Verband Holzindustrie Schweiz oder zum Schweizerischen Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS). So bleiben wir am Puls der aktuellen Themen und kommen in Kontakt mit innovativen Firmen. Aus einem Forschungsprojekt ist das Startup Scrimber CSC AG entstanden, das Restholz zu hochwertigem Bauholz verarbeitet. Derzeit geht es um das Etablieren einer industriellen Produktion. Es gibt auch Forschungsprojekte, die Asphalt langlebiger und recycelbar machen wollen. Zudem erforschen wir neue Lacksysteme für Holzfassaden. Gemeinsam mit Unternehmen entwickeln wir neue Produkte und machen sie marktfähig.
 

Ingo Mayer: In meiner Forschungsgruppe gibt es verschiedene Projekte, in denen wir aus der Baumrinde Komponenten extrahieren, um daraus leistungsfähige Klebstoffe herzustellen. Da gibt es schon verschiedene Systeme, die wir patentiert haben.

«Ich finde es faszinierend, dass Holz mittels kluger Verfahren neue Eigenschaften bekommen kann.»

Prof. Dr. Ingo Mayer
Prof. Dr. Ingo Mayer

Wir profitieren Studierende von diesen Forschungstätigkeiten?

Ingo Mayer: Sie erhalten eine sehr praxisnahe Ausbildung, in der sie bereits Erfahrungen in der konkreten Baustoffentwicklung sammeln können. Neben den ganzen holzspezifischen Grundlagen vermitteln wir den Studierenden schon im Bachelor-Studium, dass die Öko-Bilanz für die Anwendung der Produkte entscheidend ist. Sie erhalten ein umfassendes Verständnis für den Werkstoff Holz – nicht nur in den etablierten Formen, sondern auch in jenen, die in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle spielen werden. Zudem ist unser Studiengang Master Wood Technology in Europa einmalig. Er bietet die drei Vertiefungsrichtungen Ingenieurholzbau, Management von Prozessen und Innovationen in biobasierten Baustoffen. Der Studiengang ist komplett in Englisch, was Studierende aus der ganzen Welt anzieht. Das wiederum bereichert unseren Standort, weil so wertvolles Wissen aus anderen Ländern bei uns einfliesst.

Was ist Ihnen in der Weiterbildung wichtig?

Reto Frei: Erwähnenswert ist sicher der MAS Infrastruktur und Verkehr, den wir zusammen mit dem VSS anbieten. In der Schweiz gibt es ein 70 000 Kilometer langes Strassennetz: Das macht das Thema sehr relevant. Hinzu kommt der internationale CAS Wood-Based Panels, an dem Fachpersonen der Holzwerkstoff-Herstellung aus der ganzen Welt teilnehmen. 
 

Ingo Mayer: Die Teilnehmenden profitieren vom fachlichen Input, aber auch vom Austausch untereinander.

Welches ist die wichtigste Zukunfts-Aufgabe des Instituts?

Reto Frei: Wir müssen weiterhin langlebige Baustoffe entwickeln, die aus biobasierten Materialien bestehen, recycelbar sind und so Teil des zirkulären Bauens werden.
 

Ingo Mayer: Im Zentrum steht immer die Frage, wie wir klimaneutral werden können. Dazu gehören auch Herstellungsprozesse, die möglichst wenig Energie brauchen.
 

Reto Frei: Wie eingangs bereits gesagt: Es ist ein sehr zukunftsträchtiges Betätigungsfeld.             

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