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Programmieren? Es geht auch einfacher!
02.12.2022 Die Zeitschrift Technik und Wissen war an der BFH zu Besuch und schreibt über die neuen Möglichkeiten von leicht programmierbaren, kollaborativen Robotern, an denen das Team um Sarah Dégallier Rochat im Institute for Human Centered Engineering forscht.
In den Produktionshallen dieser Welt arbeiten immer mehr Roboter. Im 2020 wurden weltweit insgesamt 384 000 neue Roboter ausgeliefert und somit stehen wohl über drei Millionen Roboter im Einsatz, kann man im «World Robotics 2021»-Report der International Federation of Robotics (IFR) nachlesen. Dass die konventionellen Industrieroboter die Mehrheit ausmachen, scheint ausser Frage zu sein. Dass aber die Cobots noch immer nur marginalen Anteil am Markt haben, erstaunt. Unter den 384 000 verkauften Robotern waren nämlich nur gerade 22 000 Cobots – das sind lediglich knapp sechs Prozent.
Sarah Dégallier Rochat von der Berner Fachhochschule ist da nicht sonderlich erstaunt. «Mit den Cobots kam zwar eine Demokratisierung der Roboter; aber so einfach einzusetzen, wie man sich das wünscht, sind Cobots dann auch wieder nicht.»
Auf einen ähnlichen Befund kommt auch die Firma Reichelt nach einer Umfrage. Zwar seien Cobots tatsächlich am Kommen, aber eine der grössten Schwierigkeiten für die Einführung von Robotern ist, dass die Installation mit hohem Aufwand verbunden ist. Für ein Viertel der Befragten sei es aber erfolgskritisch, dass bei der Auswahl von Robotern darauf geachtet wird, dass sie leicht und schnell umprogrammierbar sind (siehe auch Infobox: Die Cobots kommen!).
Cobots müssen noch flexibler werden
Der Sinn und Zweck beim Einsatz kollaborativer Roboter ist hauptsächlich die Arbeit an der Seite von Menschen in der Fertigung und in industriellen Umgebungen. Cobots und Menschen sollen nahtlos zusammenarbeiten. Das verlangt im Gegensatz zu einem Industrieroboter, dass er auch schneller auf neue Aufgaben eingestellt werden kann. Gute Vorarbeit haben die Hersteller von Cobots sicher geleistet. Die Einrichtung der Cobots kann oft durch eine Teach-Funktion erreicht werden, was schon eine erhebliche Vereinfachung darstellt. «Bei einfachen Prozessen kann das tatsächlich schnell funktionieren. Sobald aber ein wenig Adaptivität notwendig ist, die Situation also komplexer wird, dann funktioniert das nicht mehr», sagt Sarah Dégallier Rochat. Und dann geht erstens viel Zeit verloren und man müsste einen Roboterexperten oder einen Integrator vor Ort haben. Doch gerade heutzutage, wo High-Mix und Kleinserien zunehmen, ist Flexibilität unabdingbar und Firmen würden gerne auch Roboter-Laien mehr Verantwortung übergeben.
Vorausahnen und mit Wahrscheinlichkeiten umgehen
Die Vision ist daher, dass eine Roboterzelle so einfach aufgebaut ist, dass diese Adaptivität schneller erreicht wird. Cobots sollten daher nicht mehr mühsam programmiert werden. Im Grunde genommen müssten Cobots also vieles vorausahnen und müssten auch robust mit Ungenauigkeiten der Sensoren oder des Modells umgehen können. Und in erster Linie sollten sie auf einfachste Art und Weise programmiert werden können, wobei es keine Rolle spielen darf, ob ein Fanuc-Roboter in der Zelle steht oder ein Cobot der Marke Universal Robots, ABB, Bosch Rexroth oder Stäubli. Und auch andere eingebundene Systeme sollten keine Schnittstellenproblematik kennen.
Genau daran wird in den Labors der Berner Fachhochschule gearbeitet. Die bereits aufgebauten Demonstratoren in den Labors sind jeweils mit einem Roboter bestückt (Fanuc, Universal Robots, Mecademic) und sind mit intelligenten Bildverarbeitungssystemen versehen. Diese modellieren den Arbeitsbereich auch auf Grundlage von A-priori-Informationen wie CADDateien oder Prozessbeschreibungen.
«Doch wichtig ist auch, dass dieser digitale Zwilling, den wir mit dieser Modellierung abbilden, in Echtzeit auf Informationen reagieren kann», sagt Sarah Dégallier Rochat. Das heisst, ein Anwender soll immer sofort sehen, was der Roboter machen wird. Das ist heutzutage meist noch immer nicht der Fall. Passiert nämlich ein Fehler, erkennt man nicht, woran es liegen könnte. Ein Beispiel: Der Roboter erkennt nicht, dass zwei Objekte einfach nur zu nahe beieinanderstehen; er nimmt es als ein einziges Objekt wahr. Dieses Objekt wird nun angezeigt und der Anwender sieht auf dem Bildschirm sofort, dass der Roboter ja nur ein Objekt erkennt. Er kann nun die Beleuchtung des Vision-Systems verändern oder die Parameter anpassen.
