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Mit BIM ist alles möglich
25.06.2020 An BIM führt kein Weg vorbei – dieser Realität müssen sich Fachleute der Baubranche stellen. Zafer Bildir befasst sich seit Jahren mit Formen des digitalen Bauens. Der Dozent im CAS Digital Planen, Bauen, Nutzen war Projektleiter des Neubaus eines Gebäudes des Inselspitals. Gebaut wurde mit BIM. Das hat sich als Vorteil erwiesen.
Sie haben am Inselspital mit BIM gebaut. Welche Vorteile konnten Sie beim Bauen mit BIM feststellen?
Im Inselspital mussten Daten von über 3500 Räume und Türen koordiniert werden. Dabei hat sich BIM als Riesenvorteil erwiesen. Für den Bauherrn ist es essentiell, eine klare Bestellung abgebildet zu haben. Jeder Raum besitzt Angaben über die räumlichen Verhältnisse sowie alle Objekte und Hilfsmittel, die in ihm enthalten sind, bis hin zu den Sicherheitssystemen in den Türen. Bei so vielen Räumen kommt eine Fülle von Daten zusammen, die man ohne die bauteilbasierte Datenstruktur nicht mehr handhaben und vor allem nicht schnell genug mit dem Raum vor Ort auffinden kann. Mit nur einem Klick kann ich so im Modell alle zum Raum gehörigen Daten einsehen.
Wie würden Sie BIM, also Building Information Modeling umschreiben?
Definieren würde ich es so: BIM ist eine neue Planungsmethode, mit der die Planung, Ausführung und der Betrieb mithilfe der Erstellung eines digitalen Gebäude- und Datenmodells optimiert werden. Daraus ergeben sich für den Prozess entscheidende Vorteile, weil alle Involvierten gleichzeitig mit dem Modell arbeiten können. Als Grundlage wird ein 3D-Modell eingesetzt, das mit Informationen der verschiedenen Planungspartner angereichert und von allen Partnern genutzt wird. Als Ergebnis erhält man konsistente BIM-Modelle, die dem Projekt über die gesamte Planungs-, Bau- und Betriebszeit zur Verfügung stehen – quasi ein digitaler Zwilling. Durch BIM werden die bisherigen Planungsprozesse neu definiert und erweitert. Allerdings muss auch der Bauherr die volle Ausnutzung von BIM bis ins Facility Management unterstützen.
Seit wann etwa wird diese diese Methode angewendet?
In unserem Büro intern seit zehn Jahren. Allerdings nannten wir es nicht BIM, sondern «digitalisierte Planung». Dabei haben wir dreidimensional geplant, allerdings nur die Informationen im Modell geführt, die für uns als Architekten notwendig waren, ohne das Modell mit den Fachplanern auszutauschen. Nennen wir es «internes BIM zur Planungsoptimierung des Architekten».
Welchen Hauptmehrwert bringt aus Ihrer Sicht digitales Bauen, Realisieren und Betreiben mit BIM?
Mit BIM rücken Bauherr und Planer enger zusammen. Der Bauherr ist direkt in den Koordinationszyklus des Planungsteams integriert. Durch die visuelle Darstellung aller planungsrelevanten Themen können räumliche Aspekte mit den Planerinnen und der Bauherrenorganisation leichter besprochen und mit gleichem Verständnis entschieden und Fragen rascher geklärt werden.
Alle Beteiligten greifen somit auf dieselben Informationen zu und sprechen vom selben?
Exakt. Sämtliche Informationen werden in einem digitalen Raumbuch zusammengeführt und lassen sich fortlaufend systematisch aufbauen und koordinieren. Alle Beteiligten können online darauf zugreifen. Der Informationsverlust wird so auf ein Minimum reduziert. Aus Sicht des Generalplaners stellt sich nun nicht mehr die Frage ‹ob BIM›, sondern ‹wie viel BIM?›
Was ist das allerwichtigste am Bauen mit BIM?
Transparenz ist entscheidend: Geht man ein erstes BIM-Projekt an, sollte man möglichst transparent und regelmässig im gesamten Planungsteam BIM-Themen oder -fragen, auch unangenehme, austauschen und zu klären versuchen. Auch ein vermeintlich funktionierender BIM-Prozess lässt sich immer optimieren. Die einzelnen Planer sollten sich auch in andere Planerthemen in Teilen hineindenken.
Und was fehlt aus Ihrer Sicht noch?
Im Bereich der Planung fehlt es noch an weiteren Vereinheitlichungen, beispielsweise von Bezeichnungssystemen in den Bauteilen. Derzeit ist jeder frei, seinem Bauteil einen Code zu geben. Würde hier aber ein allgemeiner Code (xxxxx-xxxxx-xxxxx) entwickelt, der den Bauteil eindeutig identifiziert, könnten bestimmte Grundinformationen für das Arbeiten in der dreidimensionalen Ebene in den CAD-Systemen helfen. Ausführliche Attribute können weiterhin gepflegt und geliefert werden, diese sind dann im IFC (Industry Foundation Classes) geregelt. Auch im Bereich der Ausführung auf der Baustelle könnte mit der BIM-Methodik noch einiges unterstützt werden.
