PRiMA APN in der Grundversorgung

Ältere chronisch kranke, zu Hause lebende Personen benötigen im Alltag medizinische und pflegerische Betreuung für ihr Krankheitsmanagement. Advanced Practice Nurses (APN) können dank erweiterter Kompetenzen zu besserer Gesundheitsversorgung und Lebensqualität beitragen.

Steckbrief

  • Lead-Departement(e) Gesundheit
  • Institut(e) Pflege
  • Förderorganisation Gesundheitsförderung Schweiz
  • Laufzeit (geplant) 01.01.2020 - 31.03.2022
  • Projektverantwortung Prof. Dr. Maya Zumstein-Shaha
  • Projektleitung Prof. Dr. Maya Zumstein-Shaha
  • Projektmitarbeitende Margarithe Charlotte Feuz-Schlunegger
    Prof. Dr. Sabine Hahn
    Prof. Dr. Christian Eissler
    Emilie Reber, PhD Kandidatin, Insel Gruppe Bern
    Niklaus Meier
  • Partner Xundheitszentrum Grindelwald: Dr. med. Marc Müller; Lisa von Deschwanden (MScN, APN)
    PluriPrax AG Bätterkinden: Dr. med. Rolf Zundel; Melanie Inniger (MScN, APN)
    Spitex AemmePlus AG: Nicole Schöni, Geschäftsleiterin; Melanie Inniger (MScN, APN)
    FMH: Sonia Barbosa, Expertin Interprofessionelle Entwicklung
    Kantonsärztliches Amt Bern: Dr. med. Barbara Grützmacher, Kantonsärztin
  • Schlüsselwörter Fachkräftemangel, Advanced Practice Nurses

Ausgangslage

Im Rahmen dieses Projekts wurden 1. je eine APN in je einer Hausarztpraxis im Berner Mittel- resp. Oberland eingesetzt und mittels Fallanalysen deren Beitrag evaluiert, 2. TARMED-relevante Leistungen, der Beitrag zum Selbstmanagement und zur Lebensqualität bei älteren chronisch Kranken, die Schnittstellen und interprofessionelle Zusammenarbeit identifiziert, und 3. Empfehlungen zu Rechtsgrundlagen und der Vergütung der APN-Funktion in Schweizer Hausarztpraxen erarbeitet.

Vorgehen

Um die Fragestellungen zu beantworten, eigneten sich multiple Fallstudien (Yin, 2018). Damit konnten beide teilnehmenden Hausarztpraxen in die Untersuchung eingebunden werden. Der jeweilige Fall war die einzelne Hausarztpraxis mit den verschiedenen Fachpersonen (Ärzt*innen, APN, medizinische Praxisassistent*innen, medizinische Praxiskoordinierende, Patient*innen sowie deren Angehörige), die strukturellen, organisatorischen Gegebenheiten und Prozesse (wie die physische Hausarztpraxis oder das Abrechnungssystem).

Ergebnisse

APN in Hausarztpraxen arbeiten innerhalb der Hausarztpraxis und gehen auf Hausbesuche und Visiten in Alters- und Pflegeheimen. Sie fokussieren vornehmlich auf Patient*innen mit chronischen Erkrankungen, die sich in komplexen, teilweise instabilen Situationen befinden. Auch Menschen am Lebensende gehören dazu. Dadurch erhält diese Patient*innengruppe die Behandlung, insbesondere in Krisen- und Notfallsituationen, rascher und zielgerichteter. Angehörige werden früher unterstützt und besser in die Behandlung einbezogen. In Alters- und Pflegeheimen werden mit dem Einsatz von APN Problemstellungen früher erkannt. Dank der APN werden systematischer gesundheitsfördernde und präventive Massnahmen eingeleitet sowie Patient*innen im Selbstmanagement unterstützt. Insgesamt wird evidenzbasierte Behandlung gefördert. Dank der Kombination von vertieftem Pflegewissen mit medizinischen Fertigkeiten bieten APN eine patientenzentrierte Sicht.

APN und die anderen Fachpersonen

Die Zusammenarbeit in der Hausarztpraxis verändert sich mit dem Einsatz einer APN. Die Organisation muss um adäquate Strukturen angepasst werden. Aber alle Fachpersonen erfahren einen Mehrwert, z. B. wird der Informationsfluss verbessert oder die ärztlichen Fachpersonen erfahren Entlastungen. Zudem werden die Verbindungen zu weiteren Leistungserbringenden wie der Spitex oder ärztlichen Spezialist*innen verbessert. Insbesondere mit Fachpersonen aus der Pflege und Betreuung, sei es in der Spitex oder Alters- und Pflegeheimen, gelingt die Zusammenarbeit besser. Diese Fachpersonen erfahren weiterführende Coachings und Anleitungen, womit sich die Arbeit verbessert und Fragen zeitnaher gelöst werden. Aktuell betreuen APN rund die Hälfte der Patient*innen denn die ärztlichen Fachpersonen.

