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Mit der School Nurse zu mehr Gesundheit im Schulalltag
30.11.2022 Die Versorgung von chronisch kranken Schüler*innen, der Umgang mit Notfällen und die Folgen der Covid-19-Pandemie stellen Schulen vor Herausforderungen. Die School Nurse hat Potenzial, mögliche Lücken in der Gesundheitsversorgung von Schüler*innen zu schliessen und Lehrpersonen zu entlasten.
Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Massnahmen griffen tief in das Leben von Kindern und Jugendlichen ein. Im Jahr 2020 lebte mindestens eines von sieben Kindern und Jugendlichen weltweit die meiste Zeit im Lockdown, was bei ihnen vermehrt zu Gefühlen von Angst, Depression und Isolation führte (Schmidt et al., 2021; United Nations International Children›s Emergency Fund [UNICEF], 2021). Eine Schulleitung des Kantons Bern schilderte während erster Gespräche mit der Berner Fachhochschule (BFH) die vermehrt auftretenden psychischen Belastungen der Schüler*innen wie folgt: «Bei uns in der Oberstufe waren die Schüler*innen während der Pandemie deutlich niedergeschlagener, und es entwickelte sich eine Art Negativspirale.» Auch der Berufsalltag der Lehrpersonen veränderte sich innert kürzester Zeit enorm. Zusätzlich zu ihren Unterrichtsaufgaben übernahmen sie Tätigkeiten, die über ihre Lehrkompetenzen hinausgingen. Infolge Überstunden und Lehrpersonenmangels zeigten auch sie Symptome emotionaler Erschöpfung (Hansen et al., 2020).
Chronische Krankheiten und Notfallsituationen im Schulalltag
Auch der Umgang mit chronischen Krankheiten stellt zunehmend eine Schwierigkeit im Schulalltag dar. So sind mittlerweile rund 20 % der Kinder und Jugendlichen im Schulalter in der Schweiz chronisch krank (Stadt Zürich – Schul- und Sportdepartement, 2019). Betroffene Kinder und Jugendliche sind vielfältigen Herausforderungen und Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Sie benötigen zu Hause und in der Schule Unterstützung, damit sie die chronische Krankheit bewältigen und gleichzeitig am Schulunterricht teilnehmen können (Dratva et al., 2020). Die diesbezüglich herausfordernde Situation im Schulalltag legt eine andere Schulleitung des Kantons Bern dar: «Wir haben ein Mädchen mit Diabetes in der Klasse. Leider gibt es immer wieder Blutzuckerentgleisungen. Niemand von den Lehrpersonen wusste, wie man damit umgeht, und wir hatten keine Ansprechperson. Mithilfe der Eltern und Empfehlung zu einer Fachstelle im Unispital haben wir dann ein Dokument für die Lehrpersonen zusammengestellt, damit wir wissen, was wir bei welchem Wert unternehmen müssen.» Die Betreuung von chronisch kranken Schüler*innen birgt nicht nur in der Schule Probleme, sondern auch in der Landschulwoche. «Im Moment haben wir einen Jungen mit Diabetes, der während der Nacht den Alarm nicht hört. Eine Lehrperson muss in der Nähe schlafen, das Kind wecken, den Zuckerwert messen und den Vater anrufen, um die Einheiten zu berechnen.» Derzeit werden chronisch kranke Kinder und Jugendliche häufig von Kinderärzt*innen betreut. Doch hier tut sich bald eine Lücke auf: In den nächsten zehn Jahren werden 56 % der tätigen Kinderärzt*innen pensioniert (Haus- und Kinderärzte Schweiz, 2020). Weiter fehlt es im Schulalltag an professioneller Unterstützung bei Notfallsituationen oder Unfällen, wie eine Erzählung einer Schulleitung des Kantons Bern zeigt: «Beim Sporttag gibt es immer wieder grössere und kleinere Unfälle. Bei uns übernimmt diese Versorgung eine Lehrperson. Meist sind alle mit diesen Situationen etwas überfordert.»
School Nurse als mögliche Lösung
Um die Schüler*innen zu begleiten, Lehrpersonen im Schulalltag zu unterstützen und die Eltern zu beraten, sind neue Versorgungsmodelle mit niederschwelligem Zugang in Schweizer Schulen notwendig. Ein Ansatz für eine adäquatere Gesundheitsversorgung von Schüler*innen ist dabei die School Nurse, welche Potenzial hat, mögliche Lücken zu schliessen und Lehrpersonen zu entlasten (Helfer & Zeyer, 2020). School Nurses sind Fachpersonen mit einem Bachelor- oder Masterabschluss in Pflege oder Public Health. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst vier Themen: 1. Management von chronischen Krankheiten; 2. Triage und Behandlung von Unfällen/Notfällen; 3. Psychosoziale Gesundheit; 4. Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention. Die drei Tätigkeitsbereiche Management von chronischen Krankheiten, psychosoziale Gesundheit und Triage/Behandlung von Unfällen/Notfällen einer School Nurse zielen auf Bedarfe ab, wie sie in den Beispielen der Schulleitungen erwähnt worden sind. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie z.B. den USA, befindet sich die Rolle der School Nurse an Deutschschweizer Schulen in der Pionierphase (Helfer & Zeyer, 2020). Es bleibt offen, welcher Bedarf an Schulen besteht und wie eine mögliche Implementierung stattfinden könnte. Aus diesen Gründen führt die BFH von Herbst 2022 bis Sommer 2023 eine Machbarkeitsstudie durch.
Projekt SMiLE: Studie zu mobiler School Nurse in Deutschschweizer Schulen
Die BFH möchte mit der Studie SMiLE den Bedarf und die Erwartungen für eine mobile School Nurse mit Anstellung in einer Hausarztpraxis klären. Zudem sollen die finanziellen Rahmenbedingungen analysiert werden, um die Einflüsse und Zusammenhänge von internen und externen Faktoren auf die Innovation zu identifizieren. Die Machbarkeitsstudie wird in Zusammenarbeit mit zwei Schulen (Basis- und Oberstufe) im Kanton Bern durchgeführt. Finanziert wird die Studie durch die Südland Stiftung. Je nach Bedarf wird im Anschluss eine Interventionsstudie geplant. Für diese Studie werden noch Drittmittel benötigt.
Gesundheitsmagazin «frequenz»
Dieser Beitrag ist Teil der September-Ausgabe 2022 unseres Magazins «frequenz».