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Auf den Spuren der APN-Pionier*innen: Master-Praktikum in Denver (USA)
30.09.2024 Maya Monteverde ist Absolventin des MSc-Studiengangs Pflege mit der Vertiefungsrichtung Nurse Practitioner. In Denver, der Geburtsstätte der Nurse Practitioners, konnte sie einen Einblick in das US-amerikanische Gesundheitssystem gewinnen und erfahren, wie etabliert die Rolle der Advanced Practice Nurse (APN) ist.
Das Wichtigste in Kürze
- MSc-Studierende der BFH haben die Möglichkeit, ein Praxismodul im Ausland zu absolvieren.
- Maya Monteverde besuchte in Denver (Colorado, USA) verschiedene Praxen, Kliniken und ambulante Dienste, in denen Nurse Practitioners tätig sind.
- Im Interview gibt sie einen Einblick in die Unterschiede zwischen den Gesundheitssystemen und erzählt, was ihr das Praktikum persönlich und beruflich gebracht hat.
Maya, wie bist du auf die Idee gekommen, ein Auslandpraktikum in Denver zu absolvieren?
Maya Monteverde: Im MSc-Studiengang gibt es neu die Möglichkeit, ein Praxismodul zu absolvieren, wobei eine interessante Variante ein Auslandsaufenthalt ist. Mit zwei Nurse Practitioners (NPs) des University of Colorado College in Nursing, die uns unterrichtet haben, konnten wir Kontakte knüpfen. Diese Gelegenheit habe ich beim Schopf gepackt. Dank der Unterstützung der Modulverantwortlichen der BFH und Fachexpert*innen von der University of Colorado gelang es uns, dort erstmals ein zweiwöchiges Auslandpraktikum auf die Beine zu stellen.
In welchen Bereichen hast du während des Praktikums gearbeitet?
Ich erlebte NPs in der gesamten Bandbreite ihrer Arbeit mit Schwangeren, Gebärenden, Kleinkindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senior*innen. Das Praktikum war aus rechtlichen Gründen beobachtender Natur: Ich hospitierte in zwei NP-Praxen, das sind sozusagen «Hausarztpraxen ohne Hausärzt*innen». NPs arbeiten in Colorado viel selbständiger – vergleichbar mit Hausärzt*innen in der Schweiz.
Ich war einen Tag mit Hebammen im ambulanten und stationären Setting unterwegs, sowie mit einer DNP (Doctor of Nursing Practice) in der Senior Clinic. Zudem war ich bei Anamnesegesprächen und Untersuchungen dabei und nahm an einem Austausch des Global Health Projects teil.
Das Programm war sehr abwechslungsreich und ich konnte viel von den NPs lernen. Besonders beeindruckt hat mich, wie sie Patientenedukation und -empowerment anwenden und wie sie es schaffen, Pflegetheorie in die Pflegepraxis umzusetzen. Es war herausfordernd, die Komplexität des amerikanischen Gesundheitssystems zu verstehen.
Über Maya Monteverde
Maya Monteverde ist Absolventin des Studiengangs MSc Pflege mit Vertiefung Nurse Practitioner. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der spezialisierten Palliative Care, wo sie seit 2001 in verschiedenen Kantonen (BL, TI) tätig war und auch unterrichtet hat. Seit dem 1. Juli 2024 arbeitet sie zu 80% als Advanced Practice Nurse in Palliative Care am Regionalspital Emmental (RSE). Seit dem 1. Juli 2024 zu 80 % als Advanced Practice Nurse in Palliative Care im Regionalspital Emmental (RSE). In dieser Position bietet sie Beratung und Unterstützung auf der Spezialisierten Stationären Palliative Care (SSPC) für Pflegende und Assistenzärzt*innen an. Gemeinsam mit ihrer Vorgesetzten, Dr. med. Barbara Affolter, ist sie dabei, eine Sprechstunde für Patient*innen in palliativen Krankheitssituationen aufzubauen. Zudem arbeitet sie eng mit dem mobilen Palliativdienst Emmental Oberaargau zusammen, um die Schnittstellen zwischen Spital und häuslicher Versorgung zu verbessern.
Welche wesentlichen Unterschiede im Gesundheitswesen zwischen den USA und der Schweiz sind dir aufgefallen?
