Körperarbeit als Ressource für nachhaltige Hebammenarbeit

05.06.2024 Körperarbeit ist ein wichtiges Werkzeug der Hebamme, das ihr hilft, ihre Körperwahrnehmung und Selbstanbindung zu stärken und sich in herausfordernden Situationen selbst zu regulieren. Ab Sommer 2024 bietet die BFH Weiterbildungskurse in diesem Bereich an.

Körperarbeit unterstützt Hebammen als wichtiges Werkzeug in der Geburtshilfe sowohl während des Studiums als auch in der beruflichen Praxis. Bereits seit 15 Jahren ist das Konzept Bestandteil des Bachelorstudiums Hebamme an der BFH. Ab Sommer 2024 bietet die BFH neu die modulare Weiterbildung «Körperarbeit & Salutophysiologie» an. 

Das Konzept Körperarbeit beruht auf der salutogenen Arbeitsweise, die positive Gesundheitsressourcen betont und die individuelle Widerstandsfähigkeit stärkt. Körperarbeit unterstützt Hebammen dabei, ihre individuellen Stressmarker zu erkennen und sich selbst zu regulieren. Gerade in herausfordernden Betreuungssituationen, wenn beispielsweise verschiedene Frauen gleichzeitig betreut werden müssen, ist es wichtig, dass Hebammen ihren Körper, ihre Emotionen und ihre Gedanken bewusst wahrnehmen, reflektieren und regulieren. Helfen können hier gezielte Körperarbeitsinterventionen wie die Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Atmung oder das bewusste Wahrnehmen der Körperoberflächen.

Hebammen üben die Körperarbeit

Interventionen brauchen Zeit, sparen aber langfristig Zeit. Ein Beispiel: Bei der Übergabe hiess es, eine Frau klingle die ganze Zeit. Ich habe mir dann im Spätdienst die Zeit für eine Intervention genommen. Das hat sie so geerdet, dass sie danach kaum noch geklingelt hat. So hat es auf Dauer weniger Zeit gekostet, weil sie den Raum hatte und wieder zu sich finden konnte. Die Ruhe, die sie dann hatte, konnte sie auch ihrem Kind geben.

ehemalige Studentin aus dem Bachelor-Studium

Körperarbeit für mehr weibliche Selbstkompetenz

Wie aus einem Artikel der «Deutschen Hebammenzeitschrift» hervorgeht, kann die Hebamme mit Körperarbeit nicht nur die eigene Selbstanbindung festigen, sondern auch die Frau während der Geburt dabei unterstützen, den Zugang zu ihren Ressourcen und zur Eigenkompetenz zu finden bzw. aufrechtzuerhalten (Krähenbühl et al., 2024). Gezielte Körperarbeitsinterventionen wie Atemarbeit, haltgebende Berührungen, der Einsatz eines Rebozo (tragetuchähnliches Tuch) für Massagen am Becken, Rücken oder Bauch, Ausstreichungen oder Fussarbeit bei der Klientin helfen, das Nervensystem zu regulieren und Anspannungen zu lösen. Die Körperarbeitsinterventionen stärken zudem die Beziehung zwischen Hebamme und Klientin und können dazu beitragen, dass sich die Frau ganzheitlich wahrgenommen fühlt. Nimmt die Hebamme bei der Gebärenden Stressmarker des vegetativen Nervensystems wahr (z. B. oberflächliche Atmung, schneller Herzschlag, kalte Extremitäten, erhöhter Muskeltonus, Zittern), kann sie Interventionen aus der Körperarbeit einsetzen, damit die Frau ihren Körper wieder bewusst wahrnehmen und somit auch die Wehen wieder besser verarbeiten kann. 

Ich finde, dass Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft einen Anteil haben, den der Verstand nicht begreifen kann. Genau hier kann Körperarbeit ansetzen: Sie hilft, wieder Boden unter den Füssen zu spüren, sich gesehen und aufgehoben zu fühlen.

ehemalige Studentin aus dem Bachelor-Studium

Körperarbeit für mehr Orientierung und Bindung

Die Selbstanbindung der Hebamme ist doppelt wichtig: Wenn ihr Nervensystem akut oder chronisch überreizt ist, überträgt sich dieser Stress über die Spiegelneuronen auf die Gebärende, die Begleitperson und das Kind. Körperarbeit wird nicht nur während der Geburt eingesetzt, sondern kann auch nach der Geburt ein hilfreiches Instrument sein, um die Bindung zwischen Kind und Mutter zu fördern und den Eltern in der Übergangssituation vom Paar zur Familie Orientierung zu geben und den Bindungsaufbau zu stärken.  

Konzepte wie die Körperarbeit sind komplex und Stressmarker sind individuell. Deshalb erleben die Studierenden in den Weiterbildungsmodulen der BFH das Konzept am eigenen Körper, leiten Gesetzmässigkeiten daraus ab und verknüpfen es mit der Theorie. 

Autorin: Nicole Schaffner, Kommunikation Departement Gesundheit
 

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