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Umweltverantwortungsinitiative: Eine Einordnung aus wissenschaftlicher Sicht

06.01.2025 Aktuell konsumiert die Schweiz 2.5mal mehr Umweltleistungen- und ressourcen als global pro Person effektiv verfügbar sind. Die Umweltverantwortungsinitiative fordert nun eine Umstellung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 9. Februar 2025 stimmt die Schweiz über die Umweltverantwortungsinitiative (UVI) ab.
  • Die Initiative fordert eine Umstellung der Wirtschaft und des Konsums in der Schweiz, um die Lebensgrundlage aller zu schützen.
  • Dieser Artikel ist Teil einer Serie der Berner Fachhochschule, die im Kontext der Umweltverantwortungsinitiative ihre Expertise zum Thema beleuchtet.

Ausgangslage

Die Umweltverantwortungsinitiative fordert eine Umstellung der Wirtschaft und des Konsums in der Schweiz insbesondere in Bezug auf Energieverbrauch, Rohstoffe und Schadstoffausstoss, um die Lebensgrundlage aller zu schützen. Dies erfordert einen grundlegenden Wandel, da die Schweiz aktuell 2.5mal mehr Umweltleistungen- und ressourcen konsumiert als global pro Person effektiv verfügbar sind (BFS 2024).

Die Initiative setzt insofern am richtigen Ort an, als dass sie die Umwelt als System betrachtet. Es bringt nichts, einzig den CO2-Ausstoss in der Produktion zu betrachten. Gerade so wichtig ist es, die Konsumaktivitäten zu berücksichtigen, und neben dem CO2 auch andere Umwelteffekte wie den Verlust der Biodiversität oder den Ausstoss von Stickstoff und Phosphor mit einzubeziehen. Genau hier setzt das Konzept der planetaren Grenzen und auch die Umweltverantwortungsinitiative an.

Einordnung der bisherigen Klimapolitik der Schweiz

Die Schweiz hat in den letzten Jahren viele energieintensive Arbeitsschritte ins Ausland verlagert, ist über den Konsum der entsprechenden Produkte aber letztendlich für die verursachte Umweltbelastung verantwortlich. Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung der CO2-Emissionen pro Kopf, sieht man, dass die Schweiz in der Produktion zwar eine deutliche Reduktion erzielen konnte, diese aber durch den Konsum wieder kompensiert wurden. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz konsumbasiert einen sehr hohen CO2-Ausstoss und konnte diesen in den letzten Jahren auch kaum reduzieren. Dies akzentuiert sich im Vergleich zu anderen westlichen Ländern, die klare Reduktionstrends aufweisen. Selbst die USA, welche für einen hohen pro Kopf Verbrauch steht, weisst mittlerweile nur noch unwesentlich höhere Werte aus als die Schweiz.

Die Schweiz hat klare Klimaziele: bis 2030 sollen ihre Emissionen halbiert, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgas-Emissionen erreicht werden. Hierfür sind verschiedene Massnahmen vorgesehen, wie eine CO2-Abgabe, CO2-Vorschriften für Fahrzeuge oder ein Technologiefonds und aktuell insbesondere CO2-Kompensationen im Ausland. Im Rahmen des revidierten CO2-Gesetzes wurde zuletzt signalisiert, dass der Bundesrat rund einen Drittel des CO2 im Ausland kompensieren will.

Territoriale vs. verbrauchsabhängige CO₂-Emissionen pro Kopf
Die Grafik zeigt die territoriale versus verbrauchsabhängige CO₂-Emissionen pro Kopf in verschiedenen Ländern und Kontinenten.

Betreibt die Schweiz mit ihrer bisherigen Klimapolitik eher Greenwashing?

Greenwashing ist eine Kommunikationsmassnahme, bei der eine Organisation oder Privatperson sich als «grüner» darstellt, als sie eigentlich ist. Gemäss UN-Generalsekretär António Guterres sind solche gut klingenden Klimaschutzversprechen besonders «verwerflich», da sie globale Bemühungen zur nachhaltigen Entwicklung systematisch untergraben.

Eine zentrale Voraussetzung für Greenwashing ist die Intention. Um Greenwashing handelt es sich, wenn CO2-Kompensationen erworben werden, ohne dass dazugehörige Bemühungen zur CO2-Reduktion unternommen werden. Greenwashing adressiert bei der CO2-Reduzierung somit nicht das Kerngeschäft. Die CO2-Reduzierung bleibt Outsourcing, das öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet wird, und verhindert somit im Vornherein jegliche ernstgemeinte Auseinandersetzung mit der Entwicklung eines «grünen» Geschäftsmodells.

Jüngste Regulierungen wie der EU Green Deal der Europäischen Kommission, der ein umfassendes Massnahmenpaket zur Förderung der nachhaltigen Wirtschaft umfasst, macht soziale und ökologische Standards relevant für Unternehmen. Wer diese Vorgaben nicht einhält, wird sanktioniert und aus dem Markt gedrängt.

Was auf Unternehmensebene gilt, gilt auch für die Volkswirtschaft Schweiz. Die Schweiz hat bisher bezüglich CO2-Reduktion noch kaum Fortschritte erzielt und fokussiert stattdessen auf das Outsourcing der CO2-Emissionen. Dies hindert Innovation, die zentral ist für die Ausrichtung der Wirtschaft in Richtung grünere Transformation, und bedroht somit nicht nur längerfristig die Nachhaltigkeit, sondern auch den Wohlstand der Schweiz.

Fazit

Der Bundesrat und eine grosse Mehrheit des Parlaments lehnt die Umweltverantwortungsinitiative ab aufgrund zu grosser Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit und möglicher Nachteile für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Die Initiative mag radikal sein und wir können die vorgeschlagenen Massnahmen und gesetzten Fristen aus wissenschaftlicher Sicht aktuell weder verifizieren noch falsifizieren. Fakt ist aber auch, dass wir mit den bisherigen Massnahmen klar unsere Umweltziele verfehlen werden. Wollen wir diese Ziele auch nur annährend erreichen, müssen wir uns damit abfinden, dass es einen nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft braucht. Alles andere ist Greenwashing und wird nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand der Schweiz gefährden.

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