Wer sich in den USA eine private Krankenversicherung leisten kann oder vom Arbeitgebenden versichert wird, hat Zugang zu einem der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Menschen mit einer staatlichen Versicherung haben einen beschränkten Zugang zu Untersuchungen und Therapien und werden zum Teil als Patient*innen abgelehnt. Wer arbeitslos wird, verliert seinen Versicherungsschutz. Die vielen nicht versicherten Menschen, die sich oft ohne Papiere in den USA aufhalten, haben kaum Zugang zu Gesundheitsleistungen und sind daher einem viel höheren Risiko ausgesetzt, Komplikationen chronischer Erkrankungen zu entwickeln, die zu Notfallhospitationen führen können.
Die beiden NP-Praxen, die ich besucht habe, werden staatlich subventioniert und sind daher verpflichtet, Menschen ohne Versicherung zu behandeln. Die Tarife sind einkommensabhängig. Für einige Leistungen, die in der Schweiz zur Grundversorgung gehören, müssen in Colorado vorgängig Bewilligungen eingeholt werden (z.B. Untersuchungen wie MRI oder teure Therapien), vor allem bei staatlich Versicherten, aber auch bei gewissen Privatversicherungen. Bei der Versorgung von Migrant*innen spielen NPs eine zentrale Rolle, da sie die staatlich geförderten und übernommenen Screenings in ihren Praxen durchführen. All dies zeigt, wie wichtig die APN in diesem System ist.
Nurse Practitioners arbeiten in Colorado viel selbständiger – vergleichbar mit Hausärzt*innen in der Schweiz.
Wie ist die Rolle der APN in den USA etabliert und welche Aspekte könnten auch für die Schweiz von Bedeutung sein?
Die USA sind uns in der Entwicklung der APN-Rolle fast ein halbes Jahrhundert voraus. Die University of Colorado, die Geburtsstätte der Nurse Practitioners, entwickelte in den 1960er Jahren unter Loretta Ford den ersten Lehrgang für NPs in der Pädiatrie. Heute gibt es zahlreiche NP-Spezialisierungen. Wie in der Schweiz ist das amerikanische Gesundheitssystem auch föderalistisch organisiert. In Colorado dürfen NPs alle ärztlichen Tätigkeiten mit Ausnahme der Chirurgie ausüben.
Was wir daraus lernen können: mehr in die theoretischen und praktischen Kompetenzen zu investieren, die Curricula weiterzuentwickeln und – last but not least – uns unbedingt für die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz einzusetzen. Ohne rechtliche Verankerung wird die Etablierung von APN in der Schweiz sehr schwierig bleiben.
Was wir daraus lernen können: verstärkt in theoretische und praktische Kompetenzen zu investieren, Curricula weiterzuentwickeln und uns für stärkere gesetzliche Grundlagen in der Schweiz einzusetzen.
Wie hat das Auslandpraktikum deine persönliche und berufliche Entwicklung beeinflusst?
Das Praktikum hat meinen Horizont auf vielfältige Weise erweitert. Auf praktischer Ebene habe ich die Relevanz von Health Literacy (Gesundheitskompetenz) und Patientenempowerment erkannt. Auf theoretischer Ebene wurde mir bewusst, wie wichtig eine fundierte Ausbildung ist, um die Theorie erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Darüber hinaus habe ich einen gesellschaftspolitischen Einblick erhalten, indem ich die komplexen Strukturen verschiedener Gesundheitssysteme kennengelernt habe. Für mich persönlich war es eine einmalige Erfahrung, die den finanziellen und zeitlichen Aufwand durch ein Vielfaches an Wissen, Vertiefung und neuen Einsichten rechtfertigt. Es lohnt sich, diesen Schritt zu wagen!
Warum hast du dich für den MSc Pflege und die Vertiefung Nurse Practitioner entschieden?
Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich in der spezialisierten Palliativpflege, unter anderem im häuslichen Setting. Diese Arbeit erfordert ein fundiertes pflegerisches und medizinisches Wissen und oft eigenständige Entscheidungen in sehr komplexen Situationen. Ich habe sozusagen als Nurse Practitioner gearbeitet, ohne den nötigen fachlichen Background und die vertieften Kompetenzen. Als ich vom MSc in Pflege mit der Vertiefung Nurse Practitioner an der BFH erfuhr, war für mich klar: Das ist genau das, was ich schon immer machen wollte; das nötige Rüstzeug, um eine «richtige» Nurse Practitioner zu sein.