Forschung: Geschlechtervielfalt erfassen

Stereotype und vereinfachende Normvorstellungen werden der menschlichen Vielfalt nicht gerecht. In der Forschung kommt es besonders auf eine angemessene Abbildung verschiedener Identitäten und Lebensrealitäten an.

Ning sucht im Rahmen von ihrem Informatikstudium ein Master-Thesis Thema im Bereich LGBTIAQ+. Sie entscheidet sich, eine App zu entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse der LGBTIAQ+ Gemeinschaft zugeschnitten ist. In einem begleitenden Forschungsprojekt will sie nun Daten sammeln, um die Bedürfnisse aller potenziellen Nutzer:innen besser zu verstehen und zu erfassen. Um jede Nutzer:innen-Gruppe angemessen zu repräsentieren, spielen für Ning auch die individuellen Aspekte von Geschlecht eine Rolle bei ihrer Datenerhebung. Bei der Besprechung des zusammengestellten Fragebogens weist die betreuende Dozentin Ning darauf hin, dass sie die binären Geschlechter («weiblich», «männlich») plus «Andere» als Auswahloptionen ausreichend finde. Ning ist enttäuscht, da der Fragebogen so die vielfältigen Identitäten von LGBTIAQ+ Personen nicht angemessen repräsentiert. Sie möchte den Fragebogen in dieser Form nicht an ihre queere Community senden. Sie sucht erneut das Gespräch mit der Dozentin, um ihr die Situation zu erklären. Sie zeigt ihr auch aus ihrer eigenen Erfahrung als intergeschlechtliche Person auf, welche Herausforderungen im Zusammenhang mit Geschlechterkategorien auftreten können.

Die Dozentin zeigt sich offen, Ning verspürt aber auch Berührungsängste, die die Dozentin mit dem Thema zu haben scheint. Gemeinsam suchen sie nach Wegen, wie der Fragebogen inklusiver gestaltet werden kann. Ning nimmt wahr, dass die Dozentin zu verstehen beginnt, dass sich LGBTIAQ+ Personen von stereotypen und vereinfachenden Kategorien in einem Fragebogen ausgeschlossen fühlen. Sie meint, dass es sicherlich wichtig wäre, dies auch mal mit anderen Dozierenden zu besprechen. Gleichzeitig merkt sie an, dass es in den Reglementen oder Leitfäden der Hochschule bisher kaum Richtlinien für den Umgang mit solchen Themen gibt. Das mache es schwieriger, verbindliche Massnahmen zu ergreifen. Die Dozentin verspricht Ning, das Thema im nächsten Austausch in der Lehre einmal zu adressieren.

Rückansicht von Ning vor dem Moodboard zur Entwicklung ihrer App. An dem Moodboard sind verschiedene Zettel mit Notizen und Skizzen befestigt. In einer Denkblase über Nings Kopf steht: «Geschlecht erfragen – wie mache ich es richtig?» Bild vergrössern

Inklusive Forschung sicherstellen:

In den Richtlinien oder Merkblättern zu Forschung auf die Wichtigkeit der Berücksichtigung von vielfältigen Lebensrealitäten hinweisen. Konkrete Vorschläge für die Umsetzung, bspw. bei der Erfassung von Geschlecht in Fragebogen, bereitstellen.

Schulung und Sensibilisierung:

In der Methodenausbildung von Studierenden und Dozierenden explizit auf die entsprechenden Richtlinien und Merkblätter zur inklusiven Gestaltung von Forschungsprojekten hinweisen. Betreuungspersonen machen Studierende darauf aufmerksam, falls sie in ihren Fragestellungen und Formulierungen relevante Gruppen ausschliessen oder nicht erreichen können.

Forschungskritik gemeinsam mit Studierenden:

Stereotype und vereinfachende Konzepte in Forschungsarbeiten als Diskussionsgrundlage im Unterricht nutzen, um kritisches Denken zu fördern und die Bedeutung von stetiger Weiterentwicklung in der Wissenschaft zu unterstreichen.

  • Alle haben ein Interesse daran, in ihrer Identität anerkannt, respektvoll angesprochen und angemessen repräsentiert zu werden.
  • Die Geschlechtsidentität, bevorzugte Anrede und Pronomen einer Person können nicht eindeutig aus deren Name, Erscheinungsbild oder Angaben in amtlichen Dokumenten abgeleitet werden.
  • Als «Intergeschlechtlichkeit» werden angeborene Variationen körperlicher Geschlechtsmerkmale bezeichnet. Intergeschlechtlichkeit kann anatomisch, hormonell, chromosomal oder genetisch bedingt sein und hat nichts mit der Geschlechtsidentität einer Person zu tun. Intergeschlechtliche Personen können sich als Frau oder Mann indentifizieren oder eine nicht-binäre Geschlechtsidentität haben.
  • Unterschiede anerkennen und respektieren.
  • Mit LGBTIAQ+ Studierenden zusammenarbeiten, um individuelle und stimmige Lösungen zu finden.
  • Jede Person mit den bevorzugten Pronomen und Namen ansprechen. Andere ermutigen, dies ebenfalls zu tun.
  • Spezifische Informationen erfassen: Kenntlich machen, welche sepzifische Angabe gebraucht wird, z.B. Anrede oder selbstbestimmtes Geschlecht (entsprechend der Geschlechtsidentität) und zu welchem Zweck. Ausweichoptionen anbieten («Keine Angabe») und den amtlichen Geschlechtseintrag nur erfassen, wenn diese Angabe unbedingt benötigt wird.

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