Welche spezifischen oder «neuen» Fähigkeiten und Kompetenzen setzt das Arbeiten mit BIM voraus?
An BIM führt kein Weg vorbei, alle bisherigen Projektleiter müssen sich in das Thema eindenken. Für die Umsetzung braucht es Architektinnen und Architekten, die sich auf BIM spezialisiert haben. Spricht man von «BIM-Koordination», meint das einerseits eine räumliche Koordination, die teilweise auch zu Detaildiskussionen führen kann. Andererseits berühren manche Fragen auch gewerkespezifische Themenbereiche. Generell sollten die Kompetenzen im Bereich der dreidimensionalen Planung sowie die Nutzung von Hilfsmitteln wie einer VR-Brille und einem 3D-Modell-Viewer weiter ausgebaut werden.
Zur Person
Zafer Bildir war Projektleiter für den Neubau Spitalgebäude Baubereich 12 bei der Archipel Generalplanung Bern bis 2020. Aktuell wickelt er Projekte für die Generalplanung der ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS in Köln ab, die Teil der Planergemeinschaft Archipel ist. Er nutzt seine langjährige Erfahrung mit komplexen Hochbauprojekten zur Steuerung der Planungsinhalte und -prozesse. Sein besonderes Augenmerk gilt der Digitalisierung des Planungs- und Bauablaufs unter Anwendung von BIM-Use-Cases. Zafer Bildir ist Dozent im CAS Digital Planen, Bauen, Nutzen – BIM sicher anwenden.
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Wie verändert sich die Rolle der Architektin, des Architekten beim Bauen mit BIM?
Der Architekt, früher Baumeister, koordiniert ein Projekt, mit BIM erhält er ein neues Hilfsmittel. Mit BIM als Steuerungsinstrument kann er diesen Prozess besser bewältigen.
Wie haben Sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit beim Bauen mit BIM konkret erlebt?
Mein erstes BIM-Projekt, das Inselspital Bern, hat mir eine intensivere integrale Planung nähergebracht. Im Planungsprozess hatte ich dadurch einen grösseren Überblick, auch über die Fachplaner, die am selben Projekt arbeiten. Zu Beginn muss man den Umgang mit der plötzlichen Transparenz, die im Projekt durch das Liefern von Modell und Informationen gelebt wird, erst lernen. Man schaut in Modelle, in welchen der Architekt zwei Wochen weiter ist als die Haustechnik. Aber anders geht es nicht. Lebt man sich aber gemeinsam mit dem Bauherrn und den Planern in den Planungsprozess ein und reden alle miteinander, entwickelt sich ein gutes Planungsumfeld für alle Beteiligten.
Sie sind Referent für das CAS Digital Planen, Bauen, Nutzen der Berner Fachhochschule. Was vermitteln Sie den Teilnehmenden?
Die Teilnehmenden sollen spüren, dass BIM ein weites Feld ist. Darin kann man aktuell sehr viel Feldforschung betreiben und projektspezifische, neue BIM-Anwendungen kreieren.
Warum sollte ich als Architektin, Bauingenieur oder Holzbauer dieses CAS jetzt besuchen?
Weil in diesem CAS versucht wird, sämtliche Bereiche der BIM-Welt zu beleuchten. Es gibt Referate von Kostenplanern, Digitalisierungsprofis, Haustechnikplanerinnen oder Generalplanern/Architekten wie mir. Dadurch bringen alle den Studierenden jeweils ihre eigene Sicht auf BIM näher und die Studierenden gewinnen einen aktuellen Einblick in sehr, sehr viele unterschiedliche BIM-Themen.
Wohin geht die Reise Ihrer Meinung nach beim digitalen Bauen in Zukunft? Worauf müssen sich Fachleute und Unternehmen einstellen?
In den nächsten Jahren werden die Themen Kollaboration und Digitalisierung der Baustellen weiter vorangetrieben. Der Kontakt zu den Firmen und Generalunternehmern (GU) geht weiter Richtung digitaler Wandel. Ich denke, in Zukunft wird es ein Leistungsverzeichnis nur noch BIM-basiert geben, und dieses wird durch den GU auch als bepreistes Modell zur Auswertung erneut an die Ausschreiber zurückgespielt werden.
Wo würden Sie Unternehmen der Baubranche empfehlen, zuerst anzusetzen?
Ich denke, hier braucht es einen intensiven Austausch zwischen Planern und Baubranche, um die Bedürfnisse und Möglichkeiten miteinander zu klären. Nur so können Mehrwerte für beide Seiten generiert werden.
Könnte man sagen, dass ein mit BIM erbautes Projekt nie ganz fertig ist, weil man es später anders nutzen könnte?
Ja, das wird so sein. Da beginnen wir über das Nachleben eines Gebäudes zu sprechen. Daher könnte man den Bauteilen auch die Informationen geben, wie sie abgerissen und entsorgt werden und welchen CO2-Fussabdruck dies für die Erdbevölkerung darstellen würde. Mit BIM ist alles möglich.