Digitale Transformation muss dem Menschen dienen

09.05.2023 Digitale Transformation – quo vadis? Unter diesem Titel stellte Bastian Widenmayer, Dozent der Berner Fachhochschule, seine Überlegungen dem Publikum anlässlich der 14. Verleihung des WI-Awards der Vereinigung Wirtschaftsingenieure Schweiz vor. Herausfordernd sei nicht die Technik, sondern die Bestimmung der menschlichen Bedürfnisse.

«Denke, bevor du handelst»: Das versuchten uns bereits die Grosseltern beizubringen. Reflexion, bevor die Digitalisierung im Unternehmen angegangen werde – das empfiehlt Prof. Dr. Bastian Widenmayer, Dozent für Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Berner Fachhoch- schule, in seinem Referat. «Um von der Digitalisierung möglichst viel zu profitieren, muss man zuerst überlegen, was man tut», rät er. Der Erfolg halte Firmen teilweise davon ab, eine Digitalisierung mit letzter Konsequenz anzugehen. Notwendige Entscheidungen werden verzögert, da sie oftmals auch schmerzlich sein können.
Teils sei die fehlende digitale Transformation auch dem Unverständnis der technischen Veränderung und deren exponentiellen Entwicklung respektive Auswirkung geschuldet. Und nicht zuletzt liege es – so Bastian Widenmayer – nicht in der menschlichen Natur, sich verändern zu wollen. Die Digitalisierung verändere die Gesellschaft, sei von Skeptikern zu hören. Allerdings gelte dies auch umgekehrt, meint Widenmayer. Auch die Gesellschaft verändere die Digitalisierung. «Es ist eben komplex und es gibt keine klare Kausalkette.» Eine Studie von PwC aus dem Jahre 2022, die zeigt, dass 64% der Unternehmen in der Schweiz erst am Anfang der digitalen Transformation stehen, lässt eine bewegte Zukunft erahnen. Dass sich die digitale Transformation teils nur langsam entwickle, liege oft am sogenannten Techno-Chauvinismus. Diesem unterliegt die Annahme, dass die Technologie alle unsere Probleme löst. «Perse löst Technologie gar kein Problem. Erst wenn wir ein tiefes Verständnis der zu lösenden Herausforderung haben und Fähigkeiten in der Anwendung der Technologie besitzen, können wir Mehrwert schaffen», meint der durchaus technikaffine Widenmayer. «Falls wir die Bedürfnisse der Menschen zu wenig kennen, digitalisieren wir uns an den wirklichen Problemen vorbei.»
Ein Beispiel dafür sei die App für Autounfälle, schildert Widenmayer. «Nach dem Unfall ist wichtig, dass niemand verletzt ist. In dem Moment denkt niemand an eine App, die man zuvor noch nie gebraucht hat.» Krisensituationen beschleunigen die Veränderung. Das hat nicht zuletzt die Coronapandemie gezeigt. Krisen rufen Emotionen hervor. Diese können für die digitale Transformation genutzt werden, schlägt Widenmayer vor. Allerdings sei dabei unbedingt zu beachten, dass Veränderungen, die aus negativen Emotionen wie Angst entstehen, nicht nachhaltig seien. Wichtig sei es deshalb, über positive Emotionen die digitale Transformation anzutreiben. Etwa über den Ausblick, was in Zukunft erreicht werden kann. Und schliesslich – laut Widenmayer die schwierigste Aufgabe – sei es wichtig, die Komplexität, die aus der digitalen Transformation entstehe, auszuhalten und nicht permanent zu versuchen, sie zu reduzieren.

WI-Award

Jedes Jahr zeichnet die Vereinigung Wirtschaftsingenieure Schweiz (VWI) die beste Bachelor- und die beste Masterarbeit schweizweit mit dem WI-Award aus. Der WI-Award wurde dieses Jahr zum 14. Mal vergeben. Elf Arbeiten wurden von den Partnerschulen der VWI eingereicht und von der Jury unter die Lupe genommen. Die drei besten Bachelor- und die drei besten Masterarbeiten präsentierten die Verfasser an der Verleihung des Awards. Kriterien zur Beurteilung der Arbeiten sind die wirtschaftliche Umsetzbarkeit, Nachhaltigkeit, der Praxisbezug, aber auch die Herangehensweise an eine Problemstellung und die Darstellung.

Autorin

Charlotte Pauk. Der Artikel erschien erstmals in der Zeitschrift MQ Management und Qualität 3-4/2023 auf Seite 24.

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