- Forschungsprojekt
Sicherheits- und Ertragsprüfungen von steckbaren Photovoltaikanlagen
Photovoltaikmodule und Mikrowechselrichter können als betriebsbereite und steckbare Systeme für Balkongeländer eingekauft werden. Die darin enthaltenen Komponenten wurden ursprünglich für den Einsatz in grossen PV-Installationen entwickelt. Das Photovoltaiklabor der Berner Fachhochschule hat im Auftrag des Kassensturz von SRF überprüft, wie hoch der Energieertrag solcher Balkonkraftwerke ist und ob die Sicherheit gewährleistet ist.
Steckbrief
- Institut(e) Institut für Energie- und Mobilitätsforschung IEM
- Forschungseinheit(en) IEM / Photovoltaiksysteme
- Laufzeit (geplant) 01.10.2022 - 31.01.2023
- Projektleitung David Joss
- Projektmitarbeitende Ramona Stoll
- Schlüsselwörter Photovoltaik, PV, Solarenergie, Plug-and-play PV, Balkonsolar, Wechselrichter, PV-Module
Ausgangslage
Aufgrund der Energiemangellage sind Plug-&-Play-PV-Anlagen – auch Balkon-PV-Anlagen genannt – aktuell sehr gefragt. Vor allem Personengruppen, die nicht über Wohneigentum verfügen und dennoch eine «eigene» Photovoltaikanlage haben möchten, setzen gerne Plug-&-Play-PV-Anlagen ein.
Der Einsatz einer Plug-&-Play-PV-Anlage ist unter Einhaltung gewisser Regeln in der Schweiz erlaubt, jedoch in juristischer Hinsicht noch nicht restlos geklärt.
Am Labor für Photovoltaiksysteme der BFH wurden im Zeitraum von Oktober 2022 bis Januar 2023 sieben Plug-&-Play-PV-Anlagen hinsichtlich Installation, Sicherheit und Handhabung analysiert und untereinander verglichen.
Vorgehen
Die Systeme wurden anhand von Messungen im Labor sowie einem Feldtest untersucht.
Im Labor wurden folgende Messungen durchgeführt:
- Kennlinienmessung der PV-Module mit Plausibilisierung der Datenblattwerte
- Elektrolumineszenzmessung der PV-Module für die Beurteilung des Modulzustandes
- Verhalten des Systems bei Erdschluss auf DC-Plus und DC-Minusleitung
- Verhalten des Systems bei Ausziehen des Netzsteckers
Im Feldtest wurden folgende Aspekte betrachtet:
- Montage
- Inbetriebnahme
- Betrieb
- Demontage
Gesamthaft wurden folgende Kriterien bewertet:
- Produktionskosten
- Qualität
- Handhabung
- Sicherheit (Personenschutz)
- Technische Angaben und Normenkonformität
- Überwachung Anlagenstatus
- Kommunikation/Kundendienst
Ergebnisse
Während des ganzen Dezembers 2022 wurden alle Systeme einem Betriebstest unterzogen. Dafür wurden alle Plug-and-play PV-Anlagen auf dem Dach des PV-Labors an einer errichteten Balkonbrüstung mit gleicher Ausrichtung montiert und in Betrieb genommen. Über den ganzen Monat wurden mittels Energiezählern die Produktionsdaten erfasst und danach ausgewertet. Die Produktionsdaten wurden auf Jahresbasis extrapoliert und daraus die erwarteten Stromgestehungskosten über 20 Jahre berechnet.
Die Produktionsdaten konnten auch hinsichtlich Unregelmässigkeiten im Betrieb untersucht werden. Drei Wechselrichter zeigten ein auffälliges Verhalten. Alle drei Wechselrichter hatten im Schwachleistungsbereich vereinzelte kurze Zeitintervalle, in welchen keine oder eine verminderte Rückspeisung stattfand, während die anderen Systeme in derselben Periode einwandfrei funktionierten. Ein Wechselrichter schaltete sich bei Dämmerung immer merklich später ein als die anderen Geräte. Derselbe Wechselrichter drosselte seine Produktion ebenfalls früher als die anderen Systeme und bezog regelmässig noch eine kleine Energiemenge (einige Wh) aus dem Hausnetz. Ein Wechselrichter wurde im Betrieb merklich wärmer als die anderen.
