Aufführung und Interpretation

Dieses Forschungsfeld befasst sich mit den historischen Aufführungsweisen von Musik und Theater seit dem 18. Jahrhundert. Es betrachtet auch die Konzepte und Akteur*innen, die die Aufführungsweisen bedingten. Dabei werden Wissenschaften verschiedener Disziplinen (Musik, Theater, Literatur, Bild, Geschichte) sowie die künstlerische Praxis verbunden. Die Forschungsthemen und -ergebnisse fliessen jeweils zurück in die künstlerische Praxis.

Quellen unserer Forschung sind auf der einen Seite die Aufführung bedingende Texte im weiteren Sinne wie Libretti, Bühnenbildskizzen, Partituren, Mises-en-scène-Hefte oder Choreografien, und auf der anderen Seite Spuren von Aufführungen wie z. B. frühe Aufnahmen, eingerichtete Partituren, Bühnenbilder und -maschinen, Besetzungslisten oder Aufführungsberichte.

Unsere heutige Vorstellung von Interpretation im Sinne einer individuellen Deutung ist dabei historisch keineswegs selbstverständlich. Konzepte von Interpretation sind an Ideen zu Werktreue, Autorschaft und künstlerischer Freiheit gebunden und unterliegen wie diese einem historischen Wandel. Unsere Forschung fragt deswegen auch, auf welchen Vorstellungen von Text und dessen Umsetzung historische Aufführungen beruhen.

Aufführungsweisen sind dabei stark von ihren jeweiligen Akteur*innen geprägt. Die Idee einer zentralen interpretierenden Instanz in Form eines Dirigenten oder Regisseurs ist historisch eher die Ausnahme, häufiger sind kollaborative Aufführungsgestaltungen anzutreffen, die auf gemeinsamen Entscheidungen oder Aufgabenteilungen von Autor*innen, Komponist*innen, Musiker*innen, Schauspieler*innen und Tänzer*innen beruhen. Die Erforschung von Akteur*innen von Interpretation ist daher ein wichtiger Teil unserer Forschung.

Kernkompetenzen

  • Quellenbasierte Erforschung von Dokumenten zu Aufführungen seit dem 18. Jahrhundert (Libretti, Bühnenbildskizzen, Partituren, Mise en scène-Hefte, Choreografien, Aufnahmen, annotierte Partituren, Bühnenbilder und -maschinen, Besetzungslisten, Aufführungsberichte etc.)
  • Grundlagenforschung zu Konzepten und Akteur*innen von Interpretation
  • Anwendungsorientierte Forschung zu Aufführungsweisen seit dem 18. Jahrhundert, die in der künstlerischen Praxis umgesetzt werden kann

Laufende Projekte

Cooperative Ensemble Practices in the 19th Century

Some of the leading music and theatre ensembles of 19th-century Europe were organised as cooperatives whose members worked together artistically as equals. Their contemporaries assigned great importance to the non-hierarchical organisation of artists. This historical phenomenon has been all but forgotten today, even though other forms of cooperative work have been the subject of research. The present project will shed light on the organisation and artistic working methods of leading cooperative ensembles, namely the London Philharmonic Society, the Paris Société des concerts du conservatoire and the Berlin theatre society Urania. It also aims to reintroduce historical, cooperative modes of working in the context of today’s artistic practices.

Unbekannte in der Hauptrolle

Interpretationen um 1900 jenseits der Heroenerzählung

Die pneumatischen Reproduktionssysteme für Klavierspiel, die sich von 1905 bis ca. 1930 grosser Beliebtheit erfreuten, haben sich in den letzten Jahren als überaus ergiebige Quellen für die Interpretationsforschung erwiesen. Trotzdem blieb bisher die Auswahl der Analyseobjekte und Forschungsvorhaben in aller Regel einem Mainstream-Kanon verpflichtet. Das Projekt stellt die Frage nach dem aufführungspraktischen Inhalt der ausserhalb dieses Kanons stehenden Rollen-Aufnahmen. Es beobachtet, in welcher Weise sich der Blick auf die pianistische Interpretation um 1900 durch die Analyse dieses noch unerforschten Materials verändert und strebt eine Theoriebildung zum Klavierspiel ausserhalb des Heroennarrativs an.

Lukas Sarasin und das Phänomen des ‹collegium musicum› um 1800

Lukas Sarasin sammelte zahlreiche Instrumental- und Vokalkompositionen (Opern, geistliche Musik), beschäftigte einen Berufsmusiker und veranstaltete als Privatperson öffentliche Konzerte. In zahlreichen Städten der Deutschschweiz gab es bürgerliche Musikvereine (Collegia Musica), die immer mehr Berufsmusiker beschäftigten und ebenfalls öffentliche Konzerte anboten. Dieses Verhältnis zwischen privatem und öffentlichem Musizieren sowie zwischen Dilettanten und Berufsmusikern dient als Spiegel für die heute in der Schweiz herrschende Situation, denn die Collegia dürfen als Vorläufer der heutigen Amateurmusikvereine gesehen werden.

 

Abgeschlossene Projekte

Kontakt

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Hochschule der Künste Bern HKB
Forschung
Institut Interpretation
Betriebsassistenz: Reto Witschi
Fellerstrasse 11
CH-3027 Bern