Intervention bei Langzeitbezug in der Sozialhilfe
Langzeitbezug in der Sozialhilfe ist ein gesellschaftliches Problem. Deshalb testete die BFH in Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und der SKOS den neu entwickelten Beratungsansatz «Richtungswechsel» für Langzeitbezüger*innen.
Fiche signalétique
- Départements participants Travail Social
- Institut(s) Institut organisation et gestion sociale
- Organisation d'encouragement Innosuisse
- Durée 01.08.2020 - 31.07.2023
- Direction du projet Prof. Dr. Simon Raphael Steger
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Équipe du projet
Prof. Dr. Dorian Kessler
Katharina Eiler
Nathalie Joder
Pascale Keller
Markus Fehlmann
Markus Bieri
Martina Nay - Mots-clés Richtungswechsel, Langzeitbezug, Sozialhilfe, Intervention, Experiment, Armut
Situation
Langzeitbezug in der Sozialhilfe ist gesellschaftlich problematisch. Einerseits schwinden mit zunehmender Bezugsdauer die Chancen Betroffener auf wirtschaftliche Unabhängigkeit. Anderseits kann andauernde Armut dazu führen, dass Menschen aufgrund fehlender Perspektiven resignieren. Bislang gibt es jedoch keine Beratungsansätze, die sich gezielt an Langzeitbezüger*innen richten. In der vorliegenden Studie wurde deshalb untersucht, inwiefern es gelingt, mit einer neuen Intervention Kompetenzerleben und Wohlbefinden von Langzeitbezüger*innen zu verbessern und die Sozialhilfe- und Gesundheitskosten zu verringern. Das Projekt wurde von der Innosuisse mitfinanziert.
Approche
Die Wirkung der Intervention wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht, die in vier Sozialdiensten durchgeführt wurde (N = 106). Per Zufallszuteilung wurden die Studienteilnehmenden während drei Monaten entweder gemäss dem Ansatz «Richtungswechsel» unterstützt (n = 48), oder aber sie erhielten die übliche persönliche Hilfe (n = 58). Die Studienteilnehmenden wurden am Anfang und am Ende der Intervention zu ihrem Kompetenzerleben (= Kontrollüberzeugung) und ihrem Wohlbefinden (= Vitalität, Lebenszufriedenheit) befragt. Anhand von Administrativdaten der Sozialdienste wurden zudem die Sozialhilfe- und Gesundheitskosten vor der Intervention und zwölf Monate danach erhoben. Mit multiplen Regressionsanalysen wurde getestet, inwiefern sich zwischen Interventionsbeginn und -ende die Variablen Kontrollüberzeugung, Vitalität und Lebenszufriedenheit verändert haben und inwiefern sich die Veränderungen bei den beiden Gruppen unterscheiden. Ergänzend fand ein halbes Jahr nach dem Programm eine Nachbefragung in Form von Interviews statt, um mehr über die Funktionsweise der Intervention sowie den persönlichen Nutzen der Teilnehmenden zu erfahren.
Résultat
Die Studienergebnisse zeigen, dass die Intervention «Richtungswechsel» die Kontrollüberzeugung und Vitalität der Langzeitbezüger*innen bedeutsam und überzufällig erhöht. Die beforschte Personengruppe fühlte sich dank der Beratung weniger oft ihren Problemen ausgeliefert sowie weniger häufig müde und erschöpft. Hingegen blieb ihre Lebenszufriedenheit am Ende der Intervention unverändert. Erklären lässt sich dies zum Beispiel dadurch, dass die Lebenszufriedenheit stark vom Zustand wichtiger Lebensbereiche abhängt, die sich am Ende der Beratung nicht verändert haben (z.B. eine Arbeit haben, physische Gesundheit). Gleiches gilt für die Sozialhilfe- und Gesundheitskosten, die sich in beiden Gruppen vergleichbar entwickelt haben. Dies dürfte zum Beispiel auf den Arbeitsmarkt zurückzuführen sein, der schwierig ist für die Teilnehmenden, die im Schnitt bereits rund sechs Jahre Sozialhilfe beziehen. Aus der Studie lässt sich ableiten, dass die neu entwickelte Intervention die Ziele teilweise erreicht. Der Ansatz befähigt Personen, Herausforderungen im Leben anzugehen und trägt dazu bei, dass diese sich besser fühlen. Es ist deshalb angemessen, die Intervention Langzeitbezüger*innen anzubieten und die Wirkungsforschung fortzuführen. Dabei scheinen jedoch organisatorische Anpassungen der Sozialdienste notwendig zu sein, um auch Effekte auf den Sozialhilfestatus erzielen zu können (z.B. Interventionsbeginn nach drei Bezugsjahren, Gewährleistung der Nachbetreuung).
Perspectives
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hat entschieden, den Unterstützungsansatz allen Sozialdiensten in Form eines Weiterbildungsangebots zugänglich zu machen.