Die Auswertung der Energiedaten zeigte, dass alle Systeme in der Testperiode mit unterdurchschnittlichen Einstrahlungswerten für den Dezember genügende bis sehr gute Produktionsleistungen hatten. Vier Systeme zeigten einen genügenden, respektive guten Solarertrag während drei Systeme einen sehr guten Energieertrag aufwiesen. Kein System fiel merklich ab oder performte ungenügend. Der tiefste, einstrahlungskorrigierte spezifische Ertrag lag bei 683 kWh/kWp/a und der höchste bei 860 kWh/kWp/a.
Weiter wurde die Performance Ratio (PR) betrachtet. Die Messperiode im Dezember 2022 ist ein guter Anhaltspunkt zur Bewertung des zu erwartenden Jahresenergieertrags der Systeme anhand des PRs. Aufgrund der kurzen Messperiode wurden die Resultate mit zwei weiteren Messungen plausibilisiert:
- die Messwerte von zehn Januartagen
- die Leistungswerte zu einem stabil sonnigen Zeitpunkt am ertragsreichsten Tag im Dezember
Diese Plausibilisierungen zeigen, dass die prognostizierten Jahreserträge mit anderen Messmethoden in einer ähnlichen Grössenordnung zu liegen kommen.
In den Stromgestehungskosten zeigten sich grosse Unterschiede. Der tiefste Energiepreis aus den getesteten Plug-&-Play-Photovoltaikanlagen pro kWh Strom lag bei 10.3 Rp/kWh und der höchste bei 32.0 Rp/kWh. Der Berechnung liegt ein Zins von 2.0%, eine Anlagenbetriebsdauer von 20a ohne Wechselrichterersatz zugrunde. Die Betriebskosten wurden vernachlässigt.
Fazit
Alle getesteten Systeme liessen sich mit etwas handwerklichem Geschick, teilweise mit Zusatzmaterial an einer Balkonbrüstung montieren und einfach in Betrieb nehmen. Die Montagesicherheit wird jedoch in den meisten Fällen als verbesserungswürdig beurteilt. Eine zusätzliche, dauerhafte Modulsicherung gegen Herunterfallen in Form einer Drahtseil-Sicherung wird vom Testteam für Systeme mit Modulrahmen und Befestigungsschienen empfohlen. Bezüglich der elektrischen Sicherheit konnte bei keiner Plug-and-play PV-Anlage ein gefährliches Verhalten im Betrieb und im Einfehlerfall festgestellt werden. Nicht alle Anschlussstecker und Verbindungsstellen entsprechen dem zu erwartenden IP-Schutz. Bei zwei Systemen berührt der Wechselrichter die Modulrückseite dauerhaft. Dies kann zu übermässiger Beanspruchung sowie bis zum Systemschaden führen. Ebenfalls könnten sich Personen an aufgescheuerten Kontaktstellen elektrisieren. Aus den Installationsunterlagen der Lieferanten geht meist nicht hervor, dass zwischen Wechselrichter und Modulrückseitenfolie ein Abstand sein muss. Das Testteam empfiehlt eine Montage des Wechselrichters ohne Kontakt der Modulrückseitenfolie.
Die getesteten Wechselrichter weisen bis auf ein Gerät eine galvanische Trennung zwischen AC- und DC-Seite auf und bieten damit einen architekturbedingten Schutz vor elektrischem Schlag auf der DC-Seite. Weil es jedoch keine Sicherheits-Prüfnormen für steckbare PV-Wechselrichter gibt, ist ein abschliessende Sicherheitsfreigabe nicht möglich. Mindestens störend sind bei zwei Wechselrichtern fehlende Angaben zum Anschluss der vorhandenen Schutzleiterkabel und in zwei Fällen der Einsatz des Wechselrichters ohne Bestätigung oder Einsatz von RCMU respektive RCD Typ B.
Ausblick
Das PV-Labor der Berner Fachhochschule beschäftigt sich weiter mit den Themen Sicherheit, Verlässlichkeit und Ertrag von Plug-and-Play PV-Systemen. Insbesondere die noch offenen Fragen zum sicheren Netzanschluss und der Personensicherheit beschäftigen das Testteam noch weiter und sollen im Zuge kommender Arbeiten geklärt werden.