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Die Theorie in die Praxis übertragen
11.11.2022 Die verschiedenen Module des Master-Studiengangs Ernährung und Diätetik der Berner Fachhochschule bereiten die Studierenden auf eine zukünftige Rolle als Advanced Practice Dietitian vor.
Die Berner Fachhochschule (BFH) hat den Master-Studiengang Ernährung und Diätetik dafür aufgebaut, um die Studierenden auf verschiedene Aufgaben in Ernährungsberatung und -therapie, Lehre, Forschung sowie auf vielfältige Positionen im Gesundheitswesen vorzubereiten. Speziell lag der Fokus jedoch auf der Rolle der Advanced Practice Dietitians (APD).
Möglichkeiten der Spezialisierung
Im Master-Studium liefern professionsspezifische Module die Grundlage einer zukünftigen Tätigkeit als APD. Sie vertiefen Kompetenzen im Bereich des Nutritional Assessments und in der klinischen Ernährung. Forschungsmodule erweitern und vertiefen methodische Forschungskenntnisse und die Statistik. Interprofessionelle Module wie Angewandte Ethik liefern einen wichtigen Beitrag für die ethische Entscheidungsfindung. Durch Wahlpflichtmodule wie z. B. Leadership, Projekt- und Change Management oder interprofessionelle Kommunikation können sich die Studierenden spezifisch in ihrem Interessengebiet weiterbilden. Zudem bietet die Themenwahl für die zwei Transferarbeiten und für die Master-Thesis weitere Möglichkeiten der Spezialisierung. Die Studieninhalte fokussieren auf die Übernahme einer eigenständigen Rolle mit erweitertem Verantwortungs- und Kompetenzbereich.
Professionsspezifisches Advanced-Practice-Dietitian-Modul
Um die Student*innen optimal auf ihre zukünftige Rolle als APD vorzubereiten, hat der Studiengang ein professionsspezifisches AP-Modul entwickelt. Darin setzen sich die Studierenden mit ihrer Berufsidentität, dem Berufsfeld der Ernährungsberatung und gesundheitspolitischen Entwicklungen auseinander. Sie erfassen die Bedeutung von erweiterten Kompetenzprofilen und entwickeln Ideen für deren praktische Umsetzung. Um den Berufsstand innerhalb des Gesundheitssystems besser zu verankern und weiterzuentwickeln, identifizieren sie Massnahmen, um die Kompetenzen der Ernährungsberatung zu erweitern und die Qualität der Leistungen zu stärken. Das übergeordnete Ziel ist es, eine spezifische, innovative Projektidee zur Umsetzung eines APD-Profils in der Praxis zu entwickeln und dessen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung aufzuzeigen. Zusätzlich wird Augenmerk auf die Stärkung der Auftrittskompetenzen gelegt, die in vielfältigen beruflichen Situationen erforderlich sind. Eingebettet in die gesetzlichen Grundlagen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die ökonomischen Überlegungen entwickeln die Student*innen eine Projektidee, die das Berufsfeld der Ernährungsberatung weiterentwickelt. Während ihres Master-Studiums hat beispielsweise Diana Studerus die APD-Rolle am Gastrozentrum der Hirslanden weiterentwickelt.
Advanced Practice in der Gastroenterologie: «Der Nutzen der Rolle ist naheliegend»
Diana Studerus ist Absolventin des Master-Studiengangs Ernährung und Diätetik an der BFH und arbeitet als Advanced Practice Dietitian (APD) am Gastrozentrum der Hirslanden in Zürich:
«Transferleistungen sind oft anspruchsvoll, und das Ausgestalten meiner AP-Rolle stellt mich und das interprofessionelle Team immer wieder vor neue Fragen. Die generelle Finanzierbarkeit der Rolle, die tarifliche Vergütung der AP-Leistungen und die Evaluation des neuen Versorgungsangebots beschäftigen uns dabei am meisten. Wir haben uns trotz dieser Hürden entschieden, am Gastrozentrum der Hirslanden in Zürich eine APD-Rolle zu implementieren. Der Nutzen dieser Rolle ist für uns naheliegend; neu zugewiesene Patient*innen gastroenterologischer Praxen benötigen initial Diagnostik und/oder Therapie («cure»), worauf die fachärztliche Tätigkeit primär fokussiert. Bestimmte Krankheitsbilder wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen benötigen jedoch eher die kontinuierliche Behandlung und Begleitung («care»). Das führt teilweise zu Konflikten in der Terminplanung, mit Wartezeiten für Sprechstundentermine. Hier besteht eine Versorgungslücke, die mit der APD-Rolle geschlossen werden kann. Eine Untersuchung zum Einsatz von APs in gastroenterologischen Praxen zeigt, dass 75% der Wiedervorstellungen nach erfolgter Diagnostik durch APs behandelt werden könnten; insbesondere dringende Termine für etablierte Patient*innen, deren Zustand sich verschlechtert oder bei denen neue Symptome auftreten, können in Delegation übernommen werden, um einen Besuch in der Notaufnahme oder eine stationäre Aufnahme zu vermeiden. Das Angebot von solchen «Notfall-Terminen» wird ein wesentlicher Teil meiner AP-Rolle sein und dabei an der Tätigkeit der Nurse Practitioners anknüpfen. Gleichzeitig wird die Rolle auch Elemente einer Therapieexpertin beinhalten. So bestehen für gastroenterologische Krankheitsbilder mehrere evidenzbasierte ernährungstherapeutische Konzepte, die eine Remission der Erkrankungssituation ermöglichen. Bei Patient*innen, die eine Indikation für die Ernährungstherapie aufweisen, übernehme ich als APD das Fallmanagement, kann u.a. weiterführende Diagnostik (z. B. Atemtests) und Medikamente verordnen. Für beide Tätigkeiten steht mir ein*e Fachärzt*in für Rückfragen im Hintergrund zur Verfügung. Da wir das Kompetenzprofil anhand des Hamric-Modells ausgestalten, wird die APD-Rolle noch andere Kompetenzbereiche aufweisen, die ich hier leider nicht darstellen kann. Eine Übersicht, wie die Patient*innenbetreuung durch diese neue APD-Rolle im Vergleich zur herkömmlichen Ernährungsberatung in der Praxis abläuft, ist in der Grafik zu sehen. Vor allem das erweiterte Kompetenzspektrum beim Assessment, das Fallmanagement, die Verordnungskompetenz und die stärkere interprofessionelle Anbindung zeichnen den Ablauf aus. Der Inhalt aus den beiden AP-Modulen und der Kontakt zu ehemaligen Dozent*innen der BFH unterstützen mich bei der Implementierung der Rolle. Die Möglichkeit der Rückversicherung mit der Hochschule sowie auch mit dem Berufsverband kann ich Berufskolleg*innen sehr empfehlen. Ebenso erachte ich es als wesentlich für das Gelingen der Rolle, dass das interprofessionelle Team meine Kompetenzen genau kennt, die Zusammenarbeit von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist und ich bereits zu Beginn sehr autonom arbeiten konnte. Die Ausgestaltung der Rolle ist also ohne das Zutun eines ganzen Netzwerks von Menschen aus verschiedenen Professionen unmöglich. Menschen, die ich um Rat fragen kann, mit denen ich Ideen entwickeln (und verwerfen) kann, Menschen, die mich ausprobieren lassen und mich befähigen.»