Smarter Health for peripheral Regions (Projekt SHAPIRO)
Im Projekt SHAPIRO wurden die Bedürfnisse von Nutzer*innen und Fachpersonen erfasst, um die Entwicklung einer Plattform-App zu unterstützen, die speziell die perinatale Versorgung in Randregionen verbessern sollte.
Steckbrief
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Beteiligte Departemente
Gesundheit
Technik und Informatik - Institut(e) Geburtshilfe
- Förderorganisation BFH
- Laufzeit 01.01.2022 - 31.12.2022
- Projektleitung Prof. Dr. Stephan Oelhafen
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Projektmitarbeitende
Prof. Dr. Stephan Oelhafen
Dr. Thomas Steffen
Tim Luginbühl
Adrian Stettler - Schlüsselwörter eHealth, digital Health, perintale Versorgung, Schwangerschaft, Wochenbett, Survey, App
Ausgangslage
Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass die Digitalisierung im Kontext des Schweizer Gesundheitssystems enorme Lücken aufweist. Ob das elektronische Patientendossier (EPD) – eine digitale Sammlung wichtiger Patient*innendaten – einen Beitrag zur Behebung dieser Lücke leisten kann, bleibt offen. Bei Patient*innen und Fachpersonen bestehen Vorbehalte bezüglich des Alltagsnutzens des EPDs (Gilli, 2020). Patient*innen scheinen jedoch allgemein digitalen Lösungen gegenüber aufgeschlossener zu sein, obwohl auch sie Konsultationen vor Ort bevorzugen (Röthlisberger & Sojer, 2020). Bestimmte Bevölkerungsgruppen in Randregionen könnten aufgrund der längeren Anfahrtswege besonders von der Digitalisierung profitieren. Auch könnten durch die digitale Überwachung von Vitalzeichen unnötigen Konsultationen verhindert werden. Nicht zuletzt ist in der perinatalen Versorgung die Informationsübermittlung durch die vielen involvierten Leistungserbringer*innen stark fragmentiert, was einen automatisierten Austausch strukturierter Daten nahelegt.
Vorgehen
Im Rahmen des Projekts wurde eine webbasierte Querschnittsbefragung durchgeführt. Die Studie zielte darauf ab, die Bedürfnisse und Nutzungsgewohnheiten von Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt in Bezug auf digitale Tools zu untersuchen. Die Zielgruppe umfasste Frauen ab 18 Jahren, die schwanger waren oder innerhalb der letzten 12 Monate entbunden hatten. Für die Rekrutierung wurden Anzeigen auf Facebook und Instagram geschaltet. Über 1’100 Frauen nahmen an der Umfrage teil, deren Fragen die Nutzung digitaler Quellen, allgemeine Einstellungen zu digitalen Tools sowie gewünschte Funktionen abdeckten. Zusätzlich zur webbasierten Umfrage wurden Interviews mit Fachpersonen durchgeführt, um ein umfassenderes Bild der aktuellen Situation und zukünftiger Entwicklungen zu erhalten.
Ergebnisse
Gemäss der Befragung der Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt sind Gesundheitsfachpersonen und private Kontakte die wichtigsten Informationsquellen. Ein höheres Informationsbedürfnis haben Erstgebärende, welches durch Bücher, das Besuchen von Kursen und Apps abgedeckt wird. Frauen aus eher ländlichen Regionen greifen hingegen eher seltener auf digitalen Informationsquellen zurück. Bei den verwendeten Webseiten wurde "Swissmom" am häufigsten genannt, bei den Apps waren es „Pregnancy+“ und „Baby+“ (Philips Digital UK). Hauptgründe für die Verwendung dieser Apps sind nicht medizinische Belange, sondern das Interesse für die physiologische Entwicklung des Fötus, des Kindes oder des eigenen Körpers. Apps wurden zudem verwendet, um Informationen zu sammeln und damit Entscheidungen fundierter fällen zu können oder die Angaben der Fachpersonen besser zu verstehen. Die Mehrheit der Frauen zeigte Interesse an digitalen Funktionen wie dem Zugriff auf Gesundheitsdaten, der Verwaltung von Rezepten und der Terminvereinbarung mit Fachpersonen. Aufgrund des unpersönlichen Charakters von digitalen Interaktionen werden jedoch Konsultationen weiterhin vor Ort bevorzugt, auch für Frauen mit längeren Anfahrtswegen. Aus Sicht der Fachpersonen sind viele Frauen verunsichert und bevorzugen deshalb Konsultationen vor Ort. Entsprechend steht auf für Fachpersonen die persönliche Beziehung im Mittelpunkt. Gleichzeitig wäre jedoch ein automatisierter Datenaustausch wünschenswert.
Ausblick
Die vorliegenden Daten zeigen, dass Gesundheitsfachpersonen die primäre Informationsquelle für Frauen während der Schwangerschaft und im Wochenbett sind, insbesondere auch in ländlichen Regionen. Obwohl viele Frauen Apps und Websites nutzen, beziehen sich diese meist auf allgemeine Entwicklungen und nicht auf medizinische Daten. Andererseits könnte ein nationaler digitaler Mutterpass als Schnittstelle zwischen verschiedenen Gesundheitssystemen dienen und den Austausch relevanter Daten ermöglichen. Der Weg dahin ist jedoch anspruchsvoll: In der Praxis sind zahlreiche Systeme in Kliniken, in Geburtshäusern und in der ambulanten Versorgung im Einsatz, die kaum miteinander vernetzt sind. Schnittstellen, die einen Datenaustausch ermöglichen, wären daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der perinatalen Versorgung. Entsprechend stellt die Entwicklung eines minimalen klinischen Datensatzes und der notwendigen Schnittstellen die grösste Herausforderung dar. Die Verantwortung für die Daten soll auch bei den Frauen liegen, die diese kommentieren oder spezifischen Fachpersonen freigeben können. Abschliessend kann gesagt werden, dass für die Entwicklung digitaler Lösungen eine stärkere Integration der Perspektiven von Fachpersonen und Nutzerinnen in den Entwicklungsprozess essenziell ist, um ein effektives und nutzerfreundliches System zu schaffen.