Gesetzliche Grundlagen und Abrechnung

In der Schweiz ist der Beruf der Pflegefachpersonen durch das Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (GesBg) geregelt. Im Krankenversicherungsgesetz (KVG) sind diese Pflegefachpersonen auch als Leistungserbringende genannt, insbesondere in Bezug auf die Erbringung von Pflegeleistungen in der Spitex. Jedoch sind APN weder im GesBG geregelt noch im KVG zugelassen. Dadurch können sie aktuell nicht zulasten der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) abrechnen, weshalb vor allem der Einsatz von APN in der hausärztlichen Versorgung gefährdet ist. Interessierte hausärztliche Praxen müssen eine Zwischenlösung finden, bis APN als Leistungserbringende im KVG anerkannt sind. Aktuell ist es möglich, vor allem über die Tarife für nicht-ärztliche Fachpersonen im TARMED abzurechnen. Im nachfolgenden TARDOC wird diese Möglichkeit weiterbestehen. Zudem gäbe es die Möglichkeit, APN-Tätigkeiten bei Patient*innen zu Hause im Rahmen der Krankenleistungsverordnung (KLV), insbesondere Artikel 7, abzurechnen. Voraussetzung dafür ist, dass APN als selbstständig erwerbende Pflegefachpersonen anerkannt oder z. B. bei einer Spitex angestellt sind.

Um die Situation zu verbessern, bestehen bis dato verschiedene kantonale Lösungen. Seit 2016 existiert im Kanton Waadt ein Passus im « Loi 800.01 sur la santé publique (LSP)»; nämlich Art. 124, 124a ergänzt durch 124bis. Mit diesem Passus werden APN als Leistungserbringende anerkannt, die selbstständig Patient*innengruppen behandeln dürfen. Dafür ist eine Registrierung beim Kanton Waadt nötig. Im Kanton Glarus besteht eine Motion zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Gesundheit. Zudem fördert der Kanton aktiv innovative Projekte. Die Leistungsvergütung erfolgt – dank einer Absprache – über eine Krankenversicherungsorganisation sowie den Kanton selbst. Der Kanton Genf hat einen kurzen Passus im Gesundheitsgesetz aufgenommen; nämlich LS K 1 03, Artikel 85. Hier ist vorgesehen, dass medizinische Fachpersonen (nicht näher) bestimmte Aufgaben an APN delegieren können, vorausgesetzt sie verfügen über eine adäquate Ausbildung. Der Kanton Neuenburg ist wohl ähnlich wie der Kanton Schwyz interessiert an APN. Im letzteren Kanton existiert eine erwünschte Arbeitsteilung zwischen hausärztlichen Fachpersonen und APN. Ausser im Kanton Glarus sind Fragen der Abrechnung weiterhin ungelöst. Hinsichtlich des Lohns von APN gelten die kantonalen Lohnbänder.

Das Video zeigt den Arbeitsalltag einer APN in der Berner Hausarztpraxis Südland. Diese war allerdings nicht Teil der Studie.

Schlussfolgerungen

APN bieten einen Mehrwert in der hausärztlichen Gesundheitsversorgung. Um die Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche zu regeln, besteht nun für den Kanton Bern eine Stellenbeschreibung (vgl. oben). Weitere Forschung ist nötig, um diese Kompetenzbereiche zu festigen und national einen Konsens zu erarbeiten. Ebenso ist unabdingbar, dass die Wirksamkeit von APN in der hausärztlichen Versorgung aufgezeigt wird.

Dafür sind Anpassungen der Prozesse und Strukturen in der jeweiligen Hausarztpraxis nötig. Es zeigt sich, dass die Zuweisung von Patient*innen überdacht werden muss. Ansonsten wird es schwierig, dass APN einen eigenen Patient*innenstamm aufbauen können. Die Anbindung an eine lokale Spitex kann eine interessante Lösung sein oder auch die Vernetzung mit lokalen Alters- und Pflegeheimen.
APN-Leistungen werden zurzeit in keiner Weise adäquat vergütet. Dazu müssen APN als Leistungserbringende im KVG anerkannt sein. Damit ist nötig, dass die mit APN verbundenen Gesamtkosten dargestellt und weitere Aspekte wie Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit aufgezeigt werden. Dringlich ist in jedem Fall, das APN auf gesetzlicher Ebene geregelt werden, um den Weg zu einer Abrechnungsmöglichkeit zu ebnen.