Im Tandem zur Beleghebamme – oder: Wie der Einstieg als Beleghebamme direkt ab Diplom gelingen kann

28.03.2023 Das Beleghebammensystem im Spital Frutigen ist sehr beliebt und überregional bekannt. In einem Pilotprojekt prüfte die Spitäler fmi AG, wie es gelingen kann, auch frisch diplomierte Hebammen in das System einzuführen. Eines kann vorweg gesagt werden: Das Projekt war ein voller Erfolg.

Tandem Jana Sarina
Im Tandem zur Beleghebamme: Sarina Ottersberg und Jana Joller arbeiteten im Rotationsmodell.

Die Spitäler fmi AG suchte 2019 für beide Spitalstandorte diplomierte Hebammen. Auf die Ausschreibung bewarben sich ausschliesslich neu diplomierte Hebammen BSc, ohne die zweijährige Berufserfahrung, die es benötigt, um als Beleghebamme tätig zu sein. Im Bewerbungsprozess äusserten die Hebammen Bedenken, gleich nach Studienabschluss die volle Verantwortung als Beleghebamme tragen zu wollen bzw. zu können.

Dies veranlasste die Verantwortlichen der Spitäler fmi AG ein Rotationsmodell zur Einführung von neu diplomierten Hebammen in der Funktion als Beleghebamme zu entwickeln: Das Modell wurde mit den beiden Hebammenteams der Standorte Interlaken und Frutigen, der Pflegedirektorin, den fachärztlichen Diensten und der Geschäftsleitung konkretisiert. Zielsetzung war, den neu diplomierten Hebammen eine Basis zu schaffen, die ihnen die Tätigkeit als Beleghebamme innerhalb eines fachlich und wirtschaftlich abgesicherten Rahmens ermöglicht. So wurde den neu diplomierten Hebammen während der Pilotphase eine Anstellung mit einem fixen Lohn und eine erfahrene Beleghebamme im Pikett-Dienst als Ansprechperson zugesichert. Den Beleghebammen wurde der Pikett-Dienst finanziell vergütet.

Schliesslich liessen sich zwei neu diplomierte Hebammen für dieses Rotationsmodell begeistern.

Ein Rotationsmodell – zwei Hebammen im Tandem

Das Rotationsmodell basiert auf einem wechselnden Einsatz der beiden neu diplomierten Hebammen an beiden Standorten. Die Einarbeitung erfolgte am Standort Interlaken durch die Spitalhebammen und in Frutigen mit den Beleghebammen. Ein Vorteil war, dass eine der neu diplomierten Hebammen schon während ihres Studiums zehn Wochen im Beleghebammenteam Frutigen ausgebildet wurde. Sie startete daher ihre Arbeitstätigkeit in Frutigen. Ein erster Wechsel im Rotationsmodell erfolgte nach sechs Monaten, die nächsten jeweils nach weiteren drei Monaten.

Die werdenden Eltern wurden beim Erstgespräch, bei dem beide neu diplomierten Hebammen anwesend waren, über das Rotationsmodell informiert. Sofern die werdenden Eltern mit dem Modell einverstanden waren, wurden sie – mit einer erfahrenen Beleghebamme im Hintergrund - vom Tandem der beiden jungen Hebammen begleitet. Um Kontinuität zu gewährleisten, betreuten die beiden Hebammen die Familien im Wechsel.

Jana und Sarina und Lidije
Das Tandem Jana Joller und Sarina Ottersberg wird von der erfahrenen Beleghebamme Lidije Berisha betreut.

Spital- oder Beleghebamme: Was ist der Unterschied?

Werdende Eltern können an den fmi-Spitälern Interlaken und Frutigen für die Zeit der Schwangerschaft, Geburt und des Wochenbettes zwischen zwei Betreuungsmodellen wählen. Während am Spital Interlaken Spitalhebammen sowie Beleghebammen tätig sind, arbeitet im Spital Frutigen ein Team, das ausschliesslich aus Beleghebammen besteht.

Spitalhebammen sind von der Spitäler fmi AG angestellt und arbeiten innerhalb der Geburten- und Wochenbettabteilung in der Regel im Schichtbetrieb.

