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Christof Bucher: Er ist der Konsumentenschützer der Solarbranche
02.03.2023 Solarstrom boomt. Simon Thönen von der Zeitung «Der Bund» unterhielt sich mit Christof Bucher, Leiter des Labors für Photovoltaiksysteme an der BFH. In dem spannenden Artikel gibt er Einblick, was im Bereich Photovoltaik an der BFH alles getestet wird, was dafür nötig ist und von welchen Geräten sich Christof Bucher für die Zukunft viel erhofft.
Das Licht der Sonne dringt an diesem strahlend schönen Wintertag nur gedämmt in das Labor, in dem Christof Bucher Solarmodule testet. Zum Beispiel wurden hier an der Berner Fachhochschule (BFH) in Burgdorf vor kurzem Balkon-Solarpanels für die SRF-Sendung «Kassensturz» geprüft. Jene Module also, die man auch als Mieter oder Mieterin an den Balkon hängen und an die Steckdose anschliessen kann.
Ein Bekannter des Journalisten bedauert, dass er diesen Test nicht gesehen hat, bevor er ein Balkonkraftwerk der Firma Autosolar.ch erwarb. Denn die Solaranlage gab ihren Geist rasch auf. Der Test hatte ihr die Gesamtnote «genügend» attestiert, ungenügend schnitt sie aber in der Rubrik technische Mängel ab – so wie vier von sieben getesteten Balkonpanels. Das Problem des Bekannten hat die Firma allerdings inzwischen gelöst. Sie lieferte das nötige Ersatzteil, und seither funktioniert die Anlage.
Es reichen Fehltritte von Solarmonteuren
«Solarmodule sind in der Regel robust», sagt Bucher, der seit 2020 Professor für Fotovoltaiksysteme an der BFH ist. Zerstören könne sie am ehesten Hagel. «Es muss aber schon ein sehr starker Hagelsturm sein», sagt er, «wenn Module kaputtgehen, dann ist weitherum auch keine Autoscheibe mehr intakt.»
Häufiger seien Schäden «aufgrund von nicht sachgerechtem Umgang». Wenn Solarmodule zum Beispiel bei der Lieferung zu hart auf den Boden gestellt werden, können kaum sichtbare Risse entstehen. Solche behindern das Grundprinzip von Solarmodulen: den Fluss von Elektronen, der durch Licht in Gang gesetzt und in Strom umgewandelt wird. Risse kann es auch geben, wenn Solarmonteure auf einem Dach über die Panels laufen.
Das Testen von Solarmodulen, Wechselrichtern und Betriebssoftware ist eine der Kernbeschäftigungen von Bucher und seinem Team. «Wir prüfen praxisnah für die ganze Solarbranche», sagt er. Man könnte ihn als eine Art Konsumentenschützer für alle bezeichnen, die Solaranlagen planen, installieren oder kaufen und betreiben wollen.
Er kooperiert aber auch mit der Branche und Stromkonzernen. So wird er im Solarforschungszentrum auf dem Mont Soleil, das dem Berner Stromkonzern BKW gehört, eine «Fotovoltaik-Benchmark-Anlage» aufbauen, die Langzeittests für Solarmodule aus aller Welt ermöglicht – darunter auch die neuen Module, mit denen die Thuner Firma Meyer Burger nach langem Krebsgang den Durchbruch schaffen will. Seit langem forscht das PV-Labor der BFH auch auf dem Jungfraujoch in einer Höhe von 3500 Metern mit der dortigen Solaranlage.
Die Fotovoltaik hat eine rasante Entwicklung hinter sich. Gegenüber den ältesten Modulen in seinem Labor hat sich die Leistung inzwischen mehr als verdoppelt. Heute wandeln die am weitesten verbreiteten monokristallinen Module 20 bis 22 Prozent des Sonnenlichts in Strom um. «Ein bisschen mehr liegt mit der heutigen Technologie noch drin, aber nicht sehr viel», sagt Bucher.
