Forschen für den Mathematik-Unterricht

17.01.2024 Dank einer finanziellen Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds kann die BFH Wirtschaft derzeit Prof. Dr. Etienne Temgoua als Gastforschenden willkommen heissen: Vom September 2023 bis Januar 2024 arbeitet er bei uns zusammen mit Prof. Dr. Leonard Kwuida an Kongruenzen und Spektraltheorie von doppelten Booleschen Algebren.

Etienne, was ist der Inhalt deiner Forschungsarbeit?

 Wir untersuchen die Negation auf formalen Begriffen sowie einige daraus entstandenen Strukturen: die Algebra der Proto-Begriffen und die doppelten Booleschen Algebren.

Welche Vorteile hat es für dich an der BFH Wirtschaft zu forschen?  

Die Zusammenarbeit mit Leonard bringt meine Forschung und die Fertigstellung der Abschlussarbeiten meiner Studierenden in diesem Bereich voran. Zudem eröffnet es mir neue Forschungsfelder. An der BFH Wirtschaft komme ich auch mit bestimmten Anwendungen der Mathematik in Kontakt. Durch meine Teilnahme an der COST-Konferenz konnte ich hautnah die Anwendung von künstlicher Intelligenz im Finanzbereich erleben. Diese Erfahrung ermöglicht es mir nicht nur, der breiten Öffentlichkeit in Kamerun zu vermitteln, dass Mathematik im Alltag nützlich ist, sondern auch junge Menschen zu motivieren, sich vermehrt für Mathematik zu begeistern.

Eine der grössten Herausforderungen der Mathematik ist es, zur Entwicklung beizutragen, indem sie Lösungen für bestimmte Probleme des täglichen Lebens anbietet, die auf mathematischen Modellen basieren.

Prof. Dr. Etienne Temgoua
Prof. Dr. Etienne Temgoua

Was sind die grössten Herausforderungen in der Forschung und im täglichen Leben?

Zwei Aspekte sind besonders herausfordernd: Im theoretischen Bereich möchten wir zur Weiterentwicklung der Wissenschaft beitragen, indem wir Lösungsansätze für noch offene Probleme in diesem Bereich liefern. Auf praktischer Ebene möchten wir einige Präzisierungen im Bereich der Informationsverarbeitung vornehmen, um die Entscheidungsfindung für den einen oder anderen zu erleichtern. Eine der grössten Herausforderungen der Mathematik ist es, zur Entwicklung beizutragen, indem sie Lösungen für bestimmte Probleme des täglichen Lebens anbietet, die auf mathematischen Modellen basieren.

Eine grosse Herausforderung für mich ist die Verfügbarkeit meines Kollegen Leonard, der seinen akademischen Zeitplan mit seiner Familie in Einklang bringen muss. Ich muss also flexibel sein, um zwischen zwei Vorlesungen und familiären Verpflichtungen für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen. Im Alltag wären Deutschkenntnisse von Vorteil. Abgesehen von Leonard und einigen Kolleg*innen an der Universität Bern gibt es nicht viele Leute, mit denen man sich über unser Thema austauschen kann.

Etienne, wie erlebst du die BFH Wirtschaft und Bern?

Ich schätze die Freundlichkeit im Departement sehr. Gespräche mit Arbeitskolleg*innen helfen mir bei der Integration und ich kann von deren Erfahrungen zu lernen. Das Umfeld hier ist nicht nur gut für die Forschung, sondern auch für meine persönliche Entwicklung. Ich geniesse den minutengenauen Ablauf an Veranstaltungen. Es ist, als gäbe es nie etwas Unvorhergesehenes.

Ich habe den Eindruck, dass es keine Hierarchie gibt. Wenn ich Leute auf dem Campus treffe, weiss ich nicht wer Dozent*in oder Student*in ist. Alle duzen sich. Ich kann mich an jeden freien Schreibtisch setzen. In der Gemeinschaftsküche gibt es immer Obst, Tee und Kaffee. Die Interaktion zwischen den Menschen ist angenehm. Man grüsst höflich und spricht mich auf Französisch an, um die Kommunikation zu erleichtern. Die Stadt und die Natur sind gleichzeitig präsent. 

Mit der Familie meines Gastgebers spielte ich eine lockere Partie Frisbee auf dem Gurten und Minigolf. Das Amüsanteste war, dass die Eltern beim Spiel mitmachten und von ihren Kindern geschlagen wurden. Die Kinder freuten sich sehr darüber, ihre Eltern zu schlagen. Alle waren zufrieden, unabhängig davon, ob sie gewonnen hatten oder nicht. 

Gewöhnungsbedürftig ist für mich das Essen, es unterscheidet sich stark vom Essen in Kamerun. Oft orientiere ich mich an den Bestellungen anderer oder an Bildern. Der öffentliche Verkehr ist zuverlässig, pünktlich und komfortabel. Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind für mich sehr hoch.

Schwierig ist für mich die Bürokratie: Verwaltungsverfahren sind kompliziert und zeitaufwendig.  Bei gefühlt jedem Schritt müssen die Geburtsdaten der Familienmitglieder sowie das Hochzeitsdatum angeben werden. Ich wusste nicht, dass es so lange dauern würde, um Zugang zur versprochenen Finanzierung zu bekommen. An dieser Stelle möchte ich möchte mich bei allen bedanken, die sich für den Erfolg des Verfahrens eingesetzt haben. Auch meinem Gastgeber möchte ich danken, der sich bemüht hat, meinen Aufenthalt vorzufinanzieren. Die Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung ist sehr kompliziert. Man muss sich bei der Gemeinde registrieren, auf einen Termin für das biometrische Foto warten und dann darauf warten, dass die Gemeinde einem mitteilt, dass die Genehmigung verfügbar ist. Ohne Ausweis kann ich kein Bankkonto eröffnen.

Was waren für dich die überraschendsten Erlebnisse in der Schweiz?

  • Die Verteilung von Schokolade an die COST-Konferenz-Teilnehmenden
  • Bundesrät*innen, die ohne Bodyguard durch die Stadt spazieren
  • Die Benachrichtigung, dass ein BFH-Konto, welches erst vor zwei Wochen eröffnet wurde, in zwei Monaten geschlossen wird
  • Die unglaubliche Konzentration von Jugendlichen, wenn sie sich mit Freunden unterhalten - sie lassen sich von nichts beeindrucken
  • Der Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Bern, ohne Blockade der ganzen Stadt
Etienne Temgoua und Leonard Kwuida
Etienne Temgoua (links) und Leonard Kwuida (rechts)