Onboard Monitoring auf Neigezügen mit einfacher Sensorik

Ein sicherer Bahnbetrieb mit bogenschnell fahrenden Zügen basiert auf einer Infrastruktur in gutem und sicherem Zustand. Dies soll künftig im kommerziellen Betrieb mit dem neuen Onboard Monitoring System permanent überwacht werden.

Steckbrief

  • Beteiligte Departemente Technik und Informatik
  • Institut(e) Institut für Intelligente industrielle Systeme (I3S)
  • Forschungseinheit(en) I3S / Prozessoptimierung in der Fertigung
  • Förderorganisation Innosuisse
  • Laufzeit 01.06.2017 - 31.12.2023
  • Projektleitung Simon Walther
  • Projektmitarbeitende Simon Müller
    Matthias Steck
    Marcel Zwahlen
    Adrian Roger Hofer
  • Partner SBB AG
  • Schlüsselwörter Onboard Monitoring, Neigezug, Force prediction, Einfache Sensorik, Machine Learning

Ausgangslage

Um den Schienenverkehr sicher und zuverlässig abwickeln zu können, muss die Infrastruktur in einem anforderungsgerechten Zustand sein, nicht nur für den konventionellen Reiseverkehr sondern darüber hinaus auch für die bogenschnellen Neigezüge, die das System mehr ausreizen. Ist ein Neigezug für eine bestimmte Strecke für das bogenschnelle Fahren zugelassen, muss das Zusammenwirken von Fahrzeug und Fahrweg für jeden auf einer Strecke verkehrenden Neigezugtyp periodisch überprüft werden. Die gemessenen Fahrzeugreaktionen müssen dokumentiert und sicherheitsrelevante Ereignisse überprüft werden. Gemäss den geltenden Vorschriften ist unter anderem das Messen von Aufstands- und Führungskräften an den Rädern mit so genannten Messradsätzen (MRS) zwingend. Diese erlauben gut reproduzierbare Rad-Schiene-Kraftmessungen zur Beurteilung der Fahrsicherheit (Summe der Querkräfte für die Sicherheit gegen Gleisverschiebung und das Verhältnis Führungs- zu Radaufstandskraft für die Sicherheit gegen Entgleisen), sind aber komplex und entsprechend kostenintensiv.

Vorgehen

Im Sinne einer betriebstauglichen und kostengünstigen Messtechnik wurde in diesem Projekt zusammen mit der SBB ein Konzept erarbeitet, wie einzig mit einer einfachen Sensorik (ES) alle Beurteilungsgrössen nach den geltenden Vorschriften, also auch diejenigen mit Kraftgrenzwerten, abgedeckt werden können. Unter ES versteht man dabei etwa Beschleunigungs- oder Wegsensoren. Für die Analysen wurden Messdaten aus umfangreichen Inspektionsfahrten mit einem sowohl mit MRS als auch mit ES ausgerüsteten Neigezügen verwendet. In einer ersten Phase wurden nach der Aufbereitung der Messdaten die reglementarisch vorgegebenen Beurteilungsgrössen auf ihre Relevanz analysiert, mit dem Resultat, dass die Summe der Querkräfte (ausschöpfen des Gleisverschiebewiderstands) für den bogenschnellen Verkehr am kritischsten ist. In einer zweiten Phase wurde nach einer Umrechnung der Querbeschleunigungen (unter Zuhilfenahme der Vertikalbeschleunigungen im Wagenkasten) auf die Summe der Querkräfte ΣY bzw. die Einzelführungskraft Y gesucht, welche unter Anwendung von Machine Learning Algorithmen gefunden wurde. Machine Learning ermöglicht es, über den linearen Zusammenhang von Masse, Beschleunigung und Kraft hinaus auch mit Nichtlinearitäten des fahrenden Zuges als Masse-Feder-Dämpfersystem umgehen. Um zur vollständigen Überwachung der Fahrsicherheit auch Informationen zur Radaufstandskraft zu haben, wurden Primärfederwege auf Vertikalkräfte am Rad transferiert.

Ergebnisse

Die erarbeitete Lösung liefert mit den vorhandenen Daten gute Ergebnisse. Die Methodik umfasst eine komplette Vorverarbeitung gemäss den geltenden Richtlinien sowie dem direkten Einlesen aus HDF5-Dateien. Mehrere Sensitivitäts-analysen zeigten eine hohe Stabilität des Machine Learning Algorithmus bezüglich den Haupteinflussfaktoren des Zuges wie Beladungszustand, Geschwindigkeit und Strecke. Nebst dem robusten Algorithmus sind auch die verwendeten Daten und deren Qualität wichtig. Innerhalb der Zusammenarbeit der BFH und der SBB sind auch die aussagekräftigsten und stabilsten Messgrössen bestimmt worden, die dem System eine zusätzliche Stabilität verleihen. Alle verwendeten Messgrössen habe einen physikalisch erklärbaren Einfluss und sind dazu zuverlässig messbar. So konnte für die Neigezüge ein funktionierendes, betriebsfestes und hinsichtlich Life Cycle Kosten ressourceneffizientes Konzept ES erarbeitet werden.

Ausblick

Die erarbeitete Methodik wird nun abschliessend durch die BFH validiert. Dies umfasst unter anderem die Anwendung der Methodik auf Fahrten aus dem kommerziellen Betrieb. Des Weiteren wird die Stabilität unter diesen Umständen untersucht. Im Anschluss an dieses Projekt wird durch die SBB die Genehmigung dieser Methodik beantragt. Es soll je ein Neigezug pro Flotte mit einem funktionierenden, betriebsfesten und hinsichtlich Life Cycle Kosten ressourceneffizienten Onboard Monitoring System basierend auf einfacher Sensorik ausgerüstet werden. Die Messdaten werden an einen zentralen Rechner gesendet und off-board in einem automatisierten Datenmanagementsystem weiterverarbeitet und die Einhaltung der reglementarisch vorgegebenen Grenzwerte geprüft, als Teil der maschinellen Bahn-Infrastrukturüberwachung, so dass gegebenenfalls auch Massnahmen zum Fahrbahnunterhalt ausgelöst werden können.

Bogenschnelle Neigezüge reizen das System mehr aus. Bild: SBB
Bogenschnelle Neigezüge reizen das System mehr aus. Bild: SBB
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Das Projekt war eine Zusammenarbeit mit der SBB. www.sbb.ch