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«Wir setzen auf Mehrwert bei der Digitalisierung. Sie ist kein Selbstzweck»
02.12.2024 Prof. Katharina Lindenberg, Leiterin des Instituts für digitale Bau- und Holzwirtschaft an der BFH, und Prof. Stefan Jack, Dozent für Maschinen-, Verfahrens- und Fertigungstechnik an der BFH, sind sich einig, dass Digitalisierung nur dann erfolgreich ist, wenn der Mensch im Zentrum steht. Ein Gespräch über eine Branche im Umbruch.
Ist die Schweizer Bau- und Holzwirtschaft bezüglich Digitalisierung gut aufgestellt?
Katharina Lindenberg: Grundlage der Digitalisierung in der Baubranche ist das 3D-Modell. Erst damit können Datendurchgängigkeit, Metainformationen und Automatisierung eine Rolle spielen. Die Holzbranche ist diesbezüglich schon sehr weit. Das hat auch historische Gründe, weil Zimmerei- und Schreinerei-Betriebe immer dreidimensional gedacht und geplant haben. Beim hohen Vorfertigungsgrad und der Durchgängigkeit der Daten kann der Holzbau beispielhaft sein für andere Baubranchen. Die meisten kleineren Betriebe haben einzelne Schritte digitalisiert, zögern jedoch, die gesamte Produktionskette umzubauen.
Stefan Jack: Die Branche ist im Umbruch und im Schnitt bezüglich Digitalisierung gar nicht schlecht aufgestellt. Die grössten Treiber sind Ökologie und Nachhaltigkeit, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, kürzere und flexible Arbeitszeiten und der Kostendruck. Die grossen Firmen mit über 50 Mitarbeitenden sind häufig hochautomatisiert.
Ihr Institut begleitet und unterstützt die Branche beim digitalen Transformationsprozess. Welchen Beitrag leisten Sie in der Aus- und Weiterbildung?
Katharina Lindenberg: Den angehenden Architekt*innen, Holztechniker*innen und Bauingenieur*innen vermitteln wir das nötige digitale Know-how in Planung und Produktion. Dieses Wissen konsolidieren sie, indem sie es während des Studiums in interdisziplinären Projekten anwenden. Dabei werden auch Kommunikation, zielorientiertes Arbeiten und das eigene Rollenbewusstsein geschult. Damit tragen wir zum Kulturtransfer zwischen den Disziplinen bei, welcher unerlässlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist.
Stefan Jack: Die digitalen Technologien ziehen sich wie ein roter Faden durch die ganzen sechs Semester der Bachelor-Ausbildung: Das beginnt bei den Produktionsgrundlagen, führt über die spezifischen Applikationen etwa beim Innenausbau oder bei der Logistik und endet bei der «Smart factory» im letzten Semester. Zudem führen Student*innen immer wieder konkrete Projekte in Betrieben durch und sammeln dabei Praxiserfahrungen. Die Unternehmen kommen mit konkreten Fragestellungen auf uns zu und erhalten durch die studentischen Arbeiten oder ganze Forschungsprojekte herstellerunabhängige Konzepte. Und wir können diese Ergebnisse aus der Praxis wieder in die Lehre einfliessen lassen.
«Architekt*innen, Holztechniker*innen und Bauingenieur*innen vermitteln wir das nötige digitale Know-how in Planung und Produktion.»
Können Sie konkrete Projekte nennen?
Stefan Jack: Die Herstellung von Möbelkomponenten und Holzhauselementen ist in vielen Schweizer KMU zu einem grossen Teil automatisiert. Allerdings speichern alle dazu nötigen Systeme die Daten in eigenen, voneinander getrennten Dateien oder Datenbanken. In einem Projekt entwerfen und implementieren wir nun eine Businessintegrations-Plattform, welche die dazu nötigen Prozesse entlang der Wertschöpfungskette und firmenübergreifend automatisiert. So wird die Vernetzung der Produkte verschiedenster Hersteller einfach und effizient möglich.
Katharina Lindenberg: Zusammen mit einem deutschen und einem Schweizer Betrieb haben wir gerade ein Projekt gestartet, in dem wir untersuchen, wie mehrere kleine Holzverarbeitungsunternehmen mit ihren jeweiligen Produkten und Systemen in einem grösseren Projekt zusammenarbeiten können. Das ist wichtig für unsere fragmentierte Holzbranche mit vielen kleinen Betrieben, die so wettbewerbsfähig bleiben.
Stefan Jack: Für uns ist es sehr erfreulich zu sehen, wie gut die Studierenden die theoretischen Konzepte, die sie bei uns erhalten, in der Praxis anwenden können. Natürlich haben sie jeweils Detailfragen in der konkreten Umsetzung. Aber sie wissen, wie sie grundsätzlich vorgehen müssen. Viele bleiben dann auch in jenen Betrieben, in denen sie ihr Praktikum absolviert haben.
«Es ist erfreulich, wie gut die Studierenden in der Praxis zurechtkommen.»
Welche Werte wollen Sie den Studierenden mitgeben?
Katharina Lindenberg: Dass interdisziplinäre Zusammenarbeit die Grundlage aller erfolgreichen Projekte ist. Und dass beim Planen das Wissen um die Produktion entscheidend ist. Nur so lassen sich Effizienz und Nachhaltigkeit erreichen. Im Zentrum steht die Zielsetzung: Welche konkreten Bedürfnisse haben die Nutzer*innen des Gebäudes, das wir planen? Und welche Materialsysteme und Herstellungsmethoden sollen zur Anwendung kommen?
Stefan Jack: Bei allen Digitalisierungslösungen muss der Mensch im Zentrum stehen. Wir müssen alle Mitarbeitenden sorgfältig an neue Produktionsprozesse heranführen. Wir vermitteln den Studierenden, dass sie sich in die betroffenen Mitarbeitenden einfühlen und ihre Ängste ernst nehmen. Nur wenn sie sich mit den Neuerungen identifizieren, lassen sich digitale Lösungen erfolgreich implementieren. Dazu gehört auch, dass die Arbeitsplatz-Ergonomie bereits beim Entwickeln der Lösung berücksichtigt wird.
«Bei allen Digitalisierungslösungen muss der Mensch im Zentrum stehen.»
Mit welchen Dienstleistungen unterstützt das Institut die Betriebe beim Transformationsprozess?
Stefan Jack: Uns ist es wichtig, dass wir zuerst mit unserer Fachgruppe «Unternehmensführung und Marktforschung» die Strategie des jeweiligen Betriebs verstehen. Es geht nicht um Digitalisierung um jeden Preis. Erst wenn wir eine passende Strategie gefunden haben, machen sich die beiden anderen Fachgruppen «Integrale Bau- und Planungsprozesse» und «Digitale Fertigung» an die Umsetzung. Dieses Vorgehen ist einzigartig.
Katharina Lindenberg: Wir zeigen den Betrieben den konkreten Nutzen der Digitalisierung auf. Wenn man Investitionen sorgfältig prüft und vorbereitet, hat man auch nachhaltigen Erfolg. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Betrieb, der denkmalgeschützte Fenster restauriert. Die Fachgruppe «Digitale Fertigung» hat dazu einen robotergestützten Prozess entwickelt, mit dem man das schneller und gesünder machen kann, weil der Kitt der Fenster oftmals mit Asbest verseucht ist. Wir setzen auf Mehrwert bei der Digitalisierung. Sie ist kein Selbstzweck.
Stefan Jack: Im Projekt «Plattform Wald & Holz 4.0» haben wir zusammen mit 40 Unternehmen, fünf Kantonen und sechs Branchenverbänden die digitale Transformation der Wald- und Holzbranche vorangetrieben. In acht Teilprojekten wurden entsprechende Hilfsmittel und Handlungsempfehlungen entwickelt.
Wie beeinflusst der Ansatz des zirkulären Bauens die digitale Transformation?
Katharina Lindenberg: Wie alle Nachhaltigkeitskonzepte ist Zirkularität ein wichtiger Treiber für die Digitalisierung. Konzepte der Zirkularität lassen sich ohne digitale Strategien nur schwer umsetzen. Die Verfügbarkeit der Ressourcen an den Anfang der Planung zu setzen, erfordert ein Umdenken. Computerbasierte Methoden helfen in diesem Prozess. Auch der ökologische Impact eines Projektes bis zur Wiederverwertung lässt sich nur mit digitalen Hilfsmitteln abschätzen.
«Konzepte der Zirkularität lassen sich ohne digitale Strategien nur schwer umsetzen.»