Vom passiven zum aktiven Anwender
Noch hört sich das an, als ob man trotz allem eine Spur Fachwissen braucht. «Das ist so», sagt Sarah Dégallier Rochat, «um das volle Potenzial auszuschöpfen, braucht es natürlich Expertise. Deshalb erstellen wir einfache Tutorials und hier kann man immer tiefer gehen und sich diese Expertise aufbauen.» Aber die Einstiegshürde sei tief und man könne sein Wissen fortlaufend und auf einfachste Weise vertiefen. Dégallier Rochat: «Dahinter steckt auch ein grundlegendes Problem, das wir angehen wollen. Der Operator ist normalerweise eher passiv. Wenn ein Fehler passiert, dann löst er diesen nicht, weil er denkt, dass er das nicht kann. Oder weil die Programmierschnittstellen so gemacht sind, dass der Operator so wenig wie möglich eingreifen kann. So will man Fehler verhindern. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Anwendern mehr Vertrauen zu geben, sie sicherer zu machen im Umgang mit Robotern. Durch diese Tutorials bekommen sie eine Idee, wie das System funktioniert. Aber das Minimum muss schon reichen, um ihm Vertrauen zu geben.»
Pick Cube and place on red square
Doch wie funktioniert eine einfache Programmierung? «Sie funktioniert über «natürliche» Sprache, also wie ein Bediener etwas seinem Kollegen erklären würde», sagt Sarah Dégallier Rochat. Man holt sich dabei aus den verschiedenen Ebenen, wie zum Beispiel Aufgaben, Fähigkeiten oder Geräteeigenschaften, das passende Element und kombiniert diese. Das liest sich im Endeffekt so: Pick Cube and place on red square. Repeat until pallet is full. Die kursiven Wörter sind die vom Anwender eingefügten Parameter.
Auf den aufgebauten Demonstratoren funktioniert alles bereits ziemlich flüssig. Sie werden ab Januar 2023 bei einer Firma getestet, die dieses Projekt angekurbelt hat. Doch es ist bei Weitem kein Projekt, das nur dieser Firma zukommt. Bereits ist ein Spin-off eingebunden mit dem Namen Auto-Mate Robotics (ehemals «Power Up!»), das die Forschungsresultate weitertreibt und die Roboterzelle weiter ausreift, so dass die Industrie davon profitieren kann (siehe auch Infobox: «Förderung der Gebert Rüf Stiftung»).
Infoboxen
Start-up «Auto-Mate Robotics» (ehemals «Power Up!») erhält «First Ventures»-Förderung der Gebert Rüf Stiftung
Ihre Idee hat überzeugt: Lucas Renfer, Christian Wyss und Charly Blanc erhalten für ihr Start-up Auto-Mate Robotics CHF 150'000 Förderung von der Gebert Rüf Stiftung. Mit Auto-Mate Robotics wollen sie ein flexibles und kollaboratives Automatisierungssystem entwickeln. Dieses soll in Firmen zum Einsatz kommen, welche Produkte in kleinen Mengen und mit vielen verschiedenen Varianten herstellen. In diesem Bereich wird oftmals noch auf Handarbeit gesetzt, da sich traditionelle Automatisierungslösungen finanziell nicht lohnen. Ein anpassungsfähiges und leicht programmierbares Robotersystem hat das Potenzial, die Produktionskosten zu senken und gleichzeitig die Kompetenzen und Aufgabenbereiche der Mitarbeitenden zu erweitern.
Die Cobots kommen – aber es gibt auch Hürden
Längst sind Roboter und smarte Helfer keine Seltenheit mehr in schweizerischen Betrieben. Dennoch scheint das volle Einsatzpotenzial noch nicht ausgeschöpft zu sein. Reichelt Elektronik hat hierzu mehr als 1500 Unternehmen aus der Industrie – darunter 200 aus der Schweiz – befragt.
Ganze 81 Prozent stimmten zu, dass der Einsatz von Robotern dazu beiträgt, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Als Tätigkeitsfeld wird mit fast 52 Prozent die Produktion und Fertigung genannt. Konkrete Arbeiten sind dabei: Maschinen zusammenbauen oder beladen, Packaufgaben, Schweissen und auch Palettieren, stapeln, abtransportieren.
Obwohl sich Roboter wachsender Beliebtheit erfreuen, liegt eine der grössten Schwierigkeiten bei der Einführung von Robotern, und zwar, dass die Installation mit hohem Aufwand verbunden ist (47 %). Eine ähnlich grosse Hürde (45 %) stellt die Wartung und Instandhaltung dar.
Damit die Implementierung von Robotern erfolgreich umgesetzt werden kann, wünschen sich Schweizer Unternehmen hauptsächlich Flexibilität von den smarten Maschinen. 73 Prozent halten es für wichtig, dass der Roboter vielseitig einsetzbar ist. Ebenso sieht es über ein Viertel (27 %) der Befragten als erfolgskritisch, dass bei der Auswahl von Robotern darauf geachtet wird, dass sie leicht und schnell (um)programmierbar sind.