Die Kästchen für den Atomausstieg
Für das PV-Labor bedeutet dies, dass neben punktuellen Verbesserungen bei den Modulen das technische Drumherum ins Zentrum rückt – und die grosse Frage, wie künftig riesige Mengen von Solarstrom in die Stromversorgung eingepasst werden kann. Für Bucher ist beides mit den Wechselrichtern verknüpft. Ihre Hauptfunktion ist, den Gleichstrom, den Solaranlagen produzieren, in Wechselstrom umzuwandeln, der im Stromnetz verwendet wird.
Doch die unscheinbaren Kästen, die im PV-Labor ebenfalls getestet werden, können viel mehr, sagt Bucher: «Sie sind ein Schlüsselelement, um Atomkraftwerke zu ersetzen.» Kleine Kästen statt grosser AKW? Das ist stark zugespitzt. Nüchterner betrachtet geht es um Lösungen für ein Grundproblem des Solarstroms: Er fällt an, wenn Sonnenlicht vorhanden ist. Manchmal gibt es zu wenig davon – oder auch zu viel.
Letzteres kann zu einer Überlastung des lokalen Stromnetzes führen. Es gibt diverse Optionen, um dies zu verhindern. Batterien etwa oder natürlich der Ausbau der lokalen Stromnetze. Das Team von Bucher erforscht eine weitere Möglichkeit. Dies in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Stromkonzern Groupe E, der möglichst ohne Netzausbau sehr viel mehr Solarstrom ins Netz integrieren will.
Die Wechselrichter von Solaranlagen sollen so eingestellt werden, dass die Leistung der Solaranlagen automatisch gedrosselt wird, falls eine Überlastung des lokalen Netzes droht. «Wir reden von seltenen Situationen, vielleicht zehn Stunden im Jahr, etwa wenn an einem Sommertag in einem Quartier viele Leute in den Ferien sind», sagt Bucher. Der Verlust für die Solarstromproduzenten werde sich also in engen Grenzen halten. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, «erste Ergebnisse sind vielversprechend», so Bucher.
«Stromkonzerne noch in alter Welt»
Noch gibt es in der Schweiz zu wenig Solarstrom, um grössere Netzüberlastungen zu verursachen. Nicht selten sind aber Fälle, in denen die Verteilnetzbetreiber Solaranlagen erst mit grosser Verzögerung anschliessen. «Sie leben noch in der alten Welt, in der Strom zentral produziert und dann zu den Verbrauchern verteilt wurde», sagt Bucher. Dass Verbraucher auch selbst Strom produzieren, sei eine gewaltige Herausforderung für sie. «Ich wünschte mir aber», so Bucher, «dass sie den Wandel kreativer und schneller gestalten.»
Das andere Problem ist, dass die Solarenergie zu wenig Strom im Winterhalbjahr liefert – jedenfalls auf den Dächern des Mittellandes. Allerdings: In einem wichtigen Punkt schneiden sie gut ab. Im April und Mai, wenn die Stauseen fast leer sind, produzieren Solaranlagen auch auf den Dächern des Flachlandes bereits wieder fast auf dem Maximalstand, wie eine Potenzialabschätzung von Bucher zeigt.
Das Rückgrat der Energiewende
Steigern lässt sich der Winterstromanteil mit Solarkraftwerken in den Bergen – und im Mittelland mit solchen an Hausfassaden, die die flache Wintersonne nutzen. Man werde aber zusätzlich Wind- und Wasserkraftwerke brauchen – und saisonale Speicher, «etwa indem man im Sommer mit überschüssigem Strom Wasserstoff produziert». Eine weitere Herausforderung.
Doch für Bucher ist klar, dass die Fotovoltaik das Rückgrat der Energiewende ist. «Sie hat den geringsten ökologischen Fussabdruck, ist kostengünstig, und sie ist die einzige Technologie zur Stromerzeugung, die in der Schweiz in grossen Mengen und rasch neu gebaut werden kann.»