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Nicola Marc Hostettler – Japan hat mich auch persönlich bereichert
26.01.2024 Mein Name ist Nicola Marc Hostettler. Ich studiere Master Architektur an der Berner Fachhochschule und absolvierte ein Auslandsemester an der Chiba University in Japan. In diesem Land voller Widersprüche musste ich mich erst einmal zurechtfinden. Dank des attraktiven Studienangebots verbrachte ich die meiste Zeit an der Uni. Die kritische Auseinandersetzung mit meiner Situation, meinem Umfeld und der zeitgenössischen japanischen Architekturlehre hat mich persönlich bereichert und auch beruflich weitergebracht.
Vorbereitung und Anreise
Die Vorbereitung war aufwendig und zeitintensiv. Um die Bewerbung einreichen zu können, brauchte man einen Supervisor der Universität Chiba. Deshalb ist es wichtig, sich früh darüber zu informieren. Neben der Bewerbung für die Uni musste man auch viele Formulare für das Visum ausfüllen, darunter auch den Nachweis, wie man sich finanzieren wird. Die Bestätigung für das Visum erhält man kurzfristig vor der Abreise. Hat man alle Unterlagen, ist die Einreise nach Japan kein Problem mehr.
Mein Studienplan in Japan
Die Auswahl an Kursen war beschränkt, da nicht alle in Englisch angeboten werden. Teilweise wurden die englischsprachigen Kurse auf Japanisch gehalten und es gab individuell Anweisungen auf Englisch von der Kursleitung. Die Uni bietet Japanisch-Lernkurse an, was sehr zu empfehlen ist, da der Alltag ohne Japanisch-Kenntnisse oft sehr schwierig ist. Zudem hat man eine Tutorin aus der Studierendenschaft, die eine gute Unterstützung ist.
Das Studium war ähnlich zeitintensiv wie in der Schweiz. Der Inhalt der Kurse war sehr spannend und man war sehr frei bei den Rahmenbedingungen. Man konnte sich in viele Themen vertiefen, die einen interessieren. Der Kursinhalt war sehr offen und frei gestaltet. Die Kurse waren aufgeilt in Term 1 (April/Mai) und Term 2 (Juni/Juli) und fanden jeweils an einem Tag statt. Man konnte sich auch für Workshops anmelden, die je nachdem eine Woche dauern, gleich organisiert sind wie die Klassen oder als Summer School abgehalten werden.
Im Hauptfach, das sich «Architecture design studio» nennt, erarbeiteten wir in einer Gruppe mit zwei japanischen Studierenden ein Projekt für ein Children- und Supportcenter im Sumida Ward in Tokyo. Volumen und Räumlichkeiten konnten wir in der Gruppe selbst definieren. Der zweite wichtige Kurs war ein individuelles Research Projekt, bei dem man ein Thema seiner Wahl näher untersuchen konnte. Ich setzte mich intensiv mit der Nachhaltigkeit in der historischen Entwicklung der japanischen Architektur auseinander. Der Research wurde von einem Professor für Architekturgeschichte begleitet. Im Weiteren war der Austausch mit anderen Studienrichtungen wie Landschaftsarchitektur und Design möglich. Das erlaubte ein sehr individuelles und breit gefächertes Studium.
Zweckmässige Unterkunft in Fussdistanz zur Uni
Meine Unterkunft war das Chiba University International House in Inage, etwa 30 Minuten zu Fuss von der Uni entfernt. Das Wohnheim war in einem typischen Wohnviertel der Suburbs von Tokyo gelegen. Es war schon etwas älter und der Zustand der Räume dementsprechend, aber man kam gut zurecht. Im Zimmer hatte es ein kleines Bad, eine kleine Küche, einen Schreibtisch und ein Bett, das jedoch weder Decke noch Kissen hatte. Zudem gab es eine Klimaanlage, die gleichzeitig zum Heizen genutzt werden kann. Leider gab es auf dem Areal keine gemeinschaftlichen Räume, wo man sich treffen kann. In der näheren Umgebung hatte es zwei grosse Supermärkte, wo man alles fand, was es braucht.
Wenig Freizeit, aber Zeit zum Reisen
Am Anfang gab es sehr viel zu organisieren und es dauerte etwa einen Monat, bis ich mich gut eingelebt hatte. Ich hatte relativ viele Kurse gewählt, weshalb ich während des Studiums nicht viel Freizeit hatte. Meistens arbeitete ich auch am Samstag an der Uni. Allerdings ging ich nach den Kursen oft mit Studienkolleg*innen noch etwas essen und trinken. Zwischen dem Term 1 und Term 2 war eine Woche Ferien, die ich für eine Reise nach Osaka und Kobe nutzte. Da Chiba gerade neben Tokyo liegt, ist man innerhalb einer Stunde mit dem Zug dort. Der ÖV ist sehr gut ausgebaut mit einem engen Takt. Für die Studierenden gibt es Vergünstigungen. Nach dem Studium reiste ich noch für drei Wochen durchs Land. Dank der Sprachschule und dem längeren Aufenthalt war ich mit der japanischen Kultur vertrauter geworden und hatte dadurch sehr bereichernde Erlebnisse mit Einheimischen.
Würde ich es wieder tun?
Ich würde das Austauschsemester sofort wieder machen. Ich habe sehr viel gelernt über Architektur und die Gesellschaft in Japan und auch über mich als Person. Japan hat mich auch gelehrt, wie man Dinge nicht machen sollte. Diese kritische Auseinandersetzung war eine sehr bereichernde Erfahrung. Man ist mit gegensätzlichen Meinungen und Ansichten konfrontiert und lernt seine eigene Perspektive zu schärfen und zu reflektieren.
Das Austauschsemester lohnt sich, wenn man schon ein wenig Japanisch spricht respektive mit der japanischen Kultur und Gesellschaft vertraut ist. In Japan ist es doch sehr anders als in der Schweiz. Es braucht viel Geduld, bis man einen guten Kontakt knüpfen kann. Aber wenn man dann den Kontakt hat, ist er sehr bereichernd und die Geduld hat sich gelohnt. Leider wollen viele Japaner*innen kein Englisch sprechen, obwohl sie es verstehen und sprechen könnten. Manchmal ist das im Alltag sehr mühsam. Aber da die Japaner*innen stets hilfsbereit sind, kommt man immer ans Ziel.
Steckbrief
Departement
Studiengang
Studiensemester
6. Semester Teilzeit
Jahrgang
1992
Studienort im Ausland
Chiba, Japan
Partnerhochschule
Chiba University
Zeitraum Austauschsemester
Februar bis Juli 2023 (Frühlingssemester)
Persönliche Entdeckungen
Land, Leute und Architektur, Japanische Sprache, Selbstreflexion