Wie die Dauer des Arbeitslosengeldbezugs die Gründungsmotivation und das Wachstum von Start-ups beeinflusst

10.10.2024 Können aus der Arbeitslosigkeit erfolgreiche Unternehmensgründungen entstehen? Und wie hängen die Erfolgsaussichten von der Dauer der Arbeitslosigkeit und des Arbeitslosengeldbezugs ab? Martin Murmann, Forscher am Institut for Innovation & Strategic Entrepreneurship hat gemeinsam mit Sebastian Camarero Garcia von der Deutschen Bundesbank mögliche Zusammenhänge zwischen der Gründung von Unternehmen und einer vorherigen Arbeitslosigkeit untersucht.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die (optimale) Gestaltung der Arbeitslosenversicherungssysteme wichtige Effekte darauf hat, ob innovations- und wachstumsorientierte Unternehmen aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet werden. Ein längerer möglicher Bezug von Arbeitslosengeld führt zu längerer tatsächlicher Arbeitslosigkeit und senkt die Wahrscheinlichkeit mit einem Wachstumsmotiv zu gründen und erfolgreich zu sein. Für Existenzgründer*innen sowie ihre Gläubiger und Investoren bedeutet dies, dass die Option, der Arbeitslosigkeit durch Selbstständigkeit zu entkommen, besser früher als später nach Eintritt in die Arbeitslosigkeit erkundet werden sollte - zum Beispiel, bevor das Sozialkapital der Unternehmer an Wert verliert und ihre Fähigkeit, in ihr Unternehmen zu investieren oder Sicherheiten zu stellen, abnimmt. Unternehmer*innen mit kurzer Arbeitslosendauer sind kaum von zuvor nicht arbeitslosen Gründer*innen zu unterscheiden.

Rechtzeitige Unterstützung durch frühere Massnahmen in der Arbeitslosenversicherung 

Angesichts des derzeitigen Mangels an Erkenntnissen über die Rolle der allgemeinen Gestaltung des Sozialversicherungssystems für den Erfolg von Existenzgründungen sind die Ergebnisse der Studie auch aus politischer Sicht von grosser Bedeutung. Denn die Motivation, ein Unternehmen zu gründen, ist ein guter Indikator für den Erfolg des aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründeten Start-ups. Die Verbesserung der rechtzeitigen Unterstützung zuvor arbeitsloser Gründer*innen, die durch eine unternehmerische Chance motiviert sind, kann also aus Sicht von Öffentlichkeit und Investoren eine gute Strategie sein. Gerade für politische Entscheidungsträger, deren Ziel bei Investitionen die Förderung innovationsorientierter Unternehmensgründungen ist, kann dies bedeuten, dass die Länge der potenziellen Leistungsdauer bei Arbeitslosigkeit ein wichtiger Hebel sein kann, um den Anteil der chancenorientierten Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus zu maximieren.

Anteil erfolgreicher Gründer*innen erhöhen 

Die Ergebnisse der Studie setzen daher neue Massstäbe für die Bewertung aktiver arbeitsmarktpolitischer Massnahmen, da diese in der Regel die Ausweitung der möglichen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und die Bereitstellung von Subventionen beinhalten, die den Leistungen der Arbeitslosenversicherung entsprechen. Doch diese aktiven arbeitsmarktpolitischen Massnahmen sind häufig auf Langzeitarbeitslose ausgerichtet. In Anbetracht der Studienergebnisse sollte man sich die Frage stellen, ob die derzeitigen Massnahmen für Langzeitarbeitslose sinnvoll sind, und sich nicht besser an Arbeitslose zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit richten sollten. Im Allgemeinen könnten Investitionen in frühzeitige Umschulungen und gezielte Gründungszuschüsse für Arbeitslose mit tragfähigen Geschäftsideen den Anteil der Gründer*innen mit hohem Erfolgspotenzial erhöhen. 

Über die Autoren

Martin Murmann ist Professor für Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Berner Fachhochschule. Martins Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Unternehmertum und Innovation. Insbesondere analysiert er das Zusammenspiel zwischen Gründer*innen und Angestellten in neuen Technologieunternehmen und die Wechselwirkungen zwischen den anfänglichen Einstellungs- und Organisationsentscheidungen der neuen Unternehmen und ihrem Innovationserfolg.

Dr. Sebastian Camarero Garcia ist Senior Economist/Policy Advisor bei der Deutschen Bundesbank und derzeit im Bundeskanzleramt tätig. Nach seiner Promotion in Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim hat er am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW Mannheim) gearbeitet. Seine Forschungsinteressen umfassen labour, public, monetary und financial economics.

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