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Neue Impulse für eine nachhaltige Baukultur
27.02.2024 Bauen muss umweltverträglicher werden, damit die Klima- und Nachhaltigkeitsziele erreichbar bleiben. Wer Holz und Lehm an Stelle von Beton und Stahl verwendet und alte Industriebrachen umnutzt anstatt abreisst, leistet einen wichtigen Beitrag. Im Rahmen von zwei Innosuisse-Flagship-Projekten entwickelt die BFH neue Lösungen für den Gebäudesektor.
Während Jahrtausenden baute die Menschheit mit natürlichen Materialien wie Holz, Stein oder Lehm. Häuser wurden immer wieder umgebaut und den Bedürfnissen angepasst. Abreissen und neu bauen blieb die Ausnahme. Dies änderte sich erst in der Neuzeit mit dem rasanten Bevölkerungswachstum, der modernen Stadtplanung sowie dem Aufkommen neuer Baumaterialen grundlegend. Über den ökologischen Fussabdruck der vermeintlich unbeschränkt vorhandenen Baumaterialien Beton und Stahl machte sich lange niemand Gedanken.
Heute ist der Gebäudesektor als einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen stark gefordert. Mit dem Klimawandel und der zunehmenden Ressourcenknappheit erhalten traditionelle Baumethoden und -stoffe wieder mehr Aufmerksamkeit. Bauen im Bestand sowie vermehrter Einsatz von natürlichen Baumaterialien tragen dazu bei, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und Ressourcen zu schonen. Gefragt sind nun Technologien und Geschäftsmodelle, um den Wandel zu beschleunigen. Hier setzen die zwei von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse finanzierten Flagship-Projekte «Think Earth – Regeneratives Bauen» und «SwissRenov» an. Dabei arbeiten jeweils mehrere akademische Institutionen mit Partnern aus der Wirtschaft zusammen. Mit dabei ist auch das Departement Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule BFH.
Gesucht: klimafitter Holz-Lehm-Hybridbau
Holz wächst nach und bindet CO2, lässt sich zu stabilen Konstruktionen zusammenbauen, hat aber beschränkte Qualitäten als thermische Speichermasse. Lehm ist weltweit im Überfluss vorhanden, wirkt temperatur- und feuchtigkeitsausgleichend, eignet sich aber kaum für tragende Gebäudeelemente. Warum also nicht die Stärken beider Materialien kombinieren, damit sich ihre Schwächen aufheben? Genau das ist die Absicht von «Think Earth». Gesucht wird ein Verfahren, um zeitgemässe Holz-Lehm-Hybridbauten zu ermöglichen, die punkto Nachhaltigkeit der Massivbauweise mit Beton und Stahl überlegen sind. Dazu müssten noch zahlreiche Fragen geklärt werden, sagt Dr. Heiko Thömen vom Institut für Baustoffe und biobasierte Materialien der BFH: «Das Vorhaben ist in zehn Teilprojekte aufgeteilt, in denen die beteiligten Institutionen in ihren jeweiligen Fachgebieten arbeiten – einige im Bereich Lehmbau, andere wie die BFH im Bereich Holz und dritte im Hybridbau. Entscheidend ist, dass sich alle Partner austauschen und die Puzzleteile zu einem grossen Ganzen zusammenfügen.»
Die BFH ist insbesondere in zwei Teilprojekten aktiv. Das Team von Dr. Steffen Franke, Professor für Holzbau und Statik, befasst sich mit der Frage, wie man heute mit Holz und Lehm bauen soll, damit das Holz beim späteren Rückbau des Hauses möglichst einfach stofflich wiederverwendet werden kann. Dr. Heiko Thömen seinerseits leitet ein Teilprojekt mit dem Ziel, Altholzbestände sinnvoller zu nutzen: «Heute wird fast alles Altholz zu Spanplatten verarbeitet. Interessant wäre eine Verarbeitung zu Vollholzplatten oder sogar die Wiederverwendung von ganzen Balken.» Dazu muss der ganze Recycling- und Re-use-Prozess optimiert werden, insbesondere die Vorsortierung des Holzes beim Rückbau, die Transportwege, die Altholzsortierung und die Wiederverwendung.
Industriebrachen mit neuem Leben füllen
Auch «SwissRenov» verfolgt einen innovativen Ansatz. Das Projekt soll einen Prozess für den nachhaltigen Umgang mit Industriebrachen hervorbringen. «Es geht darum, bestehende Gebäude nicht einfach abzureissen, sondern zu erhalten, weiterzuentwickeln und mit neuem Leben zu füllen», erklärt Christoph Renfer, Professor für Brandschutz und Holzbau an der BFH und Leiter eines Teilprojekts von «SwissRenov». Um die vorhandene Bausubstanz und lokale Ressourcen besser nutzen zu können, müssen die Lebenszyklen von Materialien untersucht und angepasst werden. Ebenso wichtig für eine nachhaltige Wiederbelebung von Industriebrachen ist die Analyse der örtlichen Bedürfnisse und der Nutzungspotenziale. «Das Ziel ist, alle Aspekte – umweltrelevante, wirtschaftliche, gesellschaftliche – zu vernetzen», sagt Christoph Renfer.
«Mit dieser Betrachtung soll es möglich werden, im Voraus abzuschätzen, welches die Auswirkungen sind, wenn man an den einzelnen Stellschrauben dreht.»
In ihrem Teilprojekt hat die BFH die Aufgabe, die gewonnenen Erkenntnisse zu testen und die Wirksamkeit von umgesetzten Massnahmen zu messen. Dazu ist «SwissRenov» eine Partnerschaft mit drei Eigentümern von früheren Industriebauten im Kanton Jura eingegangen, die für ihre Immobilien eine neue Bestimmung suchen. «Im wissenschaftlich begleiteten Praxistest werden wir sehen, ob unsere Methode wirtschaftlich ist, ob sie die Zufriedenheit der Mieterinnen und Mieter verbessert und ob wir tatsächlich Ressourcen sparen», erläutert Christoph Renfer. «Unser Modell soll letztlich für alle Eigentümer*innen, Investoren und Planer*innen nützlich sein, die einer Industriebrache eine nachhaltige Zukunft sichern wollen.»
Innosuisse Flagship
Die Flagship-Initiative der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse will systemische Innovationen in Bereichen fördern, die für einen grossen Teil der Wirtschaft oder der Gesellschaft relevant sind. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sollen die Projekte Innovationen hervorbringen, die Synergien erzeugen und Mehrwerte schaffen. Die zweite Ausschreibung von 2023 steht unter dem Thema «Disruptive Lösungen für die Transition zu einer Netto-Null-Welt». Die BFH ist mit den Departementen Architektur, Holz und Bau, Technik und Informatik sowie dem Departement Wirtschaft an vier der acht bewilligten Projekte beteiligt.