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Tech für alle – statt Apps fürs Alter
21.10.2024 Wie hängen neue Technologien damit zusammen, wie wir ältere Menschen wahrnehmen? Diese Frage haben wir mit Altersforscher Jonathan Bennett besprochen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Vorurteil «Ältere Menschen können keine Technik» hält sich hartnäckig.
- Das Stereotyp beeinflusst, welche Technik entwickelt wird und wie das geschieht.
- Ältere Menschen profitieren von vielfältigen digitalen Angeboten.
- Leichte Zugänglichkeit und Relevanz sind entscheidend.
Was wirst du bei den Digital Days vorstellen?
Ein zentrales Anliegen von mir sind die Altersbilder in unserer Gesellschaft. Ältere Menschen sind sehr unterschiedlich, aber wir neigen dazu, die Lebensphase Alter auf eine einfache Formel zu bringen. Die Forschung zeigt klar, dass Menschen mit dem Älterwerden bestimmte Stereotypen verknüpfen.
Diese vereinfachten Vorstellungen – z.B. darüber, was ältere Menschen können oder nicht können – spiegeln oft nicht die Realität wider: Wir haben meist ein zu wenig differenziertes Bild vom Alter. So hat ein 65-jähriger Mensch ganz andere Bedürfnisse als ein 90-jähriger.
Digital Days 2024: Darum geht es
Die Stadt Biel, die Berner Fachhochschule und die Stadtbibliothek Biel laden Sie ein, die digitale Zukunft inklusiv zu erleben. Entdecken Sie mit uns, wie digitale Technologien unser Zusammenleben bereichern können.
Zum Beispiel am 18. November 2024 mit dem Vortrag von Jonathan Bennett: «Wie Bilder vom Alter die Entwicklung und Nutzung von Technologie prägen», Montag, 18.11.2024, 18.00–19.30 Uhr
Welche Stereotypen über ältere Menschen sind deiner Meinung nach heute am dominantesten?
Ein weit verbreitetes Stereotyp ist, dass man mit zunehmendem Alter kognitiv weniger leistungsfähig ist. Zwar mag dies für das Tempo der Informationsverarbeitung stimmen, nicht aber für die Lernfähigkeit an sich. Deshalb ist auch die Vorstellung, dass ältere Menschen mit der digitalen Transformation nicht mithalten könnten oder technologische Veränderungen weniger gut aufnehmen, kritisch zu hinterfragen.
Gleichzeitig gibt es auch positive Altersstereotypen: Ältere Menschen gelten als weise, freundlich und gelassen. Auch das trifft natürlich nicht generell zu.
Inwiefern sind altersbezogene Stereotypen problematisch?
Die Art, wie wir über ältere Menschen denken, hat direkte Konsequenzen für die technologische Entwicklung. Diese Altersbilder beeinflussen, wie Technologien gestaltet werden. Wenn wir davon ausgehen, dass ältere Menschen vor allem Hilfe brauchen, dann werden wir auch die technologische Entwicklung zu einseitig in diese Richtung vorantreiben und wesentliche andere Bedürfnisse übersehen.
Das kann dazu führen, dass viele dieser Assistenz- und Hilfsangebote relativ wenig genutzt werden – eben weil sie an der Zielgruppe vorbeientwickelt sind. Nur weil wir älter werden, wollen wir nicht auf Hilfsbedürftigkeit reduziert werden.
Smarte Hilfssysteme werden oft an älteren Nutzern vorbeientwickelt.
Nutzen ältere Menschen digitale Technologien denn anders als jüngere?
Ja, aber nicht so, wie es oft dargestellt wird. Das gängige Bild von älteren Menschen, die überfordert sind und Unterstützung brauchen, greift zu kurz. Hier müssen wir aufpassen, dass technologische Entwicklungen nicht auf Klischees fussen, statt auf wirklichen Bedürfnissen. Wir nehmen zu schnell an, dass wir schon wissen, was ältere Menschen brauchen.
Smarte Hilfssysteme sollen älteren Menschen helfen, länger selbstständig zu bleiben – das ist gut und wichtig. Aber die Frustration der älteren Nutzer rührt oft daher, dass diese Systeme an ihnen vorbeientwickelt werden. Sie sind nicht uninteressiert oder unfähig, sondern fühlen sich nicht angesprochen, weil ihre Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Haben diese voreiligen Annahmen über ältere Menschen noch andere Auswirkungen?
Ja. Aus der Altersbildforschung wissen wir, dass Altersbilder auch nach innen wirken, d.h. wir wenden sie auf uns selbst an. Wenn wir also ständig hören, dass wir im Alter Probleme mit der Technologie haben werden, glauben wir das irgendwann. Das kann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen.
Viele ältere Menschen lehnen neue Technologien ab, weil sie sich bewusst dafür entscheiden, ihre Zeit anders zu nutzen.
Wie nutzen ältere Menschen denn neue Technologien?
Ältere Menschen sind oft genauso in der Lage, digitale Technologien zu nutzen wie jüngere – sie tun dies nur anders, oft selektiver. Viele ältere Menschen lehnen neue Technologien nicht ab, weil sie sie nicht verstehen, sondern weil sie sich bewusst dafür entscheiden, ihre Zeit anders zu nutzen. Es geht oft nicht um Überforderung, sondern um eine bewusste Entscheidung für Lebensqualität.
Ein Beispiel ist die Videotelefonie mit den Enkelkindern. Ältere Menschen nutzen diese Technologie genauso souverän wie jüngere, weil sie dadurch mit ihren Liebsten im Kontakt bleiben können. Der offensichtliche Nutzen wirkt hier stark motivierend. Eigentlich brauchen wir also nicht spezielle Designs für ältere Menschen, sondern ein inklusiveres Design für alle!
Was muss sich ändern, um eine inklusivere digitale Gesellschaft zu schaffen?
Wir müssen sicherstellen, dass ältere Menschen in der technologischen Entwicklung stärker berücksichtigt werden. Sie sind oft weniger sichtbar, weil sie nicht mehr Teil des Arbeitsprozesses sind, aber sie haben genauso einen Platz in der digitalen Gesellschaft. Die gerontologische Forschung zeigt, dass die Vielfalt der Bedürfnisse älterer Menschen oft nicht ausreichend wahrgenommen wird, und das kann die Technologieentwicklung beeinträchtigen.
Wenn wir Stereotypen in die Entwicklung einfließen lassen, verhindern wir, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung vom Potenzial der Digitalisierung profitiert. Es ist wichtig, die Vielfalt der Anwendungen zu erhöhen, die älteren Menschen leicht zugänglich sind, um eine wirklich inklusive digitale Gesellschaft zu schaffen.