Beleghebammen sind hingegen selbständig erwerbende Hebammen, die Frauen, Paare und deren Familien während der ganzen Phase der Perinatalzeit betreuen. Die Beleghebamme begleitet die Geburt im Spital und hat hierzu einen entsprechenden Beleghebammenvertrag mit der Spitäler fmi AG. Für die Zeit rund um die Geburt leistet die Beleghebamme Pikett-Dienst.

Begeisterung von allen Involvierten

Beide Hebammen haben die Begleitung durch eine erfahrene Beleghebamme als sehr wertvoll erlebt:

«In den ersten Monaten als Beleg-Hebamme hatte ich für alle <meine> Klientinnen eine Beleghebamme im Pikett-Dienst, welche ich jederzeit bei Fragen kontaktieren oder auch für die Geburt hinzuziehen durfte. Dieses Angebot habe ich am Anfang bewusst genutzt, da es mir grosse Sicherheit gab. [...] Und nach ein paar Monaten habe ich tatsächlich gemerkt, dass ich es nicht mehr brauche.»
 

«Es war enorm hilfreich, dass ich so viele erfahrene Beleghebammen um mich hatte. [...] Würde ich nochmals als Beleghebamme starten, würde ich dies gerne von Anfang an im Tandem machen. Wenn man zu zweit für die Klientinnen zuständig ist, hat man nebst den regelmässig freien Tagen auch eine weitere Hebamme im Boot, welche die Klientinnen kennt und somit kann man sich auch immer wieder fachlich austauschen und gegenseitig beraten.»


Nach Abschluss der Pilotzeit begannen die beiden Hebammen grundsätzlich im Tandem zu arbeiten, um sich gegenseitig abzulösen. Dies ermöglichte ihnen eine bessere «Work-Life-Balance».

Die Beleghebamme, die die beiden frisch diplomierten Hebammen im Pilotprojekt begleitet hatte, sagte dazu:

«Ab und zu <richtig Frei> zu haben, ohne das Handy in der Nähe und ohne schlechtes Gewissen, will gelernt sein»… «Rückwirkend war das Modell aus meiner Sicht ein voller Erfolg. Natürlich vor allem dank der Offenheit und der Bereitschaft der beiden jungen Hebammen. Es ist uns gelungen, an einem Strang zu ziehen und … dieses Projekt als Erfolgsprojekt abschliessen zu können.»


Dank der geschaffenen Rahmenbedingungen, aber auch der Unterstützung von allen Beteiligten, konnte der Hebammennachwuchs bei der Spitäler fmi AG gesichert werden, wie die Pflegedirektorin bestätigte:

«Wir konnten unsere Geburtshilfe an beiden Standorten sichern und [...] weiterentwickeln. Eine Erfolgsgeschichte in jeder Hinsicht».


Beide Hebammen sind mittlerweile seit mehr als zwei Jahren ausschliesslich als Beleghebammen am Spital Frutigen tätig, was in Zeiten des Fachkräftemangels besonders wertvoll ist (Lobsiger und Liechti, 2021). In der Zwischenzeit konnte auch am Standort Interlaken das System «Beleghebammen» gefestigt werden.

Literaturverzeichnis

  • Lobsiger, M., & Liechti, D. (2021). Berufsaustritte und Bestand von Gesundheitspersonal in der Schweiz. Neuchâtel Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan).

Die Autorinnen

Sigrid Kretschmar

Sigrid Kretzschmar

Dipl. Hebamme, Studentin MSc Hebamme
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Berner Fachhochschule
Departement Gesundheit
sigird.kretzschmar@bfh.ch

Flavia Lüthi-Ferrari

Flavia Lüthi-Ferrari

Pflegefachfrau, MHA
Pflegedirektorin Spitäler fmi AG
flavia.luethi@spitalfmi.ch

Katharina Tritten

Katharina Tritten Schwarz

Dipl. Hebamme, Master of Public Health
Ressortverantwortliche Praxisausbildung & Dozentin Bachelor-Studiengang Hebamme
Berner Fachhochschule
Departement Gesundheit
katharina.tritten@bfh.ch
 

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