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«Nutztierhaltung ist für die Schweiz eine Grundsatzfrage»
07.08.2023 Obwohl in der Schweizer Nutztierhaltung in den letzten Jahren viel erreicht worden ist, bleiben grosse Herausforderungen bestehen. Darüber soll am Agrarpolitik Forum 2023 diskutiert werden.
Martin Pidoux, wie sieht die Zukunft der Nutzierhaltung in der Schweiz aus?
Martin Pidoux: Die Schweiz ist ein Land der Berge. Deshalb ist das Grasland von grosser Bedeutung. Es bedeckt mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche und noch mehr, wenn man die Alpweiden berücksichtigt. Die Nutztierhaltung nimmt somit eine zentrale Stellung im Schweizer Agrar- und Ernährungssystem ein. Sie ist die Haupteinnahmequelle für viele Bauernfamilien, trägt zur Versorgungssicherheit des Landes bei, generiert Wertschöpfung und Exporte und hat erhebliche Auswirkungen auf unsere Umwelt.
Die Zukunft der Nutztierhaltung ist für die Schweiz somit eine Grundsatzfrage. Es gilt, wissenschaftlich fundierte, pragmatische und kohärente Antworten zu finden. Dogmatische Ansätze sind im Bereich Landwirtschaft und Ernährung fehl am Platz.
Wie wird sich die Nutztierhaltung in den nächsten Jahren entwickeln?
Die Nutztierhaltung hat in vielen Bereichen Fortschritte gemacht, zum Beispiel wurde der Tierschutz deutlich verbessert. Dennoch bleiben grosse Herausforderungen, wie die Reduktion der Treibhausgasemissionen oder die Abstimmung von Angebot und Nachfrage bei tierischen Lebensmitteln, bestehen. In der Schweiz deckt die Geflügelproduktion nur rund 60 Prozent des Bedarfs.
Was ist nachhaltige Nutzierhaltung?
Ich möchte dazu folgendes zu bedenken geben: Viele Nachhaltigkeitsziele stehen in direktem Konflikt zueinander. Zum Beispiel der Tierschutz und die Reduktion der Treibhausgasemissionen. Das macht die Situation komplex. Zudem sollte Nachhaltigkeit nicht nur auf der Ebene der Produktion, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette gemessen werden. Mit anderen Worten: Es ergibt keinen Sinn, die Nachhaltigkeit der Produktion zu verbessern, wenn dies zu mehr Importen führt (die oft weniger nachhaltig produziert werden als in der Schweiz). Wir werden im Forum versuchen, diese Frage genauer zu beantworten.
Welche Schritte braucht es in der Schweiz für eine nachhaltige Nutztierhaltung?
Auch hier ist es schwierig, eine endgültige Antwort zu geben. Vielmehr möchte ich zum Nachdenken anregen. Ich halte es für wichtig, einen ganzheitlichen Ansatz zu fördern und die Nachhaltigkeit der Nutztierindustrie von der Produktion bis zum Verbrauch zu denken. Auch hier gilt es, die Konsumentinnen und Konsumenten für die Herausforderungen der Nutztierhaltung zu sensibilisieren. Ich denke auch, dass es in Zukunft wichtig sein wird, über die wahren Kosten der Nutztierhaltung und damit über den Wert von Lebensmitteln tierischer Herkunft nachzudenken. Qualität hat ihren Preis und darf nicht zu Discountpreisen verschleudert werden.
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