Studierend und mitarbeitend: zwischen Authentizität und Ambition
LGBTIAQ+ Studierende, die auch beruflich an der Hochschule arbeiten, kann die Angst vor negativen Auswirkungen auf ihre Karriere vor einem Coming-out zurückhalten. Sie stehen häufig in Abhängigkeitsverhältnissen, die durch Machtgefälle geprägt sind.
Im Rahmen Ihres Doktoratsstudiums in Biochemie ist Annelien seit zwei Jahren an einem der renommiertesten Forschungsinstitute der Schweiz tätig. Seit fünf Jahren ist sie in einer Beziehung mit einer Frau. Dass ihr Doktorvater wenig aufgeschlossen für nicht traditionelle Beziehungsformen ist, hat sie schon zu Beginn ihres Doktorats geahnt. Sie sorgt sich, dass Offenheit über ihre sexuelle Orientierung, sollte ihr Doktorvater dies ablehnen, ihre akademische Karriere gefährden könnte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ihr Doktorvater als führender Experte in ihrem Forschungsgebiet gilt und somit einen erheblichen Einfluss auf ihre Karrierechancen und auf ihr professionelles Netzwerk hat.
In einer Pause spricht Annelien mit einer Kollegin, bei der sie geoutet ist, über ihre Sorgen. Die Kollegin erzählt Annelien von ihren eigenen Herausforderungen im beruflichen Umfeld und erwähnt dabei, dass sie mit ihren Anliegen schon einmal die Beratungsstelle der Hochschulen aufgesucht hat. Sie hat die Beratung durch eine unabhängige Fachperson als sehr hilfreich empfunden und ermutigt Annelien dazu, sich ebenfalls Unterstützung zu suchen. Annelien folgt dem Rat und wendet sich an die Beratungsstelle ihrer Hochschule. Mit deren Unterstützung hofft sie, Wege zu finden, wie sie in diesem Spannungsfeld authentisch bleiben und zugleich ihre Abhängigkeit von ihrem Doktorvater reduzieren kann.
Proaktive Massnahmen
Richtlinien / Verhaltensgrundsätze:
Klare Richtlinien und Verhaltensgrundsätze (z.B. Code of Conduct) gegen Diskriminierung, diskriminierende Äusserungen, Mobbing und Belästigung implementieren.
Schutz der persönlichen Integrität:
Prozess zum Schutz der persönlichen Integrität an der Hochschule implementieren und einfach zugänglich machen.
Schulung und Sensibilisierung:
Sensibilisierungsmassnahmen und Schulungen zu LGBTIAQ+ und Diversity allgemein durchführen, um die Awareness für die Thematik zu erhöhen.
Information und Beratung:
Spezifische Informationen und Beratungsangebote zu den Themen sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und körperliche Geschlechtsmerkmale zugänglich machen. Unterstützung bei Coming-out, Transition sowie bei Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen gewährleisten.
Reaktive Massnahmen
Vertrauliche Beschwerdeverfahren:
Wirksame und vertrauliche Beschwerdeverfahren implementieren, um auf Vorfälle zu reagieren. LGBTIAQ+ Personen informieren, an wen sie sich wenden können.
Interne Vertrauenspersonen:
Interne Vertrauenspersonen können als Erstkontakt mit Anliegen und Fragen angesprochen werden. Sie sollten im Umgang mit LGBTIAQ+ Personen geschult sein und unterliegen einer Schweigepflicht.
Externe Anlaufstellen:
Auf externe Informations- und Beratungsangebote von LGBTIAQ+-Organisationen und Dachverbänden (TGNS, InterAction, LOS, Pink Cross) hinweisen, an die sich LGBTIAQ+ Studierende bei Fragen, Anliegen oder bei Vorfällen wenden können.
Vorfälle transparent aufarbeiten:
Meldungen von Vorfällen ernst nehmen, mit den Betroffenen das Gespräch suchen und versuchen, gemeinsam eine Einigung zu finden. Falls nötig, weitere Schritte einleiten.
Awareness
- Alle haben ein Interesse daran, in ihrer Identität anerkannt, respektvoll angesprochen und angemessen repräsentiert zu werden.
- Die sexuelle Orientierung sagt etwas darüber aus, von welchem Geschlecht/welchen Geschlechtern sich eine Person sexuell und/oder romatisch angezogen fühlt.
- Die sexuelle Orientierung ist Teil der schützenswerten Persönlichkeitsrechte. Jede Person entscheidet selbst, wer über ihre sexuelle Orientierung Bescheid weiss.
- Die sexuelle Orientierung einer Person kann nicht von ihrem Erscheinungsbild abgeleitet werden.
- Teile der eigenen Identität verbergen zu müssen kostet viel Anstrengung und kann dazu führen, dass Personen sich unsicher und nicht zugehörig fühlen.
Support
- Unterschiede anerkennen und respektieren.
- Empathie schaffen und emotionale Unterstützung bieten durch aufmerksames Zuhören und Anerkennen der Erfahrungen und Bedenken von LGBTIAQ+ Personen.
- Sich über die geltenden Rechte und Anliegen von LGBTIAQ+ Personen informieren und dafür einsetzen. LGBTIAQ+ Personen in ihren Belangen bestärken.
- Interesse daran zeigen, was Anderen widerfährt. Nicht über – sondern mit LGBTIAQ+ Personen sprechen.