«Mut zur Lücke macht Agrarpolitik einfacher»

20.06.2024 Der Ruf nach Vereinfachung in der Agrarpolitik wird immer lauter, das Spielfeld aber immer grösser. Wie kann das funktionieren? Welche Ideen könnten das Direktzahlungssystem, ja die Agrarpolitik vereinfachen? Diese Fragen werden am Agrarpolitik Forum 2024 diskutiert.

Hansjürg Jäger
Hansjürg Jäger ist neu für die Organisation des Schweizer Agrarpolitik Forums zuständig. Foto: ZVG

Hansjürg Jäger, die Agrarpolitik soll ab 2030 stärker auf das Ernährungssystem, die Branchenverantwortung und den nachhaltigen Handel ausgerichtet werden – was bedeutet das konkret?

Hansjürg Jäger: Diese neue Ausrichtung basiert auf der Erkenntnis, dass die bisherigen Massnahmen in Bezug auf den Klimawandel, die Biodiversität, aber auch die Gesundheit durch Politik, die jeweils nur auf einen Sektor bezieht, nur unzureichende Resultate liefern. Wenn man das Spielfeld erweitert, können der Bund und die Land- und Ernährungswirtschaft ihre Aktivitäten für Ressourcen- und Klimaschutz, zur Stärkung der Ernährungssicherheit aber auch zur Digitalisierung aufeinander abstimmen – und zwar vom Feld bis auf den Teller.

Gleichzeitig soll der administrative Aufwand verringert werden. Wie realistisch ist dieses Vorhaben?

Auf Bundesebene gibt es Potenzial – etwa durch die Reduktion von Doppelerfassungen wie beispielweise bei den Basisdaten eines Betriebs und durch schlanke Kontroll- und Vollzugsrichtlinien. Zu Bedenken ist, dass der Bund nicht der einzige Treiber der Komplexität ist. Auch private Standards von Unternehmen oder von Branchenorganisationen schaffen zusätzlichen Aufwand im Büro. Wie weit eine Vereinfachung möglich ist, lässt sich schwer sagen, weil die administrativen Vorgaben an die Landwirtschaft nicht nur auf Bundesebene bestehen, sondern jedes einzelne Label wiederum eigene Richtlinien vorgibt. Zentral ist, dass alle Beteiligten Mut zur Lücke bekennen und nicht jedes Detail geregelt haben wollen. Auch das ist ein Aspekt der Selbstverantwortung.

Ein weiteres Ziel ist, die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven für die Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Was kann in diesen Bereichen erwartet werden?

Eine einheitlichere Politik, die einfacher anwendbar ist und zu mehr Verständnis für die grösseren Zusammenhänge führt. Zudem mehr Eigenverantwortung für die Marktakteure, was jedoch auch mit Arbeit für alle Akteure in der Land- und Ernährungswirtschaft einher geht. Es geht dabei darum, gemeinsam Mehrwerte zu schaffen und in Wert zu setzen, die Margen fair zu verteilen und gemeinsam für die Konsumentinnen und Konsumenten gute Angebote zu schaffen. Beurteilt werden könnte diese Entwicklung zum Beispiel durch den Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft.»

Zur Person

Hansjürg Jäger ist seit Februar 2024 Dozent für Agrarpolitik und Agrarmärkte an der BFH-HAFL und für die Organisation des Schweizer Agrarpolitik Forums zuständig.

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