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Wie eine App Suizide verhindern hilft
29.04.2024 Im Rahmen eines Projekts zur Reduktion von Suiziden hat die BFH eine App entwickelt. Sie soll Betroffene und Angehörige im Umgang mit psychischen Krisen unterstützen und mithelfen, Selbsttötungen zu verhindern.
Weshalb hat die BFH eine App zur Prävention von Suiziden entwickelt?
In der Schweiz nehmen sich jährlich fast 1000 Menschen das Leben. Obwohl die Zahl im Verlauf der Jahre gesunken ist, verursachen Suizide und die um ein Vielfaches häufigeren Selbsttötungsversuche grosses Leid bei Betroffenen und Angehörigen. Menschen, die Suizid begehen, hinterlassen in ihrem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld eine schmerzvolle Lücke. Mit dem Ziel, Suizide und -versuche zu reduzieren, lancierten die Luzerner Psychiatrie, Gesundheitsförderung Schweiz, die BFH und andere Partner das Projekt SERO. Die Abkürzung steht für «Suizidprävention einheitlich regional organisiert».
Das Projekt ist ein Beitrag an eine sorgende Gesellschaft (Caring Society) und bietet Betroffenen und Angehörigen die Möglichkeit, jederzeit Massnahmen zur Reduktion des Suizidrisikos zu ergreifen. Konkret erlaubt die von einem Projektteam der BFH entwickelte App, Kontaktangaben von engen Bezugspersonen zu vermerken und in Krisensituationen wichtige Anlaufstellen zu kontaktieren. Weiter bietet sie eine einfach durchzuführende Selbsteinschätzung der Suizidgefährdung und einen persönlichen Sicherheitsplan, auf den im Krisenfall zurückgegriffen werden kann.
Wie kann die App eingesetzt werden?
Die App steht allen Interessierten kostenlos zur Verfügung und kann im Apple App Store sowie im Google Play Store heruntergeladen werden. Sie kann sowohl im Rahmen einer Therapie zum Einsatz kommen als auch in einem rein privaten und persönlichen Rahmen genutzt werden. Wer auch immer für sich oder eine angehörige Person einen Nutzen darin sieht, darf die App verwenden.
Welchen Nutzen hat die App für die Gesellschaft?
Einerseits hat die App das Ziel, Suizide zu verhindern. Anderseits soll sie Betroffenen helfen, ihr Selbstmanagement, das heisst den Umgang mit suizidalen Krisen zu verbessern. Zudem kann die App beim derzeitigen Fachkräftemangel in der Psychiatrie und Psychotherapie dienlich sein, etwa um Betroffene und ihre Bezugspersonen zu begleiten und so Wartezeiten zu überbrücken, bis ein Hilfsangebot in Form von Behandlungen oder Beratungen verfügbar ist.
Wie ist die BFH bei der Entwicklung der App vorgegangen?
Das Projektteam der BFH hat sich bei der Entwicklung der App stark auf die Erfahrungen von Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen abgestützt. Es holte in Workshops die Bedürfnisse der drei Personengruppen ein und liess diese nach der Programmierung auch den Prototypen testen, um Hinweise zu erhalten, wie benutzerfreundlich die Anwendung war. Ein wichtiges Thema bildete der Datenschutz, der bei der Nutzung der App jederzeit sichergestellt sein muss.
Welche Herausforderungen galt es zu überwinden?
Die schwierigste Aufgabe für das Projektteam war, eine einfache Darstellung für die App zu finden und aufzupassen, dass sie durch die bereitgestellten Informationen nicht überladen wirkte. Überdies galt es, Rückmeldungen und Meinungen der Befragten zu gewichten. Denn wie bei anderen Befragungen auch erhielt das BFH-Projektteam vielfältige und unterschiedliche Einschätzungen.
Auf welche Resonanz ist die App gestossen?
Innert Jahresfrist haben über tausend Personen die App heruntergeladen. Das Angebot stösst auf Interesse, was erfreulich ist. Positiv stimmt auch, dass viele der Nutzer*innen die App regelmässig einsetzen. Eine detaillierte Auswertung steht noch aus, ebenso die geplante Befragung der Nutzenden, von der sich die Projektleitung zusätzliche Hinweise erhofft, wie die App weiter optimiert werden kann.
BFH-Expertin hinter dem Projekt
Prof. Dr. Kerstin Denecke, Projektleiterin Suizidpräventions-App
Die Projektleitung für die Entwicklung der SERO-App in der BFH liegt bei Kerstin Denecke. Sie ist Professorin für Medizininformatik im Departement Technik und Informatik und hat die Co-Leitung des Instituts Patient-centered Digital Health inne. In ihrer Tätigkeit als Forscherin setzt sie sich hauptsächlich mit künstlicher Intelligenz in der Medizin auseinander.
Das Spektrum der Themen reicht von Textmining (Automatismus zur raschen Erkennung von Wissen in umfangreichen Datensammlungen) bis zu patientenzentrierten digitalen Gesundheits-Applikationen, die Menschen eine Interaktion mittels Dialog ermöglichen.
Kerstin Denecke ist Mitherausgeberin von «Artificial Intelligence in Medicine», einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift, die Artikel rund um künstliche Intelligenz in der Medizin veröffentlicht.
Dieser Artikel erschien zuerst im Anzeiger Region Bern. Er ist Teil einer Serie, in der Forschungsprojekte der Berner Hochschulen vorgestellt werden.