«Der grösste Vorteil des Menschen ist das kritische Denken.»

26.04.2023 Übernehmen bald Roboter unsere Arbeit? Und was ist dann noch unsere Rolle? Was kann der Mensch besser als die Maschine? Sarah Dégallier Rochat, Leiterin des strategischen Themenfelds humane digitale Transformation der BFH, spricht im Interview über mögliche Ängste und Chancen der künstlichen Intelligenz.

Wo können Maschinen den Menschen unterstützen? Und wo braucht die Maschine uns? Das sind zwei der zentralen Fragen im Bereich künstliche Intelligenz (KI) und der Robotik. «Eine KI kann zwar eine Auswahl aus einer riesigen Datenmenge machen, die Entscheidungskompetenzen müssen aber beim Menschen bleiben», erklärt Sarah Dégallier Rochat, Leiterin des strategischen Themenfelds humane digitale Transformation der BFH. «So entsteht eine Zusammenarbeit mit tatsächlichem Mehrwert. Wir nennen diesen Ansatz Augmented Intelligence, im Gegensatz zur bisherigen Artificial Intelligence.»

Es gilt eine Zweiklassengesellschaft zu verhindern

Die Professorin hat gemeinsam mit drei weiteren Forscherinnen und Forschern der BFH ein Positionspapier zu ethischen Fragen rund um künstliche Intelligenz und Robotik verfasst. «Wir wollen damit die Community auf Themen aufmerksam machen, die zurzeit wirklich dringend sind. Viele Artikel fokussieren darauf, dass Roboter Menschen ersetzen und es in ein paar Jahren keine Arbeit mehr gibt. Wir sind der Meinung, dass die neuen Technologien noch nicht in der Lage sind, Menschen zu ersetzen, und dass das in der nahen Zukunft auch so bleibt», erklärt Sarah Dégallier Rochat im Interview mit Spirit, dem Magazin der technischen Disziplinen der Berner Fachhochschule.

Bereits heute sind wir in zahlreichen Situationen mit KI und Robotik konfrontiert – sei es im Umgang mit unseren Haushaltsgeräten, oder bei der Internetrecherche. Es gibt auch immer mehr Arbeitsbereiche, in denen die Maschinen den Menschen teilweise ablösen, oder seine Arbeit entscheidend verändern. Es bestehe die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft: «Die einen können die neuen Technologien verstehen und kontrollieren. Die anderen sind ihnen ausgeliefert und müssen repetitive, schlecht bezahlte Arbeit machen.»

Der Mensch gibt den Daten einen Sinn

Um eine solche Zweiklassengesellschaft in Zukunft zu verhindern, braucht es zwingend eine menschenzentrierte Haltung in der gesamten Technologieentwicklung. «Das heisst, dass die Bedürfnisse der Menschen, ihre Einschränkungen, aber auch ihre Stärken stets mitgedacht werden. Dies ist nicht nur aus ethischen Gründen wichtig, sondern auch weil das Potenzial der neuen Technologien nur voll ausgeschöpft werden kann, wenn sich Mensch und Maschine sinnvoll ergänzen», betont Sarah Dégallier Rochat. Grundsätzlich sei es keine schlechte Idee, einen Algorithmus einzusetzen, um eine grosse Menge von Daten zu verarbeiten, aber, die Entscheidungskompetenzen muss beim Menschen bleiben. «Der grösste Vorteil des Menschen ist das kritische Denken. Eine KI kann eine grosse Menge von Informationen sehr schnell verarbeiten – aber sie kann diesen keinen Sinn geben.»

Portrait von Sarah Dégallier
Sarah Dégallier Rochat, Leiterin des strategischen Themenfelds humane digitale Transformation HDT und Professorin für Mathematik an der BFH im Interview mit Spirit über Chancen und Grenzen der künstlichen